Friedensbewegung soll beim Ostermarsch behindert werden

Die Landesregierung macht die Demonstrationsfreiheit zum vorgezogenen Aprilscherz. OstermarschiererInnen lassen sich ihre Friedensdemo nicht verbieten. Die Friedensbewegung klagt gegen das Land Baden-Württemberg.

Pressemitteilung des Friedensnetzes Baden-Württemberg

„Wir werden um die Osterzeit wie jedes Jahr für den Frieden auf die Strasse gehen, ob es der Nato und dem Innenminister nun passt, oder nicht“, erklärte Dieter Lachenmayer, Sprecher des Friedensnetzes Baden-Württemberg am Wochenende nach einem Treffen der Friedensaktivisten. Die baden-württembergische Friedensbewegung hat den diesjährigen Ostermarsch um eine Woche vorgezogen um dem Gipfeltreffen der „nordatlantischen warlords“ der NATO, die Begegnung und den Protest der Friedensbewegung der Nato-Länder entgegenzusetzen. So soll der Ostermarsch am Samstag, 4. April 2009 vom Marktplatz Kehl über den Rhein direkt zur Internationalen Demonstration gegen die NATO in Strassbourg führen.

Vor allem die Europabrücke in Kehl will die Friedensbewegung nicht der NATO überlassen, die dort am Samstagmorgen einen symbolischen Handschlag der „Waffenbrüderschaft und Kriegskumpanei“, wie die Friedensbewegung das nennt, zelebrieren will. „Die Städte Kehl und Strasbourg und die Europabrücke sind durch viele Begegnungen der Friedens- und der sozialen
Bewegungen dort längst zu einem Symbol der Völkerverständigung und Solidarität der Menschen beiderseits des Rheins geworden. Die NATO hat dort für ihre Kriegs- und Bedrohungspolitik gar nichts abzuschöpfen, erklärte Lachenmayer. Wenn es allerdings nach Innenminister Rech und den ihm unterstellten Behörden geht, dann hat die Friedensbewegung in Kehl nichts verloren.
Per „Verfügung“ der extra für den NATO-Gipfel geschaffenen „Zentralen Versammlungsbehörde“, will er den Ostermarsch vom Kehler Markplatz und der Kehler Innenstadt einfach auf die unbewohnte Durchgangsstraße verbannen.

„Demonstrationsfreiheit? — April, April, kann ich dazu angesichts dieser Verfügung nur sagen. Die Behörden machen sich darin offen über das Grundgesetz lustig.“ kommentiert die Friedensbewegung die Verbote und Auflagen, die ihr verordnet werden sollen. Im Grundgesetz heißt es wörtlich „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Die baden-württembergischen Behörden machen aus diesem Grundrecht einen Ausnahmefall, in dem die üblichen Gesetze nicht mehr gelten und die
Demonstranten zum Objekt außergesetzlicher polizeilicher Überwachung und Schikanen werden.

Dabei schöpft der Innenminister nahezu alle Maßnahmen aus, die der Entwurf des neuen baden-württembergischen Versammlungsgesetzes zur Behinderung von Demonstrationen vorsieht. Der Schönheitsfehler ist nur, dass dieses Gesetz gar nicht in Kraft ist, weil das Bundesverfassungsgericht dessen Vorbild, das bayrische Gesetz, vor kurzem mit Pauken und Trompeten abblitzen lassen hatte. Die Bestimmungen des bislang gescheiterten neuen Versammlungsgesetzes hatte Innenminister Rech immer wieder damit begründet, dass sie notwendig seien, um Naziaufmärsche in Schranken zu halten.
Jetzt wendet er sie, ohne rot zu werden, noch bevor sie überhaupt in Kraft sind, als erstes gegen den Ostermarsch der Friedensbewegung an. „Damit hat Rech endlich aus dem Sack gelassen, was dieses Versammlungsgesetz eigentlich soll. Es soll nicht aggressive rassistische und faschistische Umzüge eindämmen, sondern die zur Demokratie unabdingbar gehörenden Meinungsäußerungen und Demonstrationen der demokratischen und sozialen Bewegungen wie der Friedensbewegung unmöglich machen.“

Im einzelnen sieht der vorliegende Demobescheid z.B. vor:
– ein faktisches Demonstrationsverbot für die bewohnten Gebiete Kehls.
– 50 Versammlungsteilnehmer sollen sich vorab mit Name und Adresse
registrieren lassen und pünktlich um 10.30 Uhr dem Einsatzleiter zur
Musterung vorgestellt werden – ein eindeutig rechtswidriger Vorgriff auf
das geplante Versammlungsgesetz. Obendrein ist der Verkehr nach Kehl bis
10.30 blockiert, so dass dort sowieso niemand erscheinen kann.
– der Versammlungsleiter der Friedensbewegung „hat die Teilnehmer
(nämlich die Friedensbewegung) auf einen friedlichen Verlauf der
Versammlung hinzuweisen“, was immer das bedeuten mag, es ist die Welt
auf den Kopf bzw. auf eine Polizeimütze gestellt.
– die Demonstranten haben einen Mindestabstand von 1.50 m von den
eingesetzten Polizisten zu wahren.
– Transparente dürfen (ohne jede Begründung) nicht länger als 3 Meter
sein, – üblich und vorhanden sind Transparente mit 6 m Länge. Sie dürfen
auch nicht parallel zur Demorichtung getragen werden — wohl weil sie
dann auch von Passanten gesehen werden könnten.
– geschminkte Gesichter wie bei jedem Fußballspiel üblich, sind verboten.
– Demonstranten dürfen weder ihren Hund mitbringen, noch Spritzpistolen
noch Alkohol trinken.
– Sie dürfen nicht „laufen oder sprinten“ und auch nicht die Demo verlassen.
– Sie dürfen keine Kapuzenpullover und Halstücher tragen, weder vorher
noch nachher.

„Wieviel Angst haben die Behörden und die NATO eigentlich vor der offenen und bunten Friedensbewegung, die seit etwa 50 Jahren an Ostern mitsamt Kinderwagen und Luftballons und ohne dass dabei je jemand zu Schaden gekommen wäre, für den Frieden demonstriert?“, fragt Lachenmayer. „Entgegen jeder Erfahrung machen sie in eindeutig politischer Absicht aus dem Ostermarsch eine Art staatsbedrohender Verbrecherumzug.“ „Es darf sich zwar jeder lächerlich machen, so gut er kann, aber wir lassen uns dadurch unsere demokratischen Rechte nicht beschneiden.“ Am Freitag hat die Friedensbewegung deshalb wegen dieses Bescheids Klage gegen das Land Baden-Württemberg eingereicht, die derzeit beim Verwaltungsgericht Freiburg verhandelt wird. „Wir sind zuversichtlich über den Ausgang“, erklärt Lachenmayer, „und wie immer der auch ist: Die Friedensbewegung wird am Samstag in Kehl und Strassbourg und auf der
Europabrücke lautstark und bunt für den Frieden und die Versammlungsfreiheit eintreten.“

Kontakt:
Friedensnetz Baden Württemberg
Spreuergasse 45
70372 Stuttgart

Telefon 0711 6368240, Fax 0711 600718; E-Mail: buero@friedensnetz.de

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