„50 Jahre linke Politik an der Hochschule: Wo bleibt der gesellschaftliche Einfluss?“ – Eine Kritik von Rose Baaba Folson Rose Baaba Folson

„50 Jahre linke Politik an der Hochschule: Wo bleibt der gesellschaftlichen Einfluss?“, fragt die Autorin und Hochschullehrerin Rose Baaba Folson. „Europäsische Gesellschaften insgesamt sind nach rechts gerückt. Überall in der EU toben politische Kleinkrieg und „Gejammer“ zwischen den Parteien, den viele Wählern so leid sind, dass die Wahlen oft den Rechtsparteien überlassen sind.“ Rose Baaba Folson hatte im Juli 2013 in einem Vortrag in Schwäbisch Hall über die Strukturen des rechtsextremen Ku-Klux-Klan berichtet.

Rose Baaba Folson

Aggressiv-fremdenfeindliche Partei

Wenn jeder dritte Wähler in Frankreich mit Rechtsextremisten sympathisiert, ist es bedenklich! Kandidaten der konservativen UMP hatten keine Skrupel, für eine aggressiv-fremdenfeindliche Partei zu votieren, die mit einer islamfeindlichen Stimmungsmache und der Instrumentalisierung von Angst vor Terrorismus in den Wahlkampf gezogen war, alles im Namen von „Freedom of Speech in einer Demokratie“.

„Es ist bedenklich“

Am 11. Januar 2015 hatte der Sozialist Frédéric Barbier in einer Stichwahl gegen die Front-National-Kandidatin Sophie Montel (48,6 Prozent) im ostfranzösischen Departement Doubs nur 51.7 Prozent der Stimmen erobert. Die Kommentare in den französischen Medien waren einheitlich: „Es ist bedenklich.“ Wenn Immigranten und muslimische Gemeinschaften in Frankreich verwahrlosen, ist es bedenklich. Wenn Franzosen, trotz dem Festhalten am nationalen Zusammenhalt unter dem Banner der Werte der Republik, für „Gleichheit und Brüderlichkeit“, durch die Straßen marschieren gegen den Dress Code eines Teils der muslimischen Gemeinde, ist es sehr bedenklich. Müssen wir uns nicht woudern über das Ergebnis der Départementswahlen am 18. März 2015. Der rechtsextreme Front National von Marine Le Pen lag mit 25 Prozent vor der Sozialisten PS von Präsident Hollande mit 24 Prozent. Die konservative UMP gewann 36.4 Prozent.

Kombination aus Dummheit, Arroganz und Ignoranz

Wenn der NSU unbehelligt durch Deutschland zieht und Immigranten über eine Dekade hinweg ermordet, trotz national und international fortgeschrittener Maschinerie der Sicherheitsintelligenz, ist es sehr bedenklich. Wenn Nazis immer noch kontinuierlich jüdische Friedhöfe in Deutschland schänden und die Pegida durch Dresden und andere Städte Deutschlands marschiert und eine gefährliche Kombination aus Dummheit, Arroganz und Ignoranz verbreitet, ist es sehr bedenklich. Wenn in Deutschland „Zeitzeugen“ eingeladen werden, die ausschließlich Opfer der Nazis sind und die Täter sich in Ruhe verstecken können: Was ist das für ein Botschaft, die in die Öffentlichkeit gelangt?

Eine Korrektur ist angesagt

Wenn in den deutschen Nachrichten berichtet wird, dass aus einem brennenden Kreuzfahrtschiff alle Passagiere gerettet sind, bis auf vier, die illegale Migranten sind, heißt es, dass diese Menschen, aufgrund ihres politischen Status, kein Anrecht auf Leben haben. Wenn die deutsche Wirtschaft von 2012 bis 2014 dreizehn Mal mehr Überschuss erwirtschaftet als alle EU-Länder zusammen, und die deutsche Öffentlichkeit in dem Glauben gelassen wird, dass dieser Überschuss allein aus dem „Fleiß“ deutscher Arbeitskraft stammt und nicht teilweise aus Waffenverkauf, oft in Krisengebiete, bedeutet das, die kleinen Leute zu täuschen. Hier ist eine Korrektur angesagt.

Extrem brutale radikale Gruppierungen

Wenn die US-Justiz glaubt, dass es in Ordnung ist, für weiße Polizisten, schwarze unbewaffnete Menschen zu ermorden und frei gesprochen zu werden, haben wir ein gefährliches Muster. Erniedrigung und Tortur von politischen Gefangenen führen zu Radikalisierung, genau wie undemokratische konsistente Ausgrenzung eines Teils der Gesellschaft. Staatlicher Verrat von kanadischen Bürgern mit muslimischer Abstammung und deren Inhaftierung in Guantánamo ohne Gerichtsverhandlung führt zu Radikalisierung. Ausgrenzung, Verwahrlosung und unzureichende Integrationsmaßnahmen in Nord-Ost-Nigeria führen zu zunehmender Radikalisierung. Auseinander gebrochene Staaten wie Somalia, Syrien, Irak, Afghanistan und Yemen haben extrem brutale radikale Gruppierungen erzeugt.

Linke müssen die Effektivität ihrer Bildungspolitik in Frage stellen

Wenn die Linken in Griechenland denken, es ist in Ordnung, eine Koalition mit den Rechtsextremisten zu bilden, ist es „bedenklich“. Ist allen diese Entwicklungen unter den Stichworten Freiheit und „Freedom of Speech“ zu erklären oder zu verklären. Jetzt spätestens müssen die Linken und andere progressive Kräfte die Effektivität ihrer Bildungspolitik in Frage stellen und ernsthaft neue Wege reflektieren. Denn es führt zu nichts, immer wieder zu beteuern „es wurde viel getan“. Die Geschichte wird das Urteil präsentieren, indem es oft um eine ganz simple Logik handelt: Egal wie intensiv die Bemühungen sind, etwas zu verändern, solange die angestrebten Ergebnisse nicht erreicht sind, ist die Aufgabe noch nicht beendet.

