„Keine Zustimmung zum nächsten energiepolitischen Desaster“ –  Stellungnahme von Frank Bräuninger zu Windenergiestandorten im Gebiet Brettach/Jagst

Eine Stellungnahme zum Thema „5a Teilflächennutzungsplan Windenergie Brettach/Jagst“ hat der Kirchberger Stadtrat Frank Bräuninger in der jüngsten Sitzung des Kirchberger Gemeinderats vorgetragen. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht die Stellungnahme des UWV-Stadtrats in voller Länge.

Von Frank Bräuninger, Kirchberg/Jagst-Lendsiedel

Zunächst möchte ich ein paar Gedanken zur Energiepolitik und zu den mir bekannten Planungen abgeben:

Ich werde nicht die Verfehlungen der Landes- bzw. Bundesregierung unterstützen, hier die Verantwortung für den  Ausbau der erneuerbaren Energien auf Kommunen und Landkreise abzuwälzen, ohne dabei zentrale Regelungen zu treffen, wie beispielsweise faktenbasierte Siedlungsabstände, Rückbauvorschriften oder die Mengendefinition von substantiell. Bayern hat aktuell die 10H-Regelung zum Schutz seiner Bürger beschlossen. In Baden-Württemberg dürfen die Windenergieanlagen auf 700 Meter an Wohngebiete heranrücken, sofern keine anderen immissionsschutzrechtlichen Parameter dagegensprechen. Haben die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg nicht dieselbe Fürsorge verdient wie in Bayern?

Planung lässt wichtige Aspekte außer acht

Weiterhin läuft parallel zur Ausweisung der Konzentrationsflächen auf kommunaler Ebene auch die Teilfortschreibung Windkraft des Regionalplans durch den Regionalverband Heilbronn-Franken. Sowohl die Kommunen als auch die Regionalverbände haben den Auftrag substantiell Raum auszuweisen. Was dabei herauskommt, lässt sich an den aktuellen Ständen der Pläne erkennen. Hier ergeben sich deutliche Flächenunterschiede. Aus meiner Sicht spiegeln sich in den Planungen des Regionalverbandes deutlich die langjährigen raumplanerischen Erfahrungen. Demgegenüber stehen kommunale Planungen, die sich bisher an der Regionalplanung orientiert haben. Die aktuelle Teilfortschreibung des Regionalverbandes schafft hier in Kirchberg-Lendsiedel ein Vorranggebiet, das substantiell genug Raum bietet, aber folgende weiteren Aspekte nicht außer acht läßt:

– Erhaltung gesunder Lebens- und Umweltbedingungen
– Gliederung der Siedlungsstruktur
– Naturschutz und Landschaftspflege (Zugvögelkorridore)
– Wohnraumentwicklung

Was erwartet uns hier in Hohenlohe in den nächsten Jahren zur Erreichung der windenergie-politischen Ziele der Landesregierung?:

In Baden-Württemberg sollen bis 2020 etwa 1200 Windenergieanlagen stehen – stehen ist hier der richtige Ausdruck, da bei unseren Windverhältnissen ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen kaum möglich ist. Diverse Statistiken belegen dies. Jeden Morgen, wenn ich aus dem Haus gehe, schaue ich, ob die neue WEA in Ruppertshofen läuft. Entgegen den Versprechungen der ZEAG in der lokalen Presse – die Anlage wir kaum stehen – musste ich aber auch hier feststellen, dass diese Anlage auch nur ein Beitrag  für die Zerstörung der Hohenloher Ebene ist. Strom produzieren sieht anders aus.

Schwerpunkt in unserer Region

Für die Regionalverbände Heilbronn/Franken und Ostwürttemberg entfallen von den 1200 WEAs zirka 850 Stück. Auf eine Nachfrage bei der Netze BW wurde mir bestätigt, dass fast ausschließlich Anfragen zum Anschluss der Anlagen aus diesen Regionalverbänden kommen. Unter Berücksichtigung der Flächen der beiden Regionalverbände stehen so zirka  alle 8 Qudratkilometer eine Windenergieanlage. Eine weitere Erkenntnis aus den Berechnungen der Netze BW lautet: Für 1 MW konventionell erzeugte Energie sind in Baden-Württemberg 6 MW installierte Windenergieleistung notwendig. Rein hypothetisch würde dies für unseren Wunsch aus der Kernenergie auszusteigen und die beiden noch laufenden AKWs Philippsburg 2 und Neckarwestheim 2 mit Windenergie zu ersetzen folgendes bedeuten: Summe Leistung AKWs = 2712MW * EE-Faktor 6 = 16272 MW Windenergieleistung. Bei einer Leistung von 3 MW pro Anlage würde dies 5424 Anlagen bedeuten.

