Die grün-rote Landesregierung tut alles, damit Baden-Württemberg auch weiterhin das Musterländle für die Renditeritter in Industrie- und Finanzwelt bleibt.
Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall
Landesregierung bricht eigene Wahlversprechen
Um sich bei den wirtschaftlichen Eliten als Musterknabe in Sachen Schuldenbremse anzudienen, greift sie Gemeinden und Landesbediensteten in die Taschen und bricht die eigenen Wahlversprechungen bei der Schulpolitik.
Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Gemeinden
Da sind zunächst einmal die Städte und Gemeinden. Bei ihnen hatte Finanzminister Nils Schmid (SPD) über den kommunalen Finanzausgleich mehr als 400 Millionen Euro rausschlagen wollen. Nach Abschluss der Verhandlungen muss er sich jetzt mit etwas weniger bescheiden. Die Kommunen speisen den Landeshaushalt in den Jahren 2013 und 2014 mit jeweils 340 Millionen Euro. In den zwei Jahren darauf sinkt der Betrag dann auf jeweils 315 Millionen Euro (siehe Stuttgarter Zeitung vom 11. September 2012).
Sparen auf dem Rücken sozial schwacher Frauen
Bei den Verhandlungen am 18. September „entdeckte“ die Landesregierung noch einen weiteren Streichungsposten: das Landeserziehungsgeld. Im Koalitionsvertrag hat es noch geheißen: «Mit einem reformierten Landeserziehungsgeld wollen wir ärmere Familien mit Kindern bis zu einem Alter von 13 Monaten besonders unterstützen.» Das ist jetzt Schnee von gestern. Von der Kürzung verspricht man sich eine Einsparung von zwei Millionen Euro für 2013 und 28,5 Millionen für 2014.
Sparen auf dem Rücken der Beschäftigten
Wie kaum anders zu erwarten, wollen sich Schmid und Kretschmann bestehende Vorurteile gegenüber den Landesbeamten zunutze machen. Sparen bei den Beamten kommt immer gut an, egal wie unsinnig die Begründung ist. Das Sparpaket, das der Finanzminister den Landesbeamten schnüren will, umfasst für das kommende Jahr 20 Millionen Euro. 2014 sollen es 40 Millionen sein, bis 2020 könnten es einige Hundert Millionen Euro werden. Die Eingangsbesoldung der Landesbeamten des gehobenen und höheren Dienstes soll zu diesem Zweck drei Jahre lang um jeweils 4 Prozent … werden. Zudem ist in den Etatplanungen für die Landesbeamten lediglich eine Erhöhung um 1,5 Prozent vorgesehen. Sollte Verdi bei den Tarifkräften höhere Lohnerhöhungen durchsetzen, so will das die Landesregierung nicht an die Beamten weiter geben. So die Botschaft. Der DGB Baden-Württemberg in Person seines Landesvorsitzenden Nikolaus Landgraf hat erklärt: “Wir akzeptieren weder die Absenkung der Eingangsbesoldung noch eine Verschiebung künftiger Tariferhöhungen.“ Der Chef des Beamtenbundes, Stich, lässt erkennen, dass er für eine Verschiebung künftiger Tariferhöhungen zu haben wäre.
Sparen bei den Schulen
Neben Strukturveränderungen in verschiedenen Landesbehörden wollen Kretschmann und Schmid ihr Sparziel durch Kürzungen bei den Lehrerstellen erreichen: Vom Abbau von 11600 Lehrerstellen bis 2020 ist die Rede. 2013 will Grün-Rot in einem ersten Schritt 1000 Lehrerstellen nicht wiederbesetzen. 2014 ist ein Wegfall von weiteren 1200 Stellen vorgesehen. Auch für die aktuell tätigen LehrerInnen plant die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leithäuser (GWL) Verschlechterungen. GWL will Verschlechterungen bei den Anrechnungsstunden. Das sind Stundenreduzierungen, die den KollegInnen gewährt werden, wenn sie bestimmte Organisationsaufgaben in der Schule wie Verwaltung der Schulbücherei oder Betreuung der Computer übernehmen. Zudem will die Kultusministerin den LehrerInnen die Altersermäßigung (ab 58 Jahren eine Unterrichtsstunde weniger, ab 60 Jahre zwei Unterrichtsstunden weniger) wieder wegnehmen. Was das für die betroffenen KollegInnen bedeutet, interessiert ihre oberste Dienstherrin nicht. Für sie zählt nur, wie viel Geld sie damit einsparen kann. Kultusministerin Gabriele Warminski-Leithäuser bezeichnete das Einsparpotential durch den Wegfall der Lehrerstellen für den Doppelhaushalt 2013/2014 auf insgesamt 23 Millionen Euro.
Wo bleibt die „bessere Bildung für Alle“?
