Von Jochen Dürr, Friedensaktivist, Betriebsrat, verdi-Mitglied und Mitglied der Partei Die Linke aus Schwäbisch Hall – weitergeleiteter Solidaritätsaufruf
Liebe Freundinnen und Freunde,
das kürzlich ergangene Urteil gegen Tobias Pflüger, Vorstandsmitglied unseres Bündnispartners, der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., steht in einer Reihe mit zahlreichen Verfahren gegen fortschrittliche politische Aktivisten, aktuell gerade in Zusammenhang mit dem NATO Gipfel, wie auch in der Vergangenheit mit den G8 Protesten in Heiligendamm, den geplanten Angriffen auf das Versammlungsrecht und vielem mehr. Mit diesen Repressionen wird offenkundig beabsichtigt, den angesichts der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung unweigerlich zunehmenden Protest breiter Bevölkerungsschichten zu behindern. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Ich bitte Euch daher um Verbreitung des Aufrufs entsprechend Eurer Möglichkeiten und natürlich um dessen Unterzeichnung.
Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. informiert über das Urteil:
Repression gegen Antikriegsaktivisten – Hammer-Urteil gegen IMI-Vorstand Tobias Pflüger
Am Montag, 2. März 2009 fand vor dem Amtsgericht München/Strafgericht ein Prozess gegen den Europaparlamentarier und Vorstand der Informationsstelle Militarisierung Tobias Pflüger statt. Dabei wurde er für eine angebliche Beleidigung während der Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz 2005 zur Zahlung von 60 Tagessätzen a 200 Euro – also 12.000 Euro! — verurteilt. Wir kritisieren dieses Urteil scharf, das zudem auch im Kontext einer langen Reihe sich immer weiter verschärfender Repressionsmaßnahmen nicht nur gegen Tobias Pflüger selbst, sondern gegen die gesamte antimilitaristische Bewegung zu sehen ist. Zum Hintergrund: Drei Polizisten werfen Tobias Pflüger Beleidigung vor. Sie hatten den Europaabgeordneten bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2005 daran gehindert, Zugang zu einem brutal Festgenommenen zu bekommen. Auch gaben sie keine Informationen über den Festnahmevorgang heraus. Anscheinend weil Tobias Pflüger ankündigte, sie wegen Rechtsbeugung anzuzeigen, initiierten die Polizisten eine Anzeige gegen ihn.
Pflüger hat offensichtlich keine Polizisten beleidigt
Eine Beleidigung ist von Seiten von Tobias Pflüger allerdings nicht gefallen. Die angeblich gefallenen Worte „Arschloch“, „Arschkopf“ sind frei erfunden. Tobias Pflüger kannte den Begriff „Arschkopf“ bis dahin im Übrigen nicht. Die Anfangs erhobenen abwegigen Vorwürfe der Körperverletzung und der verweigerten Ausweisung als Europaparlamentarier werden nicht mehr verfolgt. Das sollte bereits ausreichen, um die Seriosität der Aussagen der Polizisten in Frage zu stellen. Doch darüber hinaus dienten diese Vorwürfe wohl lediglich dazu, in einem fragwürdigen Verfahren mit einer breiten Koalition von Grünen bis Rechtsextremen eine Aufhebung der Immunität durch das Europäische Parlament zu erreichen. Durch den Ablauf der Geschehnisse lässt sich genau nachweisen, dass der Vorwurf der Körperverletzung von der Staatsanwaltschaft erneut überprüft wurde, allerdings die Entscheidung, ihn de facto fallen zu lassen, erst mitgeteilt wurde, nachdem die Immunität aufgehoben war. Nach Befragung durch Tobias Pflügers Anwältin Angelika Lex waren die Widersprüche und Absprachen der Polizisten offensichtlich, doch die Richterin fand trotzdem alles glaubwürdig.
Bezirksregierung Düsseldorf hat Polizist vermutlich beim Abfassen der Anzeige geholfen
Aus den Aussagen der Polizisten ergab sich weiterhin, dass die übergeordneten Behörden (genannt wurde die Bezirksregierung Düsseldorf) bei der Erstellung der Anzeige des Polizisten Michaelis behilflich waren. Dies gibt dem Verfahren eine weitere politische Dimension. Die Polizisten schrieben ihre Texte voneinander ab. Dies war bereits das vierte Ermittlungsverfahren (1999, 2003, 2004, 2005) der Staatsanwaltschaft München I gegen Tobias Pflüger anlässlich der Beteiligung an Protesten gegen die Münchener Sicherheitskonferenz. Ein Gericht in Tübingen sprach den Friedensaktivisten wegen des Aufrufs zur Desertion 1999 frei. Das Verfahren 2003 wurde eingestellt, und für die brutale Festnahme im Jahr 2004 hat sich die Polizei später sogar entschuldigt. Weder die Staatsanwaltschaft (Frau Lux) noch die Richterin (Frau Birkhofer-Hoffmann) waren bereit, den politischen Kontext des Verfahrens ernsthaft zu würdigen und etwa die Möglichkeit unlauterer Gründe der Polizisten zu bedenken, sondern sie schenkten den Polizisten uneingeschränktes Vertrauen. In Ihren Augen liegt es bei Tobias Pflüger, den Vorwurf der Beleidigung zu entkräften. Diese Umkehr der Beweislast kann unmöglich beibehalten werden.
„Meinungs- und Versammlungsfreiheit wird immer weiter ausgehöhlt“
Leider ist dieser Fall nur einer unter vielen, die zeigen, wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Deutschland wie auch in der EU immer weiter ausgehöhlt wird. Die Versuche, das bayrische und baden-württembergische Versammlungsgesetz zu verschärfen sind weitere Beispiele. Auch die mit Einschränkungen und Stigmatisierung durch staatliche Behörden konfrontierten Proteste gegen den NATO-Gipfel zum 60.Jahrestag in Strassburg, Kehl und Baden-Baden im April sind in diesem Zusammenhang zu sehen.
Aufruf zum Unterschreiben einer Solidaritätserklärung für Tobias Pflüger
Wir, die Unterzeichner, erklären uns deshalb hiermit solidarisch mit Tobias Pflüger und unterstützen ihn in seinem Vorhaben, gegen dieses Urteil in Berufung zu gehen. Wir rufen alle FriedensfreundInnen und AntimilitaristInnen auf, sich nicht durch solche Verfahren einschüchtern zu lassen. Proteste gegen NATO und Bundeswehr sind nicht nur legitim, sondern auch notwendig! Solidaritätserklärungen bitte an: Solidaritaetmittobias@web.de