„Ohne gesetzliche Grundlage darf bei Demostrationen nicht gefilmt werden“ – Kritik des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit hat das Innen- und Justizministerium Stuttgart um eine Stellungnahme zur anlasslosen Videoüberwachung bei Demonstrationen gebeten.

Von Thomas Trüten, Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit

Akute Gefahrensituationen, Beweissicherung von Straftaten, Gefährdungen der öffentlichen Ordnung

Die erste Stellungnahme von Innenminister Gall beziehungsweise dessen Stellvertreter, Landespolizeipräsident Professor Dr. Hammann ging überhaupt nicht darauf ein, dass laut einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23.11.2010 (Aktenzeichen 5 A 2288/09) nicht ohne gesetzliche Grundlage gefilmt werden darf. Diese existiert nur in akuten Gefahrensituationen beziehungsweise zur Beweissicherung von Straftaten oder anderer akuten Gefährdungen der öffentlichen Ordnung. In anderen Fällen darf nicht gefilmt werden. Auch wenn nur der Anschein der Videoüberwachung entsteht, schränkt dies die „innere Versammlungsfreiheit“ ein und ist daher unzulässig.

„Beweissicherungsbeamte überprüfen gelegentlich die Funktionsfähigkeit ihrer Videotechnik“

Auf erneutes Nachfragen durch das Versammlungsrechtsbündnis wird vom Innenministerium wieder nicht auf diesen Sachverhalt eingegangen und lapidar darauf verwiesen, dass die „…Beweissicherungsbeamten gelegentlich die Funktionsfähigkeit ihrer Videotechnik überprüfen (…). Dies bedeutet aber nicht, dass zeitgleich eine Aufzeichnung erfolgt“. Mit einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema durch das Innenministerium ist offensichtlich nicht zu rechnen, wenn derart hanebüchene Ausreden herhalten müssen, um berechtigte Fragen nach der Rechtsstaatlichkeit des Einsatzes von Videoüberwachung bei Demonstrationen abzuwiegeln.

Flächendeckender Rechtsbruch 

Wir hatten unserem zweiten Schreiben eine ausführliche Dokumentation von 19 Fällen anlassloser Video- und Fotoüberwachung aus den Jahren 2011/12 durch die Polizei bei Demonstrationen in neun Städten und Gemeinden Baden-Württembergs beigefügt. Das Innenministerium geht in seinem Antwortschreiben darauf mit keinem Wort ein. Unseres Erachtens lässt das nur den Schluss zu, dass dieser flächendeckende Rechtsbruch im Einverständnis oder sogar auf Veranlassung des Innenministeriums geschieht. Ein Weiterführen des Schriftwechsels mit dem Innenministerium scheint aufgrund der bisherigen Korrespondenz (1) nicht sinnvoll.

Uli Sckerl will aktiv werden

Uli Sckerl, parlamentarischer Geschäftsführer und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, hat am 5. Dezember 2012 im Stuttgarter Rathaus bei der Veranstaltung „Der schwarze Donnerstag – was noch aufzuarbeiten ist“ angekündigt, wegen der Dauervideoaufzeichnungen, die bei Protesten gegen S21 und Naziaufmärschen zu einer regelrechten Unsitte geworden sind, aktiv zu werden. (2) Uli Sckerl unterstützt damit eine Forderung, die unser Bündnis seit Jahren erhebt. Wir begrüßen daher diese Initiative, geltendes Recht endlich zur Anwendung zu bringen. Wir prüfen darüber hinaus weitere Mittel, um gegen diesen fortwährenden Rechtsbruch vorzugehen.

Weitere Informationen und Kontakt:

(1) http://www.versammlungsrecht.info/neu/files/versammlungsrecht_innenministerium.pdf

(2) http://embed.bambuser.com/broadcast/3203595

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