Wegen der Flüchtlingssituation im Schloss Kirchberg/Jagst hat Christine Österlein einen offenen Brief an Landrat Gerhard Bauer und Schlosseigentümer Rudolf Bühler (Stiftung Haus der Bauern) geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Brief in voller Länge. Wegen der besseren Lesbarkeit hat die Redaktion Zwischenüberschriften eingefügt.
Offener Brief von Christine Österlein, Kirchberg/Jagst
Sehr geehrte Herren,
wir haben es im Schloss Kirchberg mit geflohenen Menschen aus Kriegsgebieten zu tun. Diese Menschen befinden sich noch im Krieg, da sie in Kontakt mit Angehörigen und Freunden stehen. Sie sorgen sich um ihre Angehörigen, da täglich weitere Menschen im Kriegsgebiet verschwinden und umkommen.
Statt des Rosenbeetes ein Ruheplatz mit Sand
Ich bitte Sie beide, Herr Landrat Bauer und Herr Bühler, ab sofort um eine gute Zusammenarbeit was die Versorgung der Flüchtlinge im Schloss angeht. Ich bitte darum, dass jetzt endlich im vorderen Innenhof anstatt des Rosenbeetes ein Ruheplatz mit Sand, elektrisch abgesichertem Wasser im Brunnen und einfachen Liegestühlen unter einem Sonnensegel eingerichtet wird. Dann haben die Kinder was zu buddeln und die Erwachsenen können sich ausruhen. Das ist eine einfache, kostengünstige und in zwei bis drei Tagen umsetzbare Lösung. Dadurch könnte ein interkultureller Treffpunkt für Begegnung und Austausch im Schloss entstehen. Die deutsche Sprache lernt sich ja bekanntlich am schnellsten im direkten Kontakt mit deutschsprechenden Mitbürgern. Ich stelle mir eine Art Sommerlounge im Schatten vor. Das muss ja nicht ewig so bleiben, wäre aber endlich ein Antwort auf die turbulente Stimmung im vorderen Innenhof.
Professionelle traumatherapeutische Versorgung wäre wichtig
Zudem bitte ich darum, dass alle Flüchtlinge im Schloss auf eine posttraumatische Belastungsstörung hin untersucht werden. Dafür muss eine erfahrene Fachkraft ins Schloss kommen. Es ist unrealistisch, dass die Flüchtlinge aus eigener Kraft zu den entsprechenden Ärzten für diese Atteste gelangen, wie vom Landratsamt vorgesehen. Die Folgekosten steigen in die Höhe, denn die professionelle traumatherapeutische Versorgung in den ersten Zeiten nach dem Trauma sind entscheidend für den Erfolg.
Zu wenige Traumatherapieplätze
Im Landkreis Schwäbisch Hall stehen nicht ausreichend Traumatherapieplätze zur Verfügung und die Anfahrtswege und Wartelisten sind sehr lang. Die Anstellung einer Psychologin oder Ärztin mit Erfahrung mit traumatisierten Flüchtlingen scheint für die Stadt Kirchberg unumgänglich. Auch als Ansprechpartnerin für die Ehrenamtlichen, da die Themen, die diese Menschen mitbringen, belastend sind.
Therapeutin einstellen
Herr Bühler, wäre es nicht ein weiteres Zeichen der guten Zusammenarbeit, wenn sie nach Frau Hofmann ab sofort diese Traumatherapeutin einstellen bis ihre Finanzierung geklärt ist?
In Anschlussunterbringung umwandeln
Herr Landrat Bauer, es ist für diese traumatisierten Menschen auch nicht zumutbar nochmals umzuziehen, außer auf eigenen Wunsch hin. Viele hatten so viele Lebensorte in den vergangenen Jahre, dass man gar nicht mitzählen kann. Auch innerhalb Deutschands mussten sie alle paar Monate umsiedeln, aber das wissen Sie ja selbst. Ich bitte daher um die Umwandlung beider Erstunterkünfte im Schloss in Anschlussunterbringungen, damit die Menschen endlich zur Ruhe kommen können. Die Kirchberger Bürger haben ohnehin geäußert, dass sie nicht ständig neue Flüchtlinge verkraften. Könnten die Familien bleiben, würde auch die von den Kirchbergern geleistete Beziehungsarbeit Anerkennung finden und man könnte diese Ressourcen weiterhin nutzen und ausbauen.
Es fehlt an Deutschunterricht für die Eltern
Abschliessend möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Hierarchie in den Familien momentan zusammenbricht und bei der aktuellen Versorgungslage langfristige Folgekosten zu erwarten sind. Wie kam es dazu? Fast keine Eltern sprechen die deutsche Sprache. Die Kinder müssen den Eltern übersetzen und finden sich wesentlich besser in unseren Srukturen zurecht als die Eltern. Grund hierfür ist fehlender Deutschunterricht und Betreuung der Eltern. Es wird Deutschunterricht mit Kinderbetreuung benötigt, da nicht alle Kinder Kindergartenplätze haben. Wir können nicht erwarten, dass die Mütter sich bei der Anzahl von Kindern noch gegenseitig die Kinder hüten. Sie müssen sich endlich von den Strapazen der Fluchtjahre erholen können.
Väter müssen Verantwortung übernehmen
Mit manchen Vätern müsste man kontinuierlich intensiv daran arbeiten, dass sie lernen Verantwortung für ihre Familie zu übernehmen. Ich habe gemeinsam mit Frau Casanova Konzepte für Projekte diesbezüglich vorgelegt. Interkulturelle Gewaltpräventionskonzepte für alle Frauen und Mädchen brauchen wir in jedem Fall. Ich kann Ihnen gerne Kontakte zu gut laufenden Projekten in der Flüchtlingshilfe vermitteln, um geeignete Mitarbeiterinnen mit Erfahrung zu finden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Christine Österlein