Im Unterschied zu den Einsparungen bei Gemeinden und den Landesbeamten sind die geplanten Einsparungen bei den Schulen unpopulär. Laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen fordern 78 Prozent der Bürger in Baden-Württemberg Zusatzausgaben für den Bildungsbereich. Sparpotentiale bei den Schulen sehen nur zwei Prozent. Die Sparpläne im Schulbereich sind für die Landesregierung zudem pikant, weil sie in ihrem Wahlkampf „Bessere Bildung für Alle“ versprochen hatte. Die LehrerInnengewerkschaft GEW äußerte sich empört über die Rückwärtsrolle der Landesregierung. Die GEW-Vorsitzende Doro Moritz spricht von einem Wortbruch der Landesregierung: „Seit heute sind die 18 Seiten im Koalitionsvertrag zum Thema Bildungspolitik nicht mehr das Papier wert, auf das sie gedruckt wurden. Die Landesregierung hatte bessere Bildung für alle versprochen und wird es mit der geplanten Streichung nicht einmal schaffen, den Status Quo der schlechten Bildungspolitik von CDU und FDP zu halten.“ Und weiter „Es gibt in der ganzen Legislaturperiode bis 2016 keine Gründe, auch nur eine einzige Lehrerstelle zu streichen. Wenn wir weiterhin wohnortnahe Grundschulen und kleinere Klassen, echte Ganztagsschulen und bessere Unterrichtsversorgung, den Lehrermangel verhindern und Inklusion realisieren wollen, brauchen wir alle frei werdenden Lehrerstellen in den Schulen.“
Primat der Schuldenbremse?
Grün-Rot begründet ihr Streichkonzert damit, dass man die Anforderungen der Schuldenbremse erfüllen wolle. Die Schuldenbremse gebietet spätestens 2020 einen ausgeglichenen Haushalt. Auf 2,5 Milliarden Euro hat Grün-Rot die dauerhafte Deckungslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben beziffert. Diese sei bis 2020 auf null herunterzufahren. Der Doppeletat 2013/2014 der grün-roten Landesregierung versteht sich als Schritt hin zu diesem Ziel und sieht ein Sparpaket von insgesamt 800 Millionen Euro vor. Nach den bisherigen Plänen will die Regierung im kommenden Jahr insgesamt 550 Millionen Euro kürzen und 2014 weitere 250 Millionen Euro.
Nils Schmid will beim Thema Schuldenbremse den Musterschüler spielen
Finanzminister Schmid (SPD) präsentiert sich ausdrücklich als Fan der Schuldenbremse. Er ist stolz darauf, dass die SPD maßgeblich an der Einführung der Schuldenbremse beteiligt war und will, dass Baden-Württemberg beim Thema Schuldenbremse den Musterschüler spielt. Da ist er sich ganz mit seinem Ministerpräsidenten einig. Wilfried Kretschmann (Grüne) erklärte im Juli 2012, die Schuldenbremse solle so rasch wie möglich in der Landesverfassung verankert werden.
UmFAIRteilen!
Die Schuldenbremse ist aber nichts weiter als ein Etikettenschwindel. Der Griff in die Taschen von sozial Schwachen und Normalverdienern und die Gefälligkeitspolitik gegenüber der kleinen Minderheit mit Kapitaleigner und Vermögensbesitzer soll als „Sachzwang“ kaschiert werden. Ginge es der Regierung wirklich um Schließung der Haushaltslücke, so gibt es einen einfachen Weg, den im Übrigen die Gewerkschaft Verdi bereits 2009 dargelegt hat: Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer mit einem Steuersatz von einem Prozent und einem Freibetrag von 500.000 Euro für eine vierköpfige Familie würde dem Land Baden-Württemberg Steuermehreinnahmen in Höhe von 2, 7 Milliarden Euro jährlich einbringen. Das allein wäre schon mehr als jenes „strukturelle Defizit“ in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, mit dem Ministerpräsident Kretschmann und Finanzminister Nils Schmid beklagen.
Ernüchterung und Resignation macht sich bei mir angesichts dieser politischen Entscheidungen breit.
Das Bildung das höchste Gut ist erkannte vor langer Zeit ein schwedischer Monarch und wehrte sich (trotz Staatspleite) an der Bildung zu sparen. Würde der Bildungsbereich gut funktionieren und Kindern und Jugendlichen gleiche Entwicklungschancen bieten unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern, so könnte man darüber nachdenken nicht mehr sondern gleichviel auszugeben. Man bekommt den Eindruck dass hier an der falschen Stelle gespart wird.
Man muss bei aller Haushaltskonsolidierung nicht nur auf die Ausgaben sondern auch auf die Einnahmen schauen.
Gerade in einem Bundesland das nicht nur sehr reich ist, sondern auch über konkurrenzfähige gut aufgestellte Betriebe und Industrie verfügt, gäbe es Wege die Einnahmen sanft zu erhöhen. (Ich denke hier konkret an Daimler die in den 80er oder 90er Jahren bspw. nur den IHKBeitrag eines kleinen Mittelständischen Unternehmens zahlten, jedoch wie jeder weiß schon „Global Player“ waren)
Angesichts solcher Entscheidungen die, und das ist eigentlich das fatale, keinen Unterschied zwischen den Parteien erkennen lassen stellt sich natürlich die Frage was möchte ich als Wähler?
Wenn ich neoliberale Kürzungspolitik bekommen möchte wähle ich gleich die FDP (oder wahlweise die CDU). Wenn ich mich für eine (vermeindlich) sozialere Alternative entscheide, aber neoliberale Kürzungspolitik ala FDP bekomme warum soll dann wählen gehen?
Grüne und SPD zeigen deutlich wer sie sind bzw. für wen sie stehen wenn sie Regierungsverantwortung haben. Sicherlich trägt auch ein Heer von Lobbyisten und Einflüsterern zu diesem Umstand bei. Leider verfüge ich nicht über die notwendigen finanziellen Mittel selbst ein Beraterbüro zu unterhalten, stellt sich die Frage was tun?