Der SPD-Kreisverband Schwäbisch Hall hat in seiner Kreismitgliederversammlung am 12. September 2018 einen Antrag beschlossen, der beim Landesparteitag am 24. November 2018 in Sindelfingen vorgelegt werden soll. Bei dem Antrag geht es um den Fortbestand der Historischen Kommission beim Bundesvorstand der SPD. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Antrag des SPD-Kreisverbands Schwäbisch Hall in voller Länge.
Von Nikolaus Sakellariou, Vorsitzender des SPD-Kreisverbands Schwäbisch Hall
SPD in drei politischen Systemen verboten
Im Zuge der Aufarbeitung des letzten SPD-Bundestagswahlergebnis wurde deutlich, dass 55 Prozent aller Wählerinnen und Wähler und sogar 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler der SPD-Zielgruppe kaum Unterschiede zwischen CDU und SPD mehr erkennen konnten. Der Grund liegt sicher auch darin, dass wir schon (zu) lange in großen Koalitionen arbeiten und uns deshalb schwertun, unser eigenes Profil deutlich zu machen. Dabei haben wir ein ganz eindeutiges Unterscheidungsmerkmal zu allen anderen politischen Parteien in der Bundesrepublik. Wir sind nicht nur die älteste und größte Partei. Wir sind zudem die einzige Partei, die sowohl im Deutschen Reich (Sozialistengesetze 1878 bis 1892), im Dritten Reich (1933 bis 1945) und in der DDR verboten war und die Genossinnen und Genossen trotzdem weiter gekämpft immer im Untergrund durchgehalten haben, um sich im Anschluss neu bzw. wieder zu gründen.
Es fehlt historische Bildung
Diese Erfahrung hat keine andere Partei! Diese Erfahrung prägt uns auch in der tagespolitischen Arbeit im Gemeinderat, im Kreistag und in den sonstigen Gremien. Diese Haltung macht uns unverwechselbar. Worunter unsere derzeitige Gesellschaft leidet, ist ja vor allem, dass es ein weitverbreitetes Gefühl gibt, dass der „status quo“ an Rechtsstaatlichkeit, an Sozialstaat und an Arbeitnehmerrechten „gottgegeben“ und „unveränderbar“ sei und uns nicht mehr genommen werden könnte. Nur deshalb erklärt sich, dass so viele glauben, sie könnten bei Wahlen ihr Mütchen kühlen, rechtsextreme Parteien wählen oder gar nicht mehr zur Wahl gehen. Kurzum: Es fehlt historische Bildung und historisches Bewusstsein: Das Bewusstsein, dass alle diese Errungenschaften von unseren Vorfahren schwer und blutig erkämpft werden mussten und dass es die SPD war, der wir dies alles zu verdanken haben.
Historische Kommission von Willy Brandt eingerichtet
Dass wir in Zeiten der fehlenden Unterscheidbarkeit ausgerechnet dort sparen wollen, wo unser echtes Alleinstellungsmerkmal herausgearbeitet werden kann, ist mir völlig unverständlich. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Befassung und Bearbeitung unserer historischen Rolle und der historischen Bezüge! Im Jahr 1981 wurde die Historische Kommission von Willy Brandt eingerichtet. Wo ist dieses Bewusstsein heute, wo Despoten auf der Welt und sogar in Europa häufig durch Wahlen an die Regierung kommen, oder wenn die AfD in Sachsen die zweitstärkste politische Kraft ist? Historisch war es eine extrem wichtige Weichenstellung für Deutschland, dass sich vor über 155 Jahren Menschen unter der Fahne der SPD zusammengeschlossen haben, um für Arbeitnehmerrechte, gleiches Wahlrecht für alle und die Befreiung der Arbeiter und der Frauen – auch unter hohem persönlichen Risiko – zu kämpfen. Die Ostpolitik von Willy-Brandt war entscheidender Impuls für die spätere Überwindung der Blöcke und auch die Überwindung der deutschen Teilung wäre ohne Erhard Eppler und dem gemeinsamen Papier der Grundwertekommission der SPD und der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED mit dem Titel „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ nicht so früh voran gekommen.
Freiheit, Gleichheit und Solidarität
Nur wer weiß das heute alles noch? Wer weiß noch, dass auf deutschem Boden schreckliches Unrecht begangen wurde, und dass es u.a. Sozialdemokraten waren, die dafür verantwortlich sind, dass wir heute in einem Staat leben, der Freiheit, Gleichheit und Solidarität lebt, