Nicht mehr ganz neu, aber trotzdem noch berichtenswert ist das Engagement des ehemaligen Grünen-Politikers Rezzo Schlauch, der in Bächlingen (Stadt Langenburg) aufgewachsen ist, für den Atomstromkonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW). Auch der in Gerabronn geborene und in den ersten Lebensjahren in Langenburg aufgewachsene Ex-Außenminister Josef Fischer (Grüne) ist nach seiner politischen Karriere als Lobbyist tätig geworden. Die hier veröffentlichten Informationen stammen von der Internetseite von „LobbyControl – Initiative für Transparenz und Demokratie“ www.lobbycontrol.de/blog/
Zusammengestellt von Ralf Garmatter, Freier Journalist aus Kirchberg/Jagst
Lobby-Control-Bericht vom 14. März 2006: Rezzo Schlauch neu im EnBW-Beirat
Der Grünenpolitiker Rezzo Schlauch sitzt nun im EnBW-Konzernbeirat, berichtet die Stuttgarter Zeitung und beschreibt die Netzwerk-Funktion des Beirats: “Utz Claassen ist ein begabter Netzwerker. Viel Zeit und Geschick verwendet der Vorstandschef der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) darauf, Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Es kann schließlich nie schaden, wichtige Leute zu kennen – nicht dem eigenen Unternehmen und auch nicht der eigenen Karriere. Eines der Foren, das Claassen für solche Zwecke nutzt, ist der Konzernbeirat der EnBW. Eine illustre Schar von Prominenten hat er in dem 37-köpfigen Gremium versammelt. Da sind ehemalige Bundesminister wie Klaus Kinkel, Theo Waigel und Matthias Wissmann. Da sind Managerkollegen wie Hartmut Mehdorn (Deutsche Bahn), Klaus Mangold (Daimler-Chrysler) oder Willem van Agtmael (Breuninger). Und da sind Vertreter von Institutionen, denen der Stromkonzern irgendwie verbunden ist – zum Beispiel Präsident Erwin Staudt vom VfB Stuttgart, Roland Mack vom Europapark in Rust oder Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster.”
Rezzo Schlauch behauptet dagegen, er wolle in dem Beirat für Erneuerbare Energien werben und lehne Atomkraft weiter ab. EnBW betreibt zwei Atomkraftwerke in Deutschland und gehört zu knapp der Hälfte dem französischen Atromstromkonzern EDF. Und wenn ein Solarunternehmen eine atomkritische Anzeige im Programmheft eines EnBW-gesponsorten Tennisturniers schalten will, kann es schon mal Krach geben. Atomstrom ist ein zentraler Geschäftsbereich von EnBW – da wird Rezzo Schlauch nichts daran ändern. Eher lässt er sich für die Pflege eines grünen Images durch EnBW instrumentalisieren.(…)
LobbyControl-Bericht vom 22. März 2006: Schlauch schon früher bei EnBW – Metzger redet vom “Klassenfeind”
Laut Focus war Rezzo Schlauch schon seit Oktober 2005 Mitglied im EnBW-Beirat. Da war er noch Staatssekretär. Allerdings war die Bundestagswahl bereits gelaufen und klar, dass Schlauch den Posten verlieren wird. Schlauch hatte behauptet, er sei erst nach seiner Entlassung in den Beirat berufen worden. Interessant ist auch die Reaktion von Oswald Metzger (laut Focus): “Dass ausgerechnet ein Veteran der grünen Anti-Atomkraft-Bewegung zum Klassenfeind überläuft, nervt vor allem die Wahlkämpfer in Baden-Württemberg. „Diese Tätigkeit eines früheren Fraktionschefs einer Anti-Atompartei gefährdet die Glaubwürdigkeit“, kritisiert der grüne Landtagskandidat Oswald Metzger. Auch als Privatmann könne er sich „seines politischen Umfeldes nicht entledigen“. Ein Grüner müsse aufpassen, „wenn er faktisch zum Klassenfeind wechselt“.”
Ausgerechnet Oswald Metzger benutzt die Formulierung “Klassenfeind” – Metzger, der seit Jahren für die Arbeitgeber-Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die Bertelsmann-Stiftung oder den Konvent für Deutschland durch die Lande und die Medien tingelt und sich dafür bis zu 3000 Euro pro Vortrag bezahlen lässt… Dabei wurde er meist als “Grüner” vorgestellt, obwohl er weder ein Mandat noch Amt hatte. Er hatte damit eine größere Glaubwürdigkeit, als beispielsweise ein Arbeitgeber-Funktionär hätte erreichen können. Dass sich Metzger jetzt über Schlauch aufregt und vom “Klassenfeind” spricht, lässt sich nur als Wahlkampf-Manöver deuten.
Anmerkung von Hohenlohe-ungefiltert: Oswald Metzger ist inzwischen zur CDU übergelaufen und hat sich in der Region Oberschwaben mehrfach vergeblich als Kandidat um einen CDU-Wahlkreis beworben.
LobbyControl-Bericht vom 1. Oktober 2008: Hildegard Müller und Joschka Fischer in neuen Jobs
Die ehemalige Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Hildegard Müller (CDU), tritt heute ihren neuen Job als Energielobbyistin an. Die Merkel-Vertraute legt ihr Bundestagsmandat nieder, um den Vorsitz der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zu übernehmen. Auch wenn Müller kein politisches Amt mehr bekleidet, so ist ihr nahtloser Wechsel von der Politik in einen Lobbyjob problematisch. Fnanzstarke Wirtschaftsakteure wie die Energielobby kaufen sich so mit lukrativen Angeboten für ehemalige Politiker und ranghohe Beamte politische Kontakte und Insiderwissen, die ihnen einen Vorteil gegenüber anderen gesellschaftlichen Interessen verschaffen.
Neuer Job für Fischer
Die frühere Staatsministerin ist kein Einzelfall. Eine Studie von LobbyControl zeigt, dass allein aus dem zweiten Kabinett Schröder 12 Personen nach dem Ende ihrer Amtszeit in Lobbytätigkeiten gewechselt sind (Margarete Wolf damals noch nicht mitgezählt). Auch Joschka Fischer war nach dem Ende seiner Zeit als Außenminister nicht untätig. Er hielt Vorlesungen an der renommierten Princeton University, war Mitbegründer eines Think-Tanks zur Förderung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik und er gründete mit der Joschka Fischer Consulting eine eigene Beratungsfirma. Nun kann er laut Spiegel einen weiteren Job in seine Tätigkeitsliste aufnehmen: Er wird Berater in der Albright Group LLC – einer Beratungsfirma von Fischers ehemaliger amerikanischer Amtskollegin Madeleine Albright. Die Albright Group liefert Risikoeinschätzungen für die Investitionen ihrer Kunden, tritt aber auch als Verhandlungspartner gegenüber Regierungen für sie auf.
Was Kunden und Bezahlung angeht, herrscht in der Albright Group höchste Diskretion. Für die Reporter des Spiegels war nicht herauszufinden, wen die Albright Group berät oder was der frühere Bundesaußenminister für seine Tätigkeiten kriegen wird. Auch Fischer selber äußert sich nicht zu seinem Verdienst. Wie viele Seitenwechsler sieht er sich nach seiner politischen Laufbahn ausschließlich als Privatperson, die der Öffentlichkeit keine Rechenschaft schuldig ist.
Mehr Transparenz und Schranken für Seitenwechsler
Die Seitenwechsler vergessen dabei, dass sie ihre lukrativen privaten Tätigkeiten auch ihren öffentlichen Ämter verdanken. Diese haben ihnen das Wissen und die persönlichen Verbindungen verschafft, die sie als politische Berater erst interessant machen. Zudem nutzen sie ihre Kenntnisse und Kontakte um Einzelinteressen in gesellschaftlich relevanten Fragen durchzusetzen. Daher fordert LobbyControl mehr Transparenz und Schranken für den Übergang von politischen in Lobby-Tätigkeiten, insbesondere eine mehrjährige Karenzzeit, damit sich finanzstarke Einzelinteressen keinen privilegierten Zugang zur Politik erkaufen können. Außerdem brauchen wir in Deutschland ein verpflichtendes Lobbyistenregister – dann müssten auch ehemalige Regierungsmitglieder ihre Kunden offen legen, wenn sie Lobbyarbeit betreiben.
PS: Neuer Staatsminister im Kanzleramt ist aber heute Hermann Gröhe, bisher Justiziar der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag (siehe u.a. Financial Times Deutschland)
LobbyControl-Bericht vom 13. Juni 2008: Elitetreffen der Bilderberger 2008
In der Nähe von Washington fand letztes Wochenende das Treffen der sogenannten Bilderberg-Gruppe statt. In vertraulicher Runde kommen hierbei gut 100 Vertreter der Einflussreichen in Wirtschaft, Politik, Militär und Medien aus aller Welt zusammen, um sich über die Zukunft der Weltwirtschaft und -politik auszutauschen. Nach im Internet kursierenden Teilnehmerlisten waren aus Deutschland dabei: Josef Ackermann, Joschka Fischer, Wolfgang Ischinger (früher deutscher Botschafter, jetzt Cheflobbyist des Allianz-Konzerns), Eckart von Klaeden (CDU), Matthias Naß (Stellvertretender Chefredakteur der Zeit) und Volker Perthes (Stiftung Wissenschaft und Politik).
Das Medienecho war wie immer gering: in der Jungen Welt und der Frankfurter Rundschau erschienen Artikel vom gleichen Autor, sonst war wenig zu sehen. Letztes Jahr hatte das Medienmagazin Message einen großen, lesenswerten Artikel über die Rolle von Journalisten bei den Bilderberg-Treffen veröffentlicht, der aber leider nur im Anriß online zugänglich ist. Denn es sind immer wieder Journalisten und Vertreter der Medienunternehmen bei den Bilderberg-Treffen dabei. So hat Matthias Naß seine Teilnahme am diesjährigen Treffen gegenüber LobbyControl bestätigt. Nur: die teilnehmenden Journalisten berichten nicht über das Treffen, sondern halten sich an die strikten Verschwiegenheitsregeln (siehe auch Junge Welt: Nichtangriffspakt mit den Mächtigen).
“Die Zeit” spielt eine besondere Rolle bei diesem Elitenzirkel – schildert Theo Sommer (heute Editor-at-Large der Zeit) im Interview mit der Medienfachzeitschrift Message:
“Für Deutschland saßen im Lenkungsausschuss immer zwei Leute: einer, den [sic] den intellektuellen Input brachte, der sagte: Das wäre ein Thema, das wäre ein Redner. Und einer, der die Finanzen besorgte, der Fundraising betrieb bei Banken und großen Unternehmen. Lange Zeit war ich der ideelle Part und der finanzielle war Alfred Herrhausen. Nach mir hat sich dieser Sitz innerhalb der Zeit vererbt. Erst kam Christoph Betram und jetzt ist Matthias Nass im steering committee.” (”Networking auf sehr hohem Niveau”. In: message 3/ 2007, S. 61)
Das ganze message-Interview ist lesenswert. Wer sich für das Bilderberg-Treffen und die Medien interessiert, kann sich das Heft 3/ 2007 nachbestellen. Internetadresse www.message-online.com/