„Gesundheiltliche Leistungen für alle – ohne Zuzahlung“ – Kommentar von Jochen Dürr aus Schwäbisch Hall

Das neue Jahr fängt ja richtig gut an. Wer seit 2. Januar 2013 zum Arzt geht, zum Beispiel wegen einer Grippe, einer Erkältung oder Ohrenschmerzen, muss jetzt keine Praxisgebühr mehr zahlen.

Kommentar von Jochen Dürr aus Schwäbisch Hall, Bundessprecher der AG betrieb & gewerkschaft in der Partei DIE LINKE

2004 wurde die Praxisgebühr von der rot-grünen Regierung eingeführt

Der Bundestag hat dies in 2012 in namentlicher Abstimmung auch so beschlossen. Einstimmig! 2004 wurde die Praxisgebühr von der rot-grünen Regierung eingeführt. Sie war das Resultat eines Geschachers zwischen der damaligen SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmid und Horst Seehofer. Nur die beiden PDS-Abgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch stellten sich damals dagegen. Die rot-grüne Regierungskoalition wollte für jeden Facharztbesuch ohne Überweisung 15 Euro kassieren. Die Union hätte damals am liebsten für jeden Arztkontakt eine Gebühr erhoben … aha! Die FDP wollte gar eine prozentuale Selbstbeteiligung der Patienten. Die PDS legte 2006 einen Gesetzentwurf vor mit dem Ziel der völligen Abschaffung der Praxisgebühr. Alle anderen Fraktionen waren damals dagegen. 2009 stellte die Partei DIE LINKE wiederum einen Antrag in derselben Intension. Immerhin enthielten sich die Bundestagsabgeordneten von Bündnis90-Die Grünen. Alle anderen, sprich die CDU-CSU-FDP-SPD wollten die Praxisgebühr erhalten. Im ersten Halbjahr 2012 versuchte die Partei DIE LINKE wiederum die Praxisgebühr zu kippen. Der Fortschritt wurde größer: Die Grünen stimmten mit den Linken. Die Union, FDP und SPD waren weiterhin dagegen.

Folgeerkrankungen verursachen nur Zusatzkosten, statt real Kosten zu senken

Aus meiner Sicht ist mit der jetzigen Abschaffung der Praxisgebühr einer der hartnäckigsten Irrtümer der Gesundheitspolitik ein stückweit korrigiert … mehr nicht! Neoliberale PolitikerInnen aus Union, FDP und SPD meinen, dass Menschen zu viele Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, wenn sie nichts kosten. Längst nachgewiesen ist, dass Zuzahlungen die Nutzungsrate von sehr wirksamen und wichtigen Medikamenten ebenso stark senken wie von Mitteln für Akne oder Erkältungen. Mit einer sogenannten Kostendämpfung nach dem Motto ‚Die Leute nehmen zu viel Gesundheitsleistungen in Anspruch, wenn sie nichts kosten, also machen wir sie teurer‘, scheren die PolitikerInnen alles über einen Kamm und können durch Folgeerkrankungen nur Zusatzkosten verursachen, statt real Kosten zu senken. Ich werde weiterhin dafür eintreten, dass alle Zuzahlungen egal bei welchem Arzt/welcher Ärztin abgeschafft werden. Gesundheitliche Leistungen dürfen nicht vom Geldbeutel abhängig gemacht werden. Ich möchte eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. In Anbetracht der anstehenden Wahlen machte die Promillepartei FDP, der das Wasser nun schon bis zur Oberlippe steht, als erste eine Kehrtwende. In der Abstimmung im Bundestag traute sich niemand mehr, sich gegen die Abschaffung der Praxisgebühr zu stellen.

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