Zur Räumung des Stuttgarter Schlossgartens durch 2500 PolizistInnen gibt es einen Kommentar von Thomas Trüten aus Esslingen, Sprecher des Bundnisses für Versammlungsfreiheit. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Kommentar in voller Länge.
Kommentar von Thomas Trüten, Sprecher des Bundnisses für Versammlungsfreiheit Stuttgart
„Anpassung des Einsatzkonzeptes“
Bei der Räumung des Stuttgarter Schlossgartens in der vergangenen Nacht wurde deutlich, was Polizeipräsident Züfle in einer Pressemitteilung vom 9. Februar 2012 unter der „Anpassung des Einsatzkonzeptes“ wegen „deutlich gestiegener Emotionen sowie Radikalisierung bei Teilen der Projektgegner“ für den Einsatz im Schlossgarten verstand.
Beteiligte sprechen von Schlagstockeinsatz der Polizei
Bei der Räumung das Protestcamps wurde den BewohnerInnen offenbar entgegen der dritten Durchsage keine Zeit gelassen, geordnet und mit ihren Sachen die Zelte zu verlassen. Verschiedene Aussagen von Beteiligten lassen darauf schließen, dass die Polizei die Räumung des Parks mit teilweise groben Methoden (Schlagstöcke, Anrempeln usw.) vollzog.
Recht auf Versammlungsfreiheit abgesprochen
Das ist der vorläufige Höhepunkt einer seit Wochen anhaltenden Diskussion, in der den S21-GegnerInnen von verschiedenen Seiten ihr Recht auf Versammlungsfreiheit abgesprochen wurde. Gleichzeitig wurde eine Kriminalisierungsstrategie gefahren, die darauf abzielte, Misstrauen zwischen „friedlichen“ und vermeintlich „gewalttätigen“ Gegnern zu säen:
Protestcamp durchsucht und vier Personen festgenommen
Dass das Durchfahren von drei Streifenwagen durch eine Menge von mehreren hundert Teilnehmern einer Veranstaltung im Schlossgarten auf Empörung und Unverständnis stößt, wie am 29. Januar 2012 geschehen, ist vorhersehbar und eine Provokation. Am selben Tag, an dem ein Gespräch zwischen Parkschützern und Polizeiführung stattfinden sollte, wurde das Protestcamp durchsucht und vier Personen festgenommen.
Parkschützer-Büro durchsucht
Am 13. Februar 2012 hat die Polizei das Parkschützer-Büro durchsucht mit dem Verdacht auf Lagerung von Hilfsmitteln und/oder Anleitungen zum Bau von Molotowcocktails. Die beschlagnahmten Benzinkanister entpuppten sich als Treibstoff für das Notstromaggregat der Demosanitäter. In der oben genannten Pressemitteilung der Polizei heißt es: „Ernste Sorge bereitet die Sicherstellung eines funktionsfähigen Molotow-Cocktails im Zuge des Polizeieinsatzes am Südflügel am 13.1.2012.“ Über Ort und Zeitpunkt des Fundes hüllt sich die Polizei jedoch in Schweigen.
Von einem Molotow-Cocktail war nicht die Rede
Merkwürdig ist aber, dass in der Pressemitteilung der Polizei vom 13. Januar 2012 zwar die Beschlagnahme eines Pfeffersprays und eines Taschenmessers gemeldet wurde, von einem Molotow-Cocktail aber nicht die Rede war. Diese Polizeimethoden sind dazu geeignet, Panik und Unruhe unter der restlichen Bevölkerung hervorzurufen, indem Projektgegner als potenziell gefährlich dargestellt werden. Diese Polizeimethoden sind dazu geeignet den Boden zu bereiten für den polizeilichen Angriff auf die Versammlungsfreiheit und andere Grundrechte, wie die Meinungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Ungehorsam wird kriminalisiert
„Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut und polizeiliche Einmischung in politische Auseinandersetzungen hat da nichts verloren. Ungehorsam wird kriminalisiert, Sitzblockaden als Überschreitung rechtlichen Rahmens gesehen, wobei sie verfassungsrechtlich eine Versammlung nach § 8 GG darstellen.“
Forderung nach fortschrittlichem Versammlungsgesetz
Zur Forderung des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit nach einem fortschrittlichen Versammlungsgesetz führte Thomas Trüten aus:
„Einmal mehr wird deutlich, was von dem durch die Landesregierung angekündigten „bürgerfreundlichen Versammlungsgesetz“ zu erwarten ist. Ein das demokratische politische Engagement fördernde Versammlungsrecht muss offenbar gegen die Landesregierung durchgesetzt werden.“
Darüber hinaus hält das Bündnis an den konkreten Forderungen fest:
– Einstellung aller Verfahren gegen S21-GegnerInnen
– und Amnestie für die bereits Verurteilten!
– Für ein Versammlungsgesetz, das Protest nicht behindert!
Sitzblockaden, Streikposten und Spontandemonstrationen müssen gestattet werden
Als Bündnis stellen wir klare Forderungen an ein fortschrittliches Versammlungsgesetz: Sitzblockaden, Streikposten und Spontandemonstrationen müssen hierbei ohne Einschränkungen gestattet werden. Spürbarer Protest und kreative Aktionsformen müssen möglich bleiben. Ein neues Versammlungsgesetz muss behördlicher Willkür und polizeilichen Schikanen einen Riegel vorschieben. Wir rufen auf, aufmerksam auf die Wahrung des hohen Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit zu achten und sich dafür einzusetzen.
Praktischer Gradmesser für den Zustand eines demokratischen Staates
Die Gewährung der Versammlungsfreiheit ist ein praktischer Gradmesser für den Zustand eines demokratischen Staates. Eine Versammlungsrechts“freie“ Zone ist nicht zu akzeptieren. Als Teil einer Kampagne für ein fortschrittliches Versammlungsrecht führt das Stuttgarter Bündnis derzeit eine Unterschriftensammlung für die Einstellung aller Verfahren gegen S21-GegnerInnen durch.
Unterschriftenlisten gibt es auf der Homepage des Bündnisses zum Download.
http://www.versammlungsrecht.info/
http://www.versammlungsrecht.info/neu/files/bfv-kfv-unterschriftenliste.pdf
Nein zum neuen Versammlungsrecht in Baden Württemberg!