„Den Nazis wurde der Weg von der Polizei regelrecht frei geprügelt“ – NPD-Deutschlandtour machte Halt in Stuttgart

Zur „Deutschlandtour der NPD“ und zum Polizeikessel gegen AntifaschistInnen am 30. Juli 2012 in Stuttgart gibt das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit unten stehende Erklärung ab.

Von Markus Spreitzer, Sprecher des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit

Mehrere Hundertschaften, Reiterstaffel und Greiftrupps (BFE-Einheiten) waren im Einsatz

Am 30. Juli 2012 versuchte die NPD im Rahmen ihrer selbst so genannten „Deutschlandtour“ eine Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt abzuhalten. Zahlreiche Antifaschisten protestierten dagegen und versuchten mit Sitzblockaden die Kundgebung zu verhindern. Den Nazis wurde der Weg von der Polizei regelrecht frei geprügelt: Mehrere Hundertschaften, Reiterstaffel und Greiftrupps (BFE-Einheiten) waren im Einsatz.

Gegendemonstranten stundenlang bei praller Sonne im Polizeikessel ohne Wasser und Nahrung festgehalten

Die Gegendemonstranten wurden ohne Vorankündigung eingekesselt, stundenlang bei praller Sonne im Polizeikessel ohne Wasser und Nahrung festgehalten und dann zum Teil mit auf dem Rücken gefesselten Händen zur Wasenwache nach Cannstatt gefahren. Der Ermittlungsausschuss der Antifaschisten meldete 75 Festnahmen.

Kesselung der Demonstranten und ihre anschließende Festnahme sind rechtswidrig

Thomas Trüten, Sprecher des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit: „Die Kesselung der Demonstranten und ihre anschließende Festnahme sind rechtswidrig und ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht. Gegen diese illegale Praxis der Stuttgarter Polizei sind Feststellungsklagen von S21-Gegnern, die auch von dieser Praxis betroffen sind, beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängig. Diese Verfahren werden aber seit über einem Jahr nicht entschieden. Der jüngste Vorfall zeigt aber, wie dringend notwendig das ist.“

Eine Meinungsäußerung zum Euro ist zulässig

Empört zeigte sich Thomas Trüten über das Verhalten des Ordnungsamts: „Offenbar gab es bei der Stadt keine Überlegungen, die NPD-Aktion zu verbieten. Scheithauer, ein Mitarbeiter des Ordnungsamts erklärte vielmehr: „Eine Meinungsäußerung zum Euro ist zulässig – das soll und kann man nicht unterdrücken.“

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen

Wer angesichts der Verstrickung führender NPD-Funktionäre in die NSU-Morde die Demagogie der Neonazis für eine „Meinungsäußerung“ hält, verhält sich nach Ansicht des Bündnisses für Versammlungsfreiheit zumindest „geschichtslos“. Für das Bündnis für Versammlungsfreiheit ist Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Deshalb sind wir prinzipiell für ein Verbot faschistischer Propaganda und daher auch gegen die Genehmigung von Naziaufmärschen.

Einkesselung gab es auch schon in Heilbronn

Der Vorfall in Stuttgart ist kein Einzelfall: In Heilbronn wurden am 1. Mai 2011 ebenfalls hunderte Demonstranten, die gegen einen Naziaufmarsch protestieren wollten, stundenlang eingekesselt.

Schluss mit einer Polizeipraxis, die demokratische und antifaschistische Proteste mit Repressionen überzieht

Nachdem in der Vergangenheit mehrfach die Unzulässigkeit dieser Polizeipraxis gerichtlich festgestellt wurde, fordern wir die Landesregierung auf, endlich ihr Versprechen eines „bürgerfreundlichen Versammlungsrechts“ einzulösen. Für uns gehört zu einem fortschrittlichen Versammlungsrecht dazu, dass endlich Schluss sein muss mit einer Polizeipraxis, die demokratische und antifaschistische Proteste mit Repressionen überzieht, während Naziaufmärsche gegebenenfalls durchgeprügelt werden.

bei Bußgeldbescheiden, Vorladungen oder ähnlichem an die örtlichen Rechtshilfegruppen wenden

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit erklärt sich solidarisch mit allen, die von dem Polizeikessel betroffen waren und fordert die Einstellung sämtlicher Verfahren gegen die antifaschistischen Gegendemonstranten. Vorsorglich empfiehlt das Bündnis, sich bei Bußgeldbescheiden, Vorladungen oder ähnlichem an die örtlichen Rechtshilfevereinigungen und -gruppen zu wenden.

Weitere Informationen und Kontakt:

http://www.versammlungsrecht.info

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