Die österreichischen Kabarettisten Carl Merz (1906-1979) und Helmut Qualtinger (1928-1986) haben zehn Jahre lang in Wien Kabarett gemacht. Aus diesem Programm stammt auch die „Sauerbruch-Operette“, die uns als Vorbild zur „Kocherquartier-Operette“ diente. Ferner haben wir als passenden Refraintext ein Motiv aus der Auftrittsarie des Bürgermeisters van Bett im ersten Akt der komischen Oper von Albert Lortzing „Zar und Zimmermann“ verwandt.
Aus der letzten Ausgabe des Monatsmagazins Alpha-Press in Schwäbisch Hall
Ein Denkmal in Gestalt eines modernen Einkaufszentrums
Sprecher: Es begab sich zu Hall, dass das innerstädtische Knastareal als Brache einer (aus dem Off) anderweitigen Verwendung harrte. Da dünkte es dem amtierenden Oberbürgermeister passend, sich ein Denkmal in Gestalt eines modernen Einkaufszentrums zu widmen und dies ohne Rücksicht auf die möglichen Verluste beim innerstädtischen, vorwiegend inhabergeführten Einzelhandel. Davon handelt die Kocherquartier-Operette.
(Der Vorhang geht langsam auf. Der Oberbürgermeister – im Amtsornat – steht im Lichtkegel mitten auf der Bühne)
Oberbürgermeister: In Hall ist es so öd und leer, da muss ein Einkaufszentrum her! Kommt alle her ihr Investoren, sonst ist die Innenstadt verloren. Die Kocherarkaden der Stadt zur Zierde sind der Kauflust Ort der Begierde. Jedermann ruft mir zum Preise. Ich bin Halls größtes Licht. Oh, ich bin klug und weise und mich übertrifft man nicht.
(Auftritt der Investoren)
Chor der Investoren: Bei der Kaufkraft ist schon alles dicht, da lohnt ein Einkaufszentrum sich nicht. Die Kocherarkaden sind nur ein Traum, sie zu realisieren lohnt sich doch kaum. Weil zu gering die Miete, machen wir keine Rendite.
(Investoren treten ab)
Oberbürgermeister: Papperlapapp sag ich nur leise. Ich bin Halls größtes Licht. Oh, ich bin klug und weise und mich überzeugt man nicht. GWG und Stadtwerke werden sollen, wenn and’re Investoren nicht wollen. Volksbank, GWG, Stadtwerke und Stadt, wir alle bauen gemeinsam zu vier, zu meiner Freude und Denkmalstatt, das Jahrhundertprojekt Kocherquartier. Jung und alt singt mir zum Preise. Ich bin Halls größtes Licht. Oh, ich bin klug und weise und mich übergeht man nicht.
(Auftritt des Kocherquartier-Balletts)
Chor des Kocherquartier-Balletts: halli-galli, halli-galli, yeah, halli-galli, halli-galli …
(Ballett geht ab)
Chor der Kocherquartier-Skeptiker (aus dem Off): balla-balla, balla-balla
(Kochergeist mit sardonischen Zügen taucht auf)
Kochergeist: Ihr wollt es nicht vermuten: ich werde ein Parkdeck fluten. Da könnt ihr euch die Haare raufen, wenn das Parkhaus tut absaufen.
(Kochergeist taucht ab)
Oberbürgermeister: Wenn die Tiefe nicht geht, dann geht die Breite, stellt den Omnibusbahnhof beiseite. Die Kosten sind mir doch egal. Das Projekt kommt nicht zu Fall. Alle Welt jubelt mir zum Preise. Ich bin Halls größtes Licht. Oh, ich bin klug und weise und mich bezwingt man nicht.
(Auftritt des Kocherquartier-Balletts)
Chor des Kocherquartier-Balletts: halli-galli, halli-galli, yeah; halli-galli, halli-galli …
(Ballett geht ab)
Chor der Kocherquartier-Skeptiker (aus dem Off): balla-balla, balla-balla
(Bürgermeisterin tritt auf)
Bürgermeisterin: Jubel, Trubel, Heiterkeit, heut‘ ist endlich Jauchzerzeit. Im besten Lichte soll’n erstrahlen Kettenläden und Filialen. Es ist allerhöchste Zeit: Unser Tempel wird heut‘ eingeweiht. Bürger kauft, was ihr nicht braucht, denn euer Nachbar tut das auch. Frohsinn, Unsinn, Optimismus, nur das hilft geg’n Verdruss, den mancher vielleicht haben muss.
Oberbürgermeister: Niemand jubelt mir zum Preise. Ich bin des Landes größtes Licht. Oh, ich bin klug und weise. Und Hall verdient mich nicht.
(Oberbürgermeister geht sehr schnell ab)
(Kocherquartierballett tritt auf)
Chor des Kocherquartierballets: halli-galli, halli-galli, yeah; halli-galli, halli-galli …
(Der Vorhang fällt schnell)