Wie weit beschützt ein Staat die Meinungsfreiheit?

Die Meinungsfreiheit ist ein sehr wichtiger Aspekt der Demokratie. Dennoch haben wir oft erlebt, wie gefährlich es sein kann, diese Meinungsfreiheit auszuüben und auszuleben, ohne dass der Versuch unternommen wird, die Person durch Druckmittel doch zum Schweigen zu bringen. Egal wie sehr wir an die Meinungsfreiheit in einer Demokratie glauben, diese Freiheit war immer begrenzt und hindert uns bestimmte heikle Themen zu diskutieren. Staaten berufen sich auf Demokratie und Meinungsfreiheit, aber wie weit würden sie wirklich gehen, um ihre Bürger und Bürgerinnen zu beschützen, die diese Werte versuchen umzusetzen? Für die MitarbeiterInnen von Charlie Hebdo stand NUR ein einziger Polizeiwagen zur Verfügung. Völlig unzureichend.

„Dein Menschenrecht endet dort, wo das Recht der Anderen beginnt“

In kritischer Soziologie heißt es: „Dein Menschenrecht endet dort, wo das Recht der Anderen beginnt.“ Der Papst sagte, „Meinungsfreiheit bedeute nicht, andere erniedrigen oder beleidigen zu dürfen.“ Der CEO von Twitter sagt: „Twitter ist eine öffentliche Plattform, und wir müssen die Balance der Meinungsfreiheit aufrechterhalten. („We need to balance our freedom of speech with freedom of speech of others“).

Was verstehen wir unter linker Politik?

Aus Anlass der Feier 40 Jahre Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg (CvO-Uni) hatten Professor Dr. Wolfgang Nitsch und seine Kollegen zu einem Rückblick und Dialog über die linke Hochschulpolitik der ersten Jahrzehnte der Universitätsgeschichte an der Carl von Ossietzky-Uni eingeladen. Was verstehen wir unter linker Politik? Es war damals die Politik, die von der Initiative Sozialistischer WissenschaftlerInnen (ISW), dem Arbeitskreis Gewerkschaften (AKG), später vereinigt zur Linken Liste getragen wurde, mit ihrem damaligen Kontrahenten, dem Bund demokratischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, der der DKP nahestand.

Jammergesellschaft

Nach vorbereiteten Beiträgen über historische Analysen über die Errungenschaften und Versäumnisse und der trüben Zukunft linker Politik, folgte eine mäßige Diskussion. Die Diskussion fing zuerst sehr vielversprechend an, mit zahlreichen brillanten Ideen wie linke Hochschulpolitik weiterhin in die Zukunft getragen werden kann. Doch dann endeten sie in einem reinen Gejammer, welches leider typisch für diese Gesellschaft ist. Jammern ist mit den Jahren zu einem der prägenden Charakteristika der deutschen Gesellschaft geworden. ZuwandererInnen müssen einen kräftigen Abwehrmechanismus an den Tag legen, um nicht ein Teil dieser Jammergesellschaft zu werden.

Studiumabsolventen sind Produkte der Arbeit der Lehrenden

Das Hauptgejammer an diesem Abend ging darum, dass die Studierenden sehr apolitisch sind. Diese Behauptung suggeriert meiner Meinung nach eine Abkopplung zwischen Studierenden und Lehrenden. Es ist überraschend, dass der Kollege es für möglich hielt, Studierende von ihren Lehrendern abkoppeln zu können. Sind Studiumabsolventen unter anderem nicht Produkte der Arbeit der Lehrenden? Ist die Frage berechtigt?

Netzwerke aufbauen, aufrecht erhalten und pflegen

Jedoch das ist nicht die Essenz der Sache. Wichtig anzumerken ist der Umgang mit Ansichten, die nicht die eigenen sind. Oft verpassen Menschen wertvolle Ideen, die sie auf neue Wege bringen könnten, weil sie sich von eigenen starken Emotionen der Ablehnung für andere Ansichten ablenken lassen, die gerade für sie in diesem Moment unvertretbar erscheinen. Linke hatten und haben Spielräume, kritische Bildungsinhalte zu gestalten, ohne dem Einsatz ihres Lebens, wie es in vielen anderen Ländern, der Fall ist. Sie haben den Spielraum, mit Entscheidungsträgern zu dinieren, um wichtige Entscheidungen zu beeinflussen. Sie haben den Spielraum, Studiumabsolventen als Multiplikatoren in Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und Regligion zu verhelfen, um Netzwerke aufbauen, aufrecht erhalten und pflegen.

Die Gesellschaft verbessern

Warum ist es so schwer, von der Diskussionsphase zu konkreten Problemlösungsansätzen zu wechseln? Ist die Diskussionsphase eine sichere Schutznische in der wir uns verstecken können, damit wir die Arbeit, die wir machen müssen, um Veränderungen zu erzielen, entgehen zu können? Ist die Diskussionsphase der Ort, wo wir uns vor unserer Verantwortung drücken können, ohne belangt zu werden? Der Status als Linke/r ist eine Aussage und eine Mahnung, dass die Gesellschaft sich verbessern muss, und der Linke-Status ist eine Erklärung, ein Teil des Verbesserungsprozesses zu sein.

Weitere Informationen und Kontakt:

Internet: www.rose-folson.de

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