Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht eine Stellungnahme des „Schwäbisch Haller Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21“ zum Lokführerstreik.
Von Paul Michel, Schwäbisch Haller Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21
Regelrechte Hetzkampagne
Als Reaktion auf den Streik der Lokführer haben Medien und Regierungsparteien eine regelrechte Hetzkampagne losgetreten. Die BILD-Zeitung versucht den Streik zum nationalen Notstand hoch zu dramatisieren („Leere Gleise, aber Tankstellen geht Sprit aus“). Sie druckt gar die Telefonnummer des GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky und fordert ihre Leser auf, diesem „die Meinung zu geigen.“
Wahrheit bleibt auf der Strecke
Aber die BILD-Zeitung steht nicht alleine. Weite Teile der elektronischen und der Printmedien stoßen ins gleiche Horn. Wie immer, wenn in einer Medienkampagne der Volkszorn mobilisiert werden soll, bleibt auch diesmal die Wahrheit auf der Strecke.
Totschlagargument 1: Die Lokführer sind eine privilegierte Elite
Diese Behauptung hat wenig mit der Realität zu tun, sie dient eher der Stimmungsmache gegen die kleine kämpferische Gewerkschaft GDL. Die Fakten sind wie folgt: Ein Lokführer, 25 Jahre alt, zwei Jahre Berufserfahrung kommt mit Zulagen auf ein Nettoeinkommen zwischen 1438 und 1588 Euro. Ein Lokführer, 40 Jahre alt, zwei Kinder, 17 Jahre Berufserfahrung, kommt auf 1778 bis 1928 Euro netto. Sollen das etwa Superlöhne sein? Dafür fahren sie zu jeder Tages- und Nachtzeit, sonn- und feiertags quer durch die Republik und müssen immer hellwach sein.
Totschlagargument 2: Die Forderungen der GDL sind „völlig überzogen“
Fünf Prozent mehr Lohn und Verkürzung der Wochenarbeitszeit um zwei Stunden von 39 auf 37 Stunden. Das ist mehr als berechtigt angesichts der Löhne und der Arbeitsbedingungen der BahnkollegInnen. Weil die Bahn für den Börsengang spart, hat sie in den vergangenen Jahren den Arbeitsdruck beim Personal drastisch erhöht. Die Überstunden sind gewaltig angewachsen. Im „Schwarzbuch Deutsche Bahn“ berichtet ein Lokführer von 14-Stunden-Schichten, bei denen man vor Ermüdung im Führerstand einschlafe. Vor diesem Hintergrund sind Tarifforderungen über eine Begrenzung der Überstunden auf 50 pro Jahr und eine Reduzierung der maximalen Fahrzeit auf acht Stunden nur zu berechtigt. Das dient im Übrigen nicht nur einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, sondern gerade auch der Sicherheit der Fahrgäste. Überlastete und übermüdete Lokführer gefährden ihr Leben und das der Bahnreisenden. Auch dem schlichtesten Gemüt unter den Fahrgästen sollte es einleuchten, dass sie sich eigentlich über das Bahnmanagement aufregen sollten und nicht über die GDL.
Totschlagargument 3: „Konkurrierende Tarifverträge in einem Betrieb“ sind nicht möglich
Es gibt bei der DB AG in Tausenden von Einzelbetrieben unterschiedliche Tarifverträge. Allein die unterschiedlichen Regelungen für die gut 100000 „normalen“ Lohnabhängigen im Bahnkonzern und für die knapp 40000 Beamten, die es bei der Bahn noch gibt, sind Beweis dafür, dass das Gerede von „Personalarbeit aus einem Guss“ schlicht pure Demagogie ist. Bei den privaten Wettbewerbern der Bahn sind übrigens parallel Tarifverträge von GDL und EVG eher die Regel als die Ausnahme. Es ist also nicht so, dass der Bahn hier etwas Unmögliches zugemutet wird. Sie will das nicht, weil ihr das Mauscheln mit der handzahmen EVG besser ins Kalkül passt.
Totschlagargument 4: Der GDL-Streik richtet sich gegen die Fahrgäste
Alltag im Bahnhof
Der Anteil der Schiene im Personenverkehr liegt bei sieben Prozent, im Güterverkehr bei 14 Prozent. Nach Adam Riese bleiben damit 93 Prozent oder 86 Prozent von „Deutschland“ auf alle Fälle mobil, egal wie lange die GDL streikt. Richtig ist: Jeder Streik schränkt ein; tut auch weh. Doch just das ist Streikzweck. Sonst könnte man Arbeitskämpfe ja gleich bleiben lassen.
Im Übrigen schädigt die Bahn Tag für Tag Millionen Fahrgäste, weil sie zu spät kommt, nicht kommt, keine Sitzplätze anbietet, Bahnhöfe vergammeln lässt, Bahnsteige im Winter nicht von Schnee befreit, Fahrgäste im Sommer wegen kaputter Klimaanlage grillt und im Winter erst gar nicht bahnfahren lässt.
Noch eine Anmerkung zur Konkurrenzgewerkschaft EVG:
Die hat bei den Bahnbeschäftigten in den letzten Jahren wegen ihres Kuschelkurses mit dem Management stark an Ansehen und an Zuspruch verloren. Unter ihrem früheren Vorsitzenden Norbert Hansen entwickelte sich die EVG immer mehr zum verlängerten Arm des Bahnmanagements. Transnet propagierte zusammen mit Ex-Bahnchef Mehdorn gegen weitverbreitete Skepsis unter den Bahnbeschäftigten den Börsengang der Bahn und war mit dafür verantwortlich, dass systematisch Leiharbeiter als Lokführer eingestellt wurden. Den Vogel schoss Hansen ab, als er mir nix dir nix ganz den Posten des Personalchefs bei der Bahn übernahm und als solcher eine Welle des Personalabbaus lostrat. Eine solche Gewerkschaft braucht sich nicht zu wundern, wenn ihr die Mitglieder davon laufen.
Anstatt jetzt zusammen mit dem Bahnmanagement gegen die streikenden KollegInnen zu hetzen, täte die EVG besser daran, sich auf ihre eigentliche Aufgabe als Interessensvertretung der Beschäftigten zu konzentrieren und für die KollegInnen bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen – gemeinsam mit der GDL!