Unter der Überschrift „Öffentlichkeitsarbeit des Gemeinderats“ hat sich der Mulfinger Bürgermeister Robert Böhnel im Oktober 2014 in einem ganzseitigen Schreiben im Gemeindemitteilungsblatt an die Bürgerinnen und Bürger seiner Gemeinde gewandt. „In einer modernen Demokratie haben die Bürger Anspruch darauf, den Prozess der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung verfolgen zu können“, schrieb Böhnel. Der Bürgermeister hatte sich dagegen ausgesprochen, das Thema „Berichterstattung im Gemeindemitteilungsblatt“ in nichtöffentlicher Gemeinderatssitzung zu behandeln. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht das bemerkenswerte Schreiben in voller Länge.
Informationen zusammengestellt von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Das Schreiben von Bürgermeister Robert Böhnel, Mulfingen:
Öffentlichkeitsarbeit des Gemeinderats
Ein wenig anders als üblich, verlief unsere letzte Gemeinderatssitzung am 15. Oktober 2014. Zu Beginn habe ich nämlich einige grundsätzliche Gedanken zu den Themen Öffentlichkeit und Fraktionsbildung geäußert. Auslöser dafür waren Anträge der Fraktionsvorsitzenden von UWV und CDU. Der Vorsitzende der UWV hatte mich aufgefordert, das Thema „Berichterstattung im Gemeindemitteilungsblatt“ in nichtöffentlicher Gemeinderatssitzung zu behandeln.
Rechtlich gar nicht zulässig
Das ist rechtlich jedoch gar nicht zulässig. Sitzungsgegenstände dürfen nämlich nur in eng begrenzten Fällen nichtöffentlich verhandelt werden. Nichtöffentlich darf der Gemeinderat (GR) nur beraten, wenn es das öffentliche Wohl erfordert. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Nachteile für die Gemeinde drohen oder wenn es um das berechtigte Interesse eines Einzelnen geht. Das trifft bei der Frage der Öffentlichkeitsarbeit des Gemeinderats nicht zu. Ganz im Gegenteil. Denn bei der Frage, wie die Öffentlichkeitsarbeit des GR gestaltet werden soll, geht es um das Verhältnis von Bürgern und Gemeinderat. Wo sonst hätten die Bürger mehr Anspruch auf Öffentlichkeit als gerade bei diesem Thema. Es ist deshalb befremdlich, wenn ausgerechnet ein solches Thema in nichtöffentlicher Sitzung beraten werden soll. Wer fordert, bei Themen, die in die Öffentlichkeit gehören, die Öffentlichkeit auszuschließen, braucht sich nicht zu wundern, wenn am Ende Vorbehalte gegen die Arbeit des Gemeinderats aufkommen. Es drängt sich dann der Verdacht auf, wichtige kommunalpolitische Fragen würden ohnehin hinter verschlossenen Türen entschieden. Die Idee, über Art und Form der Öffentlichkeitsarbeit hinter verschlossenen Türen verhandeln zu wollen, hat mit einer modernen Demokratie nichts zu tun. Denn das wäre so, wie wenn man als Sachverständige für die Ausweisung von Windkraftstandorten die Hersteller von Windrädern berufen würde. Ich kann es nicht hinnehmen, dass das Verhältnis zwischen Gemeinderat und Bürgerschaft durch undemokratische Ideen belastet wird. Als Bürgermeister bin ich Sachwalter der Interessen unserer Bürger. Darauf habe ich im Übrigen auch meinen Amtseid geschworen.
Umfassende Informationspflicht
Die Frage der Öffentlichkeitsarbeit hat noch eine weitere Seite. Der Antrag des Vorsitzenden der UWV zielte auch darauf ab, dass nur noch die bloßen Beschlüsse des Gemeinderats veröffentlicht werden. Über Redebeiträge von Gemeinderäten, Meinungen oder Beschlussanträge dagegen soll nicht berichtet werden. Diese Forderung ist mehr als haarig. Es ist nämlich rechtlich unbestritten, dass Gemeinderat und Bürgermeister eine Informationspflicht gegenüber den Bürgern haben. Rechtlich unbestritten ist auch, dass diese Informationspflicht „umfassend“ zu sein hat. Dass Informationen nur in wohldosierter Form und in möglichst spärlichem Umfang weitergegeben werden, widerspricht der Pflicht zu einer umfassenden Bürgerinformation. Öffentlichkeit ist eine der wichtigsten Grundbedingungen von Demokratie überhaupt. Das Grundgesetz, aber auch die Gemeindeordnung Baden-Württemberg wollen eine umfassende Demokratie verwirklichen. Das kann man daran erkennen, dass die Gemeindeordnung solche Instrumente zur Verfügung hat wie die „Unterrichtung der Einwohner“, die „Bürgerversammlung“, den „Bürgerantrag“, den „Bürgerentscheid“ und das „Bürgerbegehren“. Diese Instrumente können aber nur funktionieren, wenn die Bürger auch umfassend informiert sind.
„Wer stimmt wie ab?“
In einer modernen Demokratie haben die Bürger also Anspruch darauf, den Prozess der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung verfolgen zu können. Sie haben Anspruch darauf, die Argumente der einzelnen Gemeinderäte und Gemeinderatsfraktionen nachvollziehen zu können. Sie haben Anspruch darauf, im Einzelnen zu erfahren, wer für welche Position steht, wer welche Position mit welchen Argumenten vertritt, wer welche Beschlussvorschläge mit welcher Begründung macht und schließlich am Ende auch, wer wie stimmt – es sei denn, es handelt sich um eine geheime Abstimmung. Bürger, die an den Sitzungen des Gemeinderats nicht teilnehmen können, sind also so zu informieren, wie wenn sie selbst an der GR-Sitzung teilgenommen hätten.
„Diesen Standpunkt kann ich nicht teilen“
Erstaunt in dieser Affäre hat mich auch folgendes: Welches Thema öffentlich, und welches nichtöffentlich behandelt werden soll, darüber haben die Fraktionsvorsitzenden von UWV und CDU offensichtlich ihre eigenen Vorstellungen. Deshalb haben sie sich zum Thema Asylbewerberunterbringung mit einem Leserbrief in der Hohenloher Zeitung (HZ) am 30. September 2014 zu Wort gemeldet. Um ihre eigenen politischen Ziele zu verfolgen, haben sie sich also nicht gescheut, eine breite Öffentlichkeit zu suchen. Eine Öffentlichkeit, die sogar weit über Mulfingen hinausging. Die Ironie ihres Vorgehens scheint ihnen allerdings verborgen geblieben zu sein. Denn in bestimmten Mulfinger Gemeindeangelegenheiten sähen sie die Bürger offenbar am allerliebsten vor der Türe. Diesen Standpunkt kann ich nicht teilen.
Ihr Robert Böhnel, Bürgermeister