In einer Pressemitteilung vom 9. Dezember 2011 (1) kündigt der Stuttgarter Polizeipräsident Züfle weitgehende Einschränkungen der Versammlungsfreiheit an.
Von Thomas Trüten, Sprecher des Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit
Polizei will verstärkt „verkehrslenkend eingreifen“
So heißt es dort: „Künftig werde die Stuttgarter Polizei mehr als bisher verkehrslenkend eingreifen, um die Beeinträchtigungen für die Allgemeinheit bei Aufzügen zu verringern. Dazu gehöre beispielsweise, die bei der Anmeldung und dem Kooperationsgespräch vereinbarten Aufzugstrecken konsequent einzuhalten. Die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit werde dadurch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt.“ Aber verhältnismäßig will er sie schon einschränken, zum Beispiel das Recht auf Spontanversammlungen, die vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (§ 8 Grundgesetz) gedeckt sind, wird dann für S21-Gegner suspendiert.
Es soll verdachtsunabhängig, rund um die Uhr, flächendeckend gefilmt werden
„Mit rund einem Dutzend Kameras werden die Bereiche des Nord- und Südflügels, des Grundwassermanagements und der relevanten Bauflächen im Mittleren Schlossgarten überwacht. Hinweisschilder werden Passanten künftig auf die dortige Videoüberwachung aufmerksam machen.“ Es soll also verdachtsunabhängig, rund um die Uhr, flächendeckend gefilmt werden. Eine derart exzessive Observation beeinträchtigt aber die innere Entschlussfreiheit, an einer Versammlung teilzunehmen („innere Versammlungsfreiheit“) sprich – schreckt ab und schüchtert ein – und ist deshalb rechtswidrig.
Datenschutzbeauftragter soll Bürgerrechte schützen
Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen, wird dadurch beeinträchtigt. Diesen mehrfachen Rechtsbruch will Polizeipräsident Züfle auch noch mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz abstimmen. Thomas Trüten, Sprecher des Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit dazu: „Wir fordern den Datenschutzbeauftragten auf, sich diesem Ansinnen zu widersetzen und für die Einhaltung der Bürgerrechte Sorge zu tragen.“
Grundrechte stehen höher als das Baurecht
Der Aufbau einer Drohkulisse durch sogenannte „Gewahrsamscontainer“ auf dem Cannstatter Wasen und dem Einsatz tausender Polizisten (die Zahl 9000 wird von der Polizei weder bestätigt noch dementiert) wird als „umfassende Deeskalationsstrategie“ bezeichnet. Das ist eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Auch die Aussage Züfles zur Blockade von Baustellenfahrzeugen: „Ein solches Verhalten sei im Grunde nicht friedlich, vor allem deshalb, weil es immer wieder von aggressivem Verhalten geprägt sei“ ist stark einseitig wertend und entspricht nicht der aktuell durch das Bundesverfassungsgericht vertretenen juristischen Bewertung von Sitzblockaden. Thomas Trüten weiter: „Wenn das Baurecht der Bahn höher steht wie die Grundrechte, dann muss das zu denken geben und die demokratische Öffentlichkeit ist – unabhängig von der Position zu ‚Stuttgart 21‘ – aufgerufen, sich einer solchen Entwicklung entgegen zu stellen.“
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