Im Bundesmilitärarchiv Freiburg werden die Hinterlassenschaften der Waffen-SS aufbewahrt. Anschauen darf man die Dokumente. Doch will man sie nutzen, müssen ehemalige SS-Leute die Erlaubnis dazu geben. Vermutlich dürften die Sektkorken bei den alten braunen Kameraden geknallt haben, als der Coup perfekt war: Ausgerechnet der Staat, den sie verachten, greift ihrer SS-Seilschaft finanziell unter die Arme.
Auszug aus dem Artikel „Der Lange Arm“ von Gunter Haug in der Kontext:Wochenzeitung vom 14. September 2011
Altnazis müssen einer Nutzung zustimmen
Das Bundesmilitärarchiv in Freiburg hat sich Mitte der 1990er-Jahre verpflichtet, Unterlagen der ehemaligen Waffen-SS zu lagern und zu pflegen, ohne dass die braunen Konsorten dafür bezahlen müssten. Vor allem aber hat sich das Archiv darüber hinaus verpflichtet, jede Verwendung der Akten – das Zitieren in historischen Arbeiten beispielsweise – nur mit der Zustimmung der Altbraunen zuzulassen. Die Unterhaltungskosten werden somit also dem Steuerzahler aufs Auge gedrückt, die alleinige Verfügungsgewalt bleibt dagegen beim braunen Sumpf. Das hat sich in diesen Kreisen schnell herumgesprochen: Beim Abschluss des Abkommens ging es noch um rund zehn Regalmeter, inzwischen sind es mehrere hundert.
Drei Männer aus Brettheim wurden von der SS erhängt
Dem Autor Franz Josef Merkl hat es während seiner Recherchen im Bundesmilitärarchiv beinahe die Sprache verschlagen. Merkl recherchierte für seine Doktorarbeit über die Mörder der „Männer von Brettheim“. In dem Ort in Hohenlohe hatten es drei Männer kurz vor Kriegsende gewagt, halbstarken Hitlerjungen die Panzerfäuste wegzunehmen, die man ihnen gegeben hatte, und sie nach Hause zu schicken. Einer der Buben bekam von einem Bauern aus dem Dorf eine Ohrfeige verpasst. Die Kindersoldaten stießen kurz darauf auf eine Einheit der SS und berichteten, was ihnen geschehen war. Die SS-Truppe nahm die drei Männer postwendend fest. Ein Standgericht machte kurzen Prozess mit ihnen: Sie wurden zum Tode verurteilt und in ihrem Heimatdorf aufgehängt.
Erst wird der ehemalige SS-Obersturmbannführer eingeschaltet
Im Rahmen einer Doktorarbeit über den für die drei Morde verantwortlichen SS-General Max Simon war Franz Josef Merkl in Freiburg fündig geworden. Er durfte die Quellen für eine Veröffentlichung aber nicht nutzen. Das sei erst möglich, wenn er für die Einsichtnahme die Genehmigung eines verantwortlichen Mitglieds der HIAG, der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e. V.“ erhalte, wurde ihm erklärt. Es gebe eine „Benutzungseinschränkung“. Ohne grünes Licht eines ehemaligen Obersturmbannführers der Waffen-SS müsse er auf diese Archivalie leider verzichten, hieß es lapidar. Der Verfassungsschutz stuft die HIAG übrigens als rechtsextremistische Organisation ein. (…)
Der ganze Artikel „Der lange Arm“ ist nachzulesen auf der Internetseite http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2011/09/der-lange-arm/