Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrims Renommierprojekt auf dem Schwäbisch Haller Knastgelände bekommt offenbar immer mehr Risse. Und damit sind nicht nur die Risse in den Häusern oberhalb des Baugeländes gemeint. Das ganze Projekt wird mit jedem neuen Zwischenfall immer fragwürdiger.
Aktueller Bericht aus der Zeitschrift Alpha Press, Schwäbisch Hall
Gefährliche Risse an Häusern in der Gelbinger Gasse
Spätestens seit dem 8. März 2009 hat das Haller Kocherquartier auch überregionale Aufmerksamkeit auf sich gezogen – allerdings nicht in dem Sinne, wie es sich die Betreiber wünschen. In einer Nachrichtensendung des Südwestrundfunks (SWR) gab es keine Lobhudelei über die kühnen Zukunftspläne eines dynamischen Oberbürgermeisters und die tolle Architektur eines attraktiven zukünftigen Konsumtempels zu hören. Nein, Thema des Berichtes waren die Risse in den Häusern in der Gelbinger Gasse oberhalb der Baugrube des Kocherquartiers. Auslöser des Berichtes war offenbar das Unglück von Köln. So lautete die Themenstellung: Kann so etwas wie in Köln auch rund um eine der Großbaustellen im Ländle passieren. Der SWR-Bericht zeigte, dass diese Sorge zumindest die Anwohner in der Gelbinger Gasse umtreibt. Dass so geartete Sorgen weder von den Betreibern des geplanten Einkaufszentrums, noch von der Haller Stadtverwaltung aufgegriffen werden, verwundert nicht. Nichtsdestotrotz existieren sie offenbar. „Es würde mich nicht wundern, wenn ich früh ins Geschäft komme und die Hälfte der Gasse fehlt“, wird eine Anwohnerin zitiert. In ihrem Haus haben die im Rahmen der Bautätigkeit entstehenden Erschütterungen sichtbare Spuren hinterlassen. Eine Ladenbesitzerin berichtet, dass in ihrem Geschäft am Boden die Platten reißen und dass die Türen sich verziehen. Das alles war offenbar weder für die Verwaltung, noch für den Gemeinderat ein Thema. Die Betreiber des Einkaufszentrums sehen dagegen keinen Anlass zur Sorge. Im Bericht des SWR unterläuft Johannes van Bergen, dem Chef der Stadtwerke, allerdings ein kleiner Lapsus: „Die Vorsichtsmaßnahmen hier sind sehr ausreichend. So etwas wie in Köln kann hier nicht geschehen.“ Und so van Berger weiter: „Ich gehe davon aus, dass in der Zukunft an dieser Baustelle nichts weiteres Gravierendes auftritt.“
Ausgerechnet der US-amerikanische Beinahe-Pleitekonzern AIG ist Versicherer des Kocherquartiers
Wer’s glaubt wird selig, ist mensch geneigt zu sagen, angesichts der zahlreichen Vorfälle in der Vergangenheit, die eigentlich nie hätten passieren dürfen. Seit dem 5. März treibt zumindest die Anwohner in der Gelbinger Gasse – und vermutlich nicht nur sie – eine weitere Sorge um: An diesem Tage konnten sie nämlich im „Haller Tagblatt“ nachlesen, dass der krisengeschüttelte amerikanische Versicherungsriese AIG der Versicherer des Kocherquartiers ist. Zwar sagt auch hier wieder Stadtwerke-Chef Johannes van Bergen „Kein Grund zur Sorge“. Aber die eine oder andere Frage drängt sich schon auf. In unserer letzten Ausgabe berichteten wir, dass die Allianz Versicherung wegen des nicht zuverlässig einschätzbaren Risikos nicht bereit war, das Bauvorhaben zu versichern, so dass auf den letzten Drücker noch flugs ein anderer Versicherer gefunden werden musste. Sollte es wirklich kein Grund zur Sorge sein, wenn der rettende Engel ausgerechnet die AIG ist, die sich dank ihres riskanten Geschäftsgebarens selbst an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds manövriert hat? Wissen wir nicht von den Crossborder Leasing-Geschäften, dass es für Städte teuer werden kann, wenn sie aus der Zusammenarbeit mit der AIG herauskommen wollten.
Es ist überfällig, dass der Haller Gemeinderat sich endlich von der Verwaltung die Verträge mit der AIG vorlegen lässt und/oder sie von unabhängigen Experten auf mögliche juristische Untiefen und deren potentielle finanzielle Folgen hin überprüfen lässt. Hier sich auf die bloße Zusage eines der Betreibers zu verlassen, dass alles in Butter sei, wäre mehr als naiv. Die BürgerInnen dieser Stadt haben ein Recht darauf, dass die Geheimniskrämerei seitens der Stadtverwaltung und der Betreiber endlich aufhört.
Blechwüsten bereichern das Stadtbild
In einer anderen kniffligen Frage scheint die Haller Stadtverwaltung eine Entscheidung getroffen zu haben: Es geht darum, wie das dritte der Geschosse der Tiefgarage am Kocherquartier ersetzt werden kann. Hier glänzte der OB zunächst mit haarsträubenden Schnapsideen: Er hatte zunächst dafür plädiert, die Tiefgarage auf dem Gelände des ZOB oder auf der anderen Kocherseite auf der Weilerwiese zu graben. Dabei braucht es eigentlich keinen besonderen Sachverstand, um feststellen zu können, dass das Unsinn ist. Denn wieso sollte in diesen beiden Arealen, die ja bekanntlich noch näher am Kocher liegen als die Großbaustelle das Grundwasserproblem nicht bestehen? Aber in einem (offenbar bei ihm nicht seltenen) Anflug von Allmachtphantasien war der OB offenbar der Meinung, dass sein Wille Berge versetzen und sogar Grundwasser vertreiben kann.
Nun soll offenbar der ZOB zum Parkplatz werden – eine Idee, gegen die selbst der Reporter des „Haller Tagblatt“ schüchterne Einwände erhebt: „Doch sicher scheint: schön wird das nicht. Wie bereits mit dem Haalplatz wird eine zentrale Fläche in der Innenstadt für Autos reserviert.“ Aber vielleicht findet ja OB Pelgrim einen Dreh, wie er solch ausgedehnte Blechwüsten als Ausdruck von Haller Modernität und Urbanität vermarktet werden können.
Ist die 100-Millionen-Euro-Grenze für das Kocherquartier bald erreicht?
Dem Artikel des „Haller Tagblatt“ vom 20. Februar 2009 ist zu entnehmen, dass die Umgestaltungsmaßnahmen für Parkplatzgewinnung zusätzlich rund 4,5 Millionen Euro kosten. Dabei seien gestalterische Maßnahmen (Begrünung, Beleuchtung, Überdachung, Ersatz für den Kiosk) noch nicht einkalkuliert. Nicht beantwortet ist allerdings die Frage, wie hoch mittlerweile die Gesamtkosten für das Projekt Kocherquartier sind. Denn die bisherigen Maßnahmen, die in Folge des Wassereinbruchs erforderlich waren, die Stützungsmaßnahmen für die Häuser der Gelbinger Gasse, zusätzliche Gutachtertätigkeit und dergleichen mehr, bekamen die Betreiber bestimmt nicht geschenkt. Bewegen wir uns inzwischen schon auf die 100-Millionen-Euro-Grenze zu? Das sind Fragen, die für die Menschen in der Stadt nicht unerheblich sind und es ist an der Zeit, dass hier Transparenz geschaffen wird.
Bleiben die Ankermieter?
Die Frage der Parkplätze und die der Ankermieter hängen bekanntlich eng zusammen. Insofern ist es nicht ganz belanglos, wie die Verträge mit den Mietern im künftigen Einkaufszentrum aussehen. Gibt es für sie eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass unter dem Einkaufszentrum weniger Parkplätze zur Verfügung stehen? Auch wenn man die Behauptung, dass REWE bleibt, als wahr unterstellt – wie sieht es bei den anderen Ankermietern aus? Schließlich könnte es gut sein, dass diese angesichts der mittlerweile dramatisch veränderten wirtschaftlichen Großwetterlage (Stichwort Wirtschaftskrise) ihre ursprünglichen Kalkulationen noch einmal überdenken und entsprechende Passagen im Mietvertrag zum Ausstieg nutzen. Können sie jetzt aus dem Vertrag aussteigen?
Bürger müssen ihre Anliegen selbst offensiv vertreten – Stadträte sind vielfach zu leichtgläubig
Entsprechend den Zusicherungen von OB, GWG und Stadtwerken hätte die Serie von Pannen eigentlich nie passieren können. Auf kritische Nachfragen gab es entweder gar keine Antwort oder ein schneidiges „Alles klar!“. Kennzeichnend für die Informationspolitik des OB war, dass ständig einer auf Optimismus gemacht und ansonsten gemauert wurde. Bei jeder Panne wurde nur das an Informationen herausgerückt, was ohnehin schon offenkundig war. Es ist ein Skandal, dass die überwiegende Mehrzahl der Mitglieder des Gemeinderats sich vom OB so an den Nasenringen vorführen ließ. Die Folgen solcher Leichtgläubigkeit und Nachlässigkeit wurden in den letzten Wochen und Monaten offenkundig. Anstatt sich weiter von der Stadtverwaltung dumm halten zu lassen, sollten die Bürger ihre Angelegenheiten endlich selbst in die Hand nehmen. Gemeinderäte, die als Nickonalräte alles abnicken, kann man getrost vergessen.