„Irgendwo in Hohenlohe“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden zwölfter Teil

„Irgendwo in Hohenlohe“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden zwölfter Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt. (Fremdwörter im Text mit * werden am Ende der Episode erklärt.)

Von Birgit Häbich

XII Lugenbeutel

… am Beginn seiner selbständigen Tätigkeit dachte Carl Eugen Friedner niemals auch nur im
Entferntesten daran, dass er in tiefe Loyalitätskonflikte stürzen könnte. In den Verwaltungen
und Ämtern, in denen er vorher tätig war, war immer alles klar geregelt, und wer diese
Regeln übertat, musste entweder ein Vetterle im Himmel* oder gute Nerven haben.

Nerven beruhigen

Aber jetzt, als Selbstständiger, konnte er sich nicht mehr hinter Vorschriften und Gesetzen
verschanzen, das kleinstädtische Milieu zeigte ihm undurchsichtige Tiefen, in deren Dunkelheit man sich nicht immer sofort zurechtfand. Carl sinnierte noch immer, mittlerweile saß er daheim in seinem stillen Arbeitszimmer unter dem Dach, bei einer Tasse Tee. Der Arzt hatte ihm empfohlen, ab und zu einen Melissentee zu trinken, das würde seine Nerven beruhigen und auch den angegriffenen Magen nicht unnötig belasten.

Die Erbschaft

Paula wollte damals, sobald genug monetäre Mittel flüssig wären, zuerst mit der Dachsanierung beginnen. Die Erbschaft, welche ihre Großtante Hilda noch im hohen Alter
gemacht hatte, würde unter Umständen dafür ausreichen. Es war aufwändig herauszufinden,
ob es noch andere Erben gab und damit die Höhe der in Aussicht stehenden Summe geschmälert werden könnte. Zur gleichen Zeit bereits, ließ sich Paula Engel von den in Frage
kommenden Handwerkern beraten und absolvierte alle nötigen Termine in Absprache mit
Herrn Vorderschein.

Der Bauhistoriker

Balduin Vorderschein hatte sich den Titel Bauhistoriker zugelegt und war beim Bauamt der Kreisstadt und bei dem Kreditinstitut, mit welchem man vor hatte, die finanziellen Dinge zu
regeln, zu dieser Zeit hoch angesehen. Es gab nur eine geringe Auswahl an Architekten, die
meinten dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Und da es Vorschriften des Denkmalschutzes gab und Mittel aus der Denkmalförderung zu beantragen waren, wurde Vorderschein, eben auch in Ermangelung weiterer Fachkundiger in der Gegend, mit der Begleitung des anstehenden Sanierungsprojektes beauftragt. Und der selbst ernannte Bauhistoriker verstand es perfekt, sich alsbald unentbehrlich zu machen.

Eloquenter Redner

Carl Eugen Friedner hatte Vorderschein im Ladengeschäft seiner Frau Heike Vorderschein schon kurz gesehen und kannte ihn ansonsten lediglich vom Hörensagen. Man hielt in der Stadt einiges auf den eloquenten Redner, Carl hatte bisher jedoch noch nie mit ihm direkt zu
tun gehabt.

Niemals berücksichtigt

In dieser Zeit schien Vorderschein überall mitzumischen, der Rührige war sogar im Freilandmuseum anzutreffen und wurde ein gefragter Berater bei vielen Altbausanierungen der Kreisstadt. Die für Sanierungen in Frage kommenden Handwerker waren auf seine Empfehlungen angewiesen. Empfahl Vorderschein sie nicht beim Bauherrn, so konnte zwar auf „Gut Glück“ ein Angebot abgegeben werden, aber bei der Vergabe von Aufträgen wurden sie niemals berücksichtigt.

Angesehener Berater

Auch ihm selbst wurde in dieser Zeit Balduin Vorderschein von seinen alten Bekannten wärmstens empfohlen. Und so kam auch Carl, obwohl er den hoch gewachsenen Mann lediglich für einen selbstgefälligen Schwätzer hielt, nicht an demselben vorbei. Zudem war Carl Eugen Friedner es gewohnt, seine Einschätzungen über Personen nicht vor sich herzutragen und bei Menschen, die sich regelmäßig mit politisch und wirtschaftlich einflussreichen Leuten sehen ließen, war er sogar ganz besonders vorsichtig. Carl gedachte sich seinen guten Ruf als allseitig angesehener Berater an Leuten wie Vorderschein vorbei aufrecht zu erhalten.

Unstimmigkeiten

Es war Carl schon so manches Gerücht über Unstimmigkeiten bei Abrechnungen zu Ohren gekommen. Und er würde besonders Acht darauf geben, dass Paula nicht über den Tisch gezogen würde. So wie es damals aussah, konnte sie sich recht gut mit Vorderschein arrangieren, und nötigenfalls würde er eben eingreifen.

Sich selbst überschätzt

Aus heutiger Sicht musste er zugeben, dass er sich überschätzt hatte, er hatte große Fehler gemacht. Aber Carl wusste damals noch nicht, was sich da hinter seinem Rücken zusammenbraute. Er hätte seinerzeit niemals dulden dürfen, dass Paula einem Lugenbeutel*
vertraute. Carl wollte, dass Paula mit der Sanierung des Anwesens ihrer Großtante bald beginnen und zügig fortfahren sollte. Schließlich sollte Paula dieses Schmuckstück, zu dem es ohne Zweifel werden würde, einmal erben.

Stolz

Er lächelte bei dem Gedanken an die Freude und den Stolz, den er damals für sie empfand. Paula Engel würde einem der schönsten Häuser der Stadt zu neuem Glanz verhelfen und er durfte sie dabei unterstützen. In seiner Verliebtheit übersah Carl allerdings, was sich an Ungutem anbahnte…. Fortsetzung folgt.

Erläuterungen:

Lugenbeutel*: Lügensack, Lügner, Betrüger, Aufschneider,

Vetterle: Vetter, Cousin,

Vetterle im Himmel*: Vitamin B, einflussreiche Beziehungen, Gefälligkeitsverwandtschaften

Kontaktaufnahme zur Autorin:

E-Mail: b.haebich@web.de

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