Die Bahn hatte sich vorgenommen, endlich mal positive Schlagzeilen zu produzieren und sich selbst in bestem Licht zu präsentieren. Als Anlass dafür hatte man sich eine Ehrung für zwei Mitarbeiter der Fahrkartenverkaufsstelle in Hessental ausgedacht.
Von Paul Michel, Schwäbisch Hall
Pleiten, Pannen und Skandale
Die waren nämlich in einem bahninternen Wettbewerb der Kategorie 5 der Verkaufsstellen auf dem ersten Platz gelandet, weil sie die meisten Bahncards und Reisen aus dem Angebotskatalog der Bahn verkauft hatten. Von Seiten des Pressesprechers der Bahn hieß es, die beiden Kollegen vom Schalter hätten „mit gutem Service und hoher Kundenorientierung überzeugt.“ Dass man für die Feier dieses Anlasses die Presse herbeibestellt hatte, dürfte allerdings weniger mit der Wertschätzung für die beiden Kollegen zu tun haben. Wahrscheinlicher ist, dass ein bisschen vom Lob für die Kollegen in der öffentlichen Wahrnehmung auf das Unternehmen „Deutsche Bahn“ abfallen sollte, das in der Regel eher durch Pleiten, Pannen und Skandale auf sich aufmerksam macht.
Kritische Fragen statt Lobeshymnen
Nun ist es tatsächlich so, dass die beiden geehrten Kollegen nette und hilfsbereite Zeitgenossen sind und zumindest ist es dem Schreiber dieser Zeilen nicht aufgefallen, dass sie aufdringlich penetrant die Bahnprodukte an den Mann oder die Frau zu bringen versuchen. Und das ist gut so. Aus dem Verhalten der beiden Kollegen aber Rückschlüsse in Sachen Kundenfreundlichkeit auf das Unternehmen „Deutsche Bahn“ zu ziehen, wäre verfehlt. Genau aus diesem Grunde ging die von der PR-Abteilung der Bahn geplante Selbstbeweihräucherungsfeier auch in die Hose. Die eigens aus Stuttgart angereisten Schön-Wetter-Macher, der Leiter des DB-Vertriebsservice für Baden-Württemberg, Manfred Mandel und der der Pressesprecher der Bahn für Baden-Württemberg, Werner Graf, mussten erleben, wie die anwesenden Pressevertreter (Haller Tagblatt-Reporter, SWR-Fernsehteam, SWR4-Reporter) sich von der Inszenierung nicht sonderlich beeindrucken ließen, sondern die Anwesenheit von Bahnvertetern nutzten, um altbekannte Ärgernisse rund um den Hessentaler Bahnhof anzusprechen und auf Abhilfe zu drängen.
Keine Toilette in Hessental
Gleiches taten die beiden VertreterInnen aus der Politik, die Pelgrim-Stellvertreterin Bettina Wilhelm und SPD-Bundestagsabgeordnete Annette Sawade, die ohnehin nie eine Gelegenheit, sich vor Mikrophone oder Kameras zu stellen, verstreichen lässt. Immerhin sprachen die beiden altbekannte Missstände an: Die fehlende Barrierefreiheit – es gibt keinen Aufzug und keine Rolltreppe in Hessental. Für Ältere, Behinderte oder Leute mit schwerem Gepäck oder Kinderwagen ist Hessental bekanntermaßen ein Horrorbahnhof. Wer „mal muss“ hat das Problem für sein/ihr „Geschäft“ einen Platz in der Deckung zu finden, weil die Bahn es nicht für nötig hält, eine Toilette bereit zu stellen. Und rund um den Bahnhof werden Putzdienste lediglich dann gesichtet, wenn höherrangige Bahnvertreter sich zu Besuch ankündigen. So auch wieder am 27. März 2014, als sich wenige Minuten vor Beginn der Feier noch ein Putztrupp im Warteraum zu schaffen machte.
Schönredner in Schwierigkeiten
In dieser Situation hatten die aus Stuttgart eingerollten mittleren Führungskräfte keinen leichten Stand. Leugnen konnten sie die angesprochenen Missstände nicht und sie waren nicht gekommen, um hier auf Möglichkeiten der Abhilfe zu sinnen. Also beließen sie es, wie beim letzten, beim vorletzten, beim vorvorletzten Mal bei der hilflosen Zusicherung: „Wir nehmen das mit…“
„In Straßen wird viel mehr Geld investiert als in den Bahnverkehr“
Jetzt, da von Pressevertretern und Politikerinnen deutliche Kritik an der Bahn geübt wurde, wagte sogar der gerade geehrte Bahnangestellte Josef Eichbaum eine kritische Aussage, die ihm der Schreiber dieser Zeilen nicht zugetraut hätte. Ihm seien die Klagen unzufriedener Kunden wohlbekannt, so Eichbaum. Er versuche, „dennoch seine Kunden zufrieden zu stellen… Wenn die Bahn so viel Geld bekommen würde wie für Straßen investiert wird, dann würde es hier ganz anders aussehen.“
Nebenstrecken und Infrastruktur auf dem flachen Land sind lästige Kostenfaktoren
Da ist dem Herrn Eichbaum zuzustimmen und dann aber doch wieder nicht. Denn es gibt da doch noch weitere Probleme: Managern wie einem Herrn Mehdorn oder einem Herrn Grube geht es nicht primär darum, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen oder guten Service zu erträglichen Preisen für die Menschen zu bieten. Ihnen geht es primär darum, möglichst großen Profit zu machen. In ihrem Kalkül setzen sie auf die „Rennstrecken“ zwischen den Metropolen, Nebenstrecken und die Infrastruktur auf dem flachen Land sind für sie nur lästige „Kostenfaktoren“. Entsprechend wäre zu befürchten, dass Grube mit dem Geld zusätzlich zu Stuttgart 21 noch Frankfurt 21 und München 21 starten würde. Oder für die Expansion der bahneigenen LKW-Spedition Schenker nach Russland, USA oder China.
Aus „Börsenbahn“ (im Wartestand) muss endlich eine BürgerInnenbahn werden
Es muss sich viel ändern, damit aus der „Börsenbahn“ (im Wartestand) endlich eine BürgerInnenbahn wird. Nur soviel: Der Fisch stinkt vom Kopfe her.