„Irgendwo in Hohenlohe“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden dreißigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind vollkommen frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XXX Recht
… schwer seufzend stieg er aus dem Wagen und stand unschlüssig im Hof herum. An Schlaf war jetzt sowieso nicht zu denken, der Tag mit Paula hatte ihn bis auf den tiefsten Grund seiner Seele aufgewühlt. Und so ging er noch ein paar Schritte im Garten auf und ab und kam ins Grübeln. Es war für Carl Eugen Friedner stets offensichtlich gewesen, wo die Wahrheit endete und die Lüge begann. Doch nun überfielen ihn erhebliche Zweifel, ob er in seinem Leben alles richtig gemacht hatte. Gerade ihm, dem es früher immer so einfach gefallen war die Wahrheit zu finden und die Unwahrheit zu entlarven.
Vor Intrigen schützen
Dazu fiel ihm plötzlich eine längst vergessene Geschichte ein, bei der er einst, wie so oft, kaum eine Gelegenheit ausließ, anderen – berechtigt oder unberechtigt – ihre Verfehlungen vorzuhalten. Er erinnerte sich an jenen Samstag vor vielen Jahren, als er noch versuchte, Paula vor den Intrigen zu schützen. Damals fuhr er zum Einkaufen in die Kreisstadt. Es war ein schöner Morgen und die Sonne strahlte vom blauen Himmel. Carl freute sich schon auf dem Weg zum Marktplatz, dass er nach getanem Einkauf bei Paula einkehren und eine beschauliche Weile bei ihr verweilen konnte.
Unvermittelter Disput
Als er nach passenden Gemüsen zum Sonntagsbraten Ausschau hielt, fiel ihm wieder einmal bei einem der heimischen Anbieter das Schild „Obst und Gemüse aus eigenem Anbau“ auf. Es war ihm schon lang ein Dorn im Auge, dass Gerhard Schönhofer unter diesem Schild seinen Marktstand mit Produkten aus aller Welt bestückte. Nicht nur die glänzend roten Paprika waren aus Marokko, auch die reifen Zitronen wurden mit einem Hinweis auf das Herkunftsland Italien feilgeboten. Langsam flanierte Carl am Stand entlang und sammelte im Geist Beweise für seinen Angriff. Zu diesem ging er auch ohne zu zögern über, als er Schönhofer von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Vom guten Wetter beschwingt fühlte er sich in bester Streitlaune und fing unvermittelt einen Disput mit dem unbescholtenen Bauern an.
Arbeitsintensive Bioqualität
Schönhofer kannte diese Sorte von Angriffen auf seinen Verkaufsstand. Spitzfindige Käufer diskutierten immer wieder mit ihm über sein Angebot, das doch so gar nicht aus der Heimat sei. Fragen wie, seit wann denn gelbe Zitronen auf den noch verschneiten heimischen Streuobstwiesen reifen würden, und wo er denn die neuen Kartoffeln zum Badischen Spargel herbringe, waren noch harmlos. Die arbeitsintensive Bioqualität wurde dabei sowieso vom Tisch gewischt. Kaum einer dieser ewigen Nörgler machte sich die Mühe sich mit ihm über die strengen Anbaurichtlinien in anderen Ländern zu unterhalten. Pauschal wurde alles abgetan und den Biobauern die gleichen Verkaufsstrategien konventioneller Supermärkte unterstellt. Dort hinterfragte solche Kundschaft nicht, ob die Bezeichnung „Bio“ auch der Wahrheit entspricht.
Lautstarke Diskussion
An diesem Morgen jedoch verlief die Diskussion mit dem scharfsinnigen Carl Eugen ungewöhnlich hart und dauerte ziemlich lang. Schönhofer kannte Herrn Friedner nur vom Hörensagen und als eher seltenen Kunden vom samstäglichen Wochenmarkt. Mit freundlichen Worten versuchte er zu erklären, dass sein Schild sowohl auf seine heimischen Produkte aus der eigenen Landwirtschaft hinweisen soll, er aber gleichzeitig Waren aus anderen biologisch anbauenden Betrieben – auch aus dem Ausland – zukauft. Diese seien aber selbstverständlich deutlich gekennzeichnet. Als kaufmännisch Denkender würde er natürlich die Wünsche seiner biologisch orientierten Kunden befriedigen wollen und könne das eben nicht mit einem reduzierten Angebot. Carl wollte die Erklärungen des Landwirts nicht hören, ihm war es wichtig den Widerspruch deutlich zu machen. Die schön aufgeschichteten und fair gehandelten Bananen kamen ihm da gerade recht, eine lautstarke Diskussion unter dem Schild zu entfachen.
Belustigtes Publikum
Dass mittlerweile viele Leute um den Marktstand von Schönhofer stehen geblieben waren und den Disput belustigt verfolgten, störte Carl wenig. Er war es gewöhnt, sich vor aufmerksamem, auch kritischem Publikum auszubreiten, gerade um recht zu behalten. Schönhofer jedoch bediente sich lediglich sachlicher Argumente. Setzte auf einen ehrlichen Meinungsaustausch, auch wenn er damit den Kürzeren gegen den geschulten Redner zog. Irgendwann ließ Carl von ihm ab. Schönhofer stand hinter seinen Worten und seine Gegenreden waren gut, das musste er dem aufrechten Bauern insgeheim doch lassen. Und er wollte noch unbedingt zu Paula. Daher steuerte er mit seinem gefüllten Korb die nächstgelegene Treppe die Stadt hinunter an. Damals war ihm der kleine Streit keinen weiteren Gedanken mehr wert – heute würde er sich zurückhalten.
Ewige Rechthaberei
Inzwischen war es kalt geworden, Carl fröstelte und er ging ins Haus. Ein heißer Tee mit Honig würde ihm sicherlich gut tun. Als Carl in seiner dampfenden Tasse rührte, fragte er sich, ob er womöglich nicht nur Paula mit seiner ewigen Rechthaberei auf Distanz gehalten hatte? Ob er mit Paula über seine Erkenntnisse reden könnte? Oder interessierte sie sich nur noch für die unguten Dinge aus ihrer Vergangenheit?…. Fortsetzung folgt.
Eine Immobilie verloren?
Sollte sich jemand aus der Leserschaft, durch die Beschreibung der Machenschaften daran erinnert fühlen, wie eine Immobilie verloren gegangen ist, können sich diejenigen gerne an die Autorin wenden.
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