Ländlicher Raum wird zerstört

Die technische Universität Dortmund schätzt die WEA-Zubau-Leistung in Baden-Württemberg bis 2030 auf 7.247 MW, wobei davon zirka 70 Prozent auf die beiden Regionalverbände HN/Franken und Ostwürttemberg entfallen. Dies würde bedeuten, dass wir bis 2030 zirka 2,4 WEAs pro 10 qkm haben werden. Aktuell lassen sich etwa 33 3 MW-Anlagen an eine 110 kV-Trasse anbinden. Wir würden also bis 2030 50 weitere 110 kV Leistungen benötigen. Allein dies lässt mich an der Umsetzung der energiepolitischen Ziele von Land und Bund zweifeln. Sicher ist aber, dass wir weitere 110 kV-Leitungen brauchen, wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien in den Gebieten vorantreiben wo geringer Strombedarf herrscht. Der Abtransport in die Ballungs- und Industriegebiete ist zu realisieren. Für ganz Deutschland werden für den Ausbau der Netze zirka 50 bis 60 Milliarden Euro notwendig sein. Zusammenfassend werden wir den ländlichen Raum durch die Stromtrassen und Windenergieanlagen zerstören. Dafür bin ich nicht zu gewinnen.

Aber nun konkret zu den Vorrangflächen M und L und die Stellungnahmen:

Die Vorrangflächen M und L sind die einzigen Flächen innerhalb des GVV Brettach/Jagst, die sich im Südwesten auf einer Anhöhe von größeren Siedlungsgebieten (Lendsiedel, Kirchberg) befinden. Keine andere Vorrangfläche liegt so ungünstig zu großen Wohnge-bieten. Durch diese Lage sind die stärksten Auswirkungen bezüglich Schattenschlag und Schall für die Anwohner zu erwarten. Weiterhin ist es verständlich, dass die Einwendungen sich auf die Anlagen beziehen. Eine reine Ausweisung von Flächen beeinträchtigt nicht. Die wesentlichen Belastungen sind Bedrängung, Schattenschlag, Schall (ca. 107,5 dB (A) Schallimmissionen pro Anlage) und Infraschall. Diesen Belastungen kann bereits bei der Flächenausweisung Rechnung getragen werden.

Am Beispiel Schattenschlag möchte ich die Wichtigkeit des Abstandes von WEAs zu Wohngebieten verdeutlichen:

Die geplanten WEAs verursachen abhängig von der topografischen Lage einen Schattenschlag bis zu 1800 m. Eine 10 H-Abstandsregel wie in Bayern macht deshalb Sinn, da sie die Beeinträchtigung mit dem Abstand in Abhängigkeit bringt.

Folgende weitere Auflagen sind mit dem Standort zu verbinden:

Das komplette Fundament ist beim Rückbau zu entfernen. Dies ist ohne Zweifel eine zulässige Auflage, die auch von den Planern und Betreibern zugesichert wurde. Aufgrund der hohen Investrisiken sind die Rückbaukosten im Vorfeld komplett zu hinterlegen. Weiterhin kann zur Vermeidung von Teilüberlastungen eine Mengenbegrenzung definiert werden. Wird im Mittel von einem Flächenbedarf von 5 Hektar pro WEA ausgegangen, so könnten auf den Konzentrationsflächen L und M mit einer Gesamtfläche von 253 ha theoretisch 50 WEAs Platz finden. Bereits jetzt stehen die geplanten WEAs an den Grenzen der Konzentrationsflächen. Damit werden die Grenzwerte ausgelotet. Innerhalb der Fläche lassen sich dann weitere WEAs aufstellen, oder die Planungen und Gutachten an weitere Betreiber verkaufen. Diese stellen dann weitere WEAs auf. So passiert aktuell im Paderborner Land. Ich kann jedem überzeugten Onshore-Windkraftbefürworter nur raten sich dort die WEA-Dichte anzuschauen. Hier stehen hunderte Windräder auf engstem Raum. Der Grund und damit Unterschied zu Baden-Württemberg ist die Windgeschwindigkeit von 6,5 bis 7 m/s in 100 Meter Nabenhöhe. Dort ist zumindest die Wirtschaftlichkeit gegeben.

Auswirkungen auf Menschen werden nicht beachtet

In der Abwägung die Erhöhung vom Mindestabstand 700 m auf 950 m als Vorsorgeabstand zu bezeichnen ist falsch. Der Abstand ist allein schon durch Schatten und Schallgrenzwerte notwendig gewesen. Menschen und die Auswirkungen auf diese werden komplett außer acht gelassen. Infraschall wird ignoriert.  Aufträge dies zu untersuchen werden nicht von der Landes- oder Bundesregierung vergeben. Es gibt aber hinreichend Hinweise darauf, dass der Infraschall verheerende Folgen hat:

Missbildungen bei Tieren

In Dänemark wurden 1600 Nerze durch Infraschall getötet, der Nachwuchs hatte Missbildungen. Zum Nachweis wurden hier leider sogar Tierversuche mit 100 Nerzen durchgeführt. Tierversuche lehne ich ab. Experimente der LMU zeigten, dass Probanden die 80dB (A) 30Hz Schall ausgesetzt waren, zu schwanken begannen, sprich ihr Gleichgewichtsgefühl gestört wurde. Ob eine Schädigung des Innenohrs auftritt, sollen weitere Versuche zeigen.
Weiterhin kann das Immunsystem stimuliert werden, dies führt zu einer Störung bei der Bildung weißer Blutkörperchen neben dem Auftreten unreifer Zellen im Blut.
Es gibt weitere im Internet dokumentierte Auswirkungen sogar eidesstattliche Erklärungen mit dem Krankheitsverlauf. Der Infraschall ist nicht zu unterschätzen.
Zum Thema Wertverlust der Immobilien: Im Ratsforum der ENBW in Heilbronn hat der Redner auf Nachfrage angemerkt, dass die ENBW selbst nicht auf die Anwohner von Windparks zugehen könnte, sondern auf Nachfrage hier gerne Gespräche zu Wertverlust und Kompensation geführt werden können. Dass Wertverluste auftreten, wird auch nicht in den Stellungnahmen verneint.

Was bedeutet der geplante Windpark nach seiner potentiellen Entstehung für Kirchberg?:

6,2 Prozent der Gemeindefläche werden zur Windkraftnutzung zur Verfügung gestellt. Im Vergleich stellen die anderen beiden Gemeinden aus dem GVV Brettach/Jagst lediglich 1,5 Prozent (Wallhausen) bzw. 2,1 Prozent (Rot am See) zur Verfügung. Mit anderen Worten: Kirchberg stellt 57 Prozent der Konzentrationsflächen zu Verfügung. Attraktive Neubaugebiete, die heute zur Gewinnung neuer Bürgerinnen und Bürger unabdingbar sind, werden geopfert. Dort wären Steuereinnahmen real zu erzielen gewesen. Beim Windpark ist mit Gewerbesteuereinnahmen von Null zu rechnen. Ich sehe dadurch die positive Entwicklung von Kirchberg mehr als beeinträchtigt. Da die WEAs gerade so im bzw. über dem Grenzbereich der TA Lärm sind, ist eine Gewerbeansiedelung nur noch sehr begrenzt möglich.

Was bedeutet der geplante Windpark für den Naturschutz:

Das kleingliedrige Gebiet mit Wäldchen und Seen wird zerstört: Rotmilane werden nicht im Horst zerteilt, sondern auf der Nahrungssuche. Das ausgewiesene Gebiet gehört zu einem stark frequentierten Nahrungshabitat mehrerer Rotmilane, es wurden zeitgleich bis zu 10 Tiere gesichtet. Bereits zwei durch Rotoren getötete Rotmilane konnten dort festgestellt werden. Dies ist ein Ausschlusskriterium für die Flächen.
Weiterhin sind im Gebiet viele Fledermausarten, darunter auch die vom Aussterben bedrohte Mopsfledermäuse und Haselmäuse kartiert. Diese Arten sind auf derselben Liste der schützenswerten Tiere wie die Rotmilane. Dies sind daher Ausschlusstatbestände für die Flächen.

Zum Verfahren selbst:

Die Abwägung erfolgt nicht durchgängig gleich. Teilweise werden Argumente vorgebracht, die erst im immissionschutzrechtlichen Verfahren zu prüfen sind. Andere Einwendungen werden mit genau diesem Hinweis abgetan. Wie vorhin schon angemerkt, können die Auswirkungen der Anlagen aber auch jetzt schon im Flächennutzungsplan durch Auflagen minimiert werden. Dies ist in keinem Beschlussvorschlag so durchgeführt worden.

„Ich stimme mit Nein“

Ich werde nach dem atompolitischen Dilemma keine Zustimmung zum nächsten energiepolitischen Desaster geben. Deshalb stimme ich mit NEIN, bis ein schlüssiges, atomenergiefreies, CO2-minimierendes und ressourcenschonendes Energiekonzept für Deutschland vorliegt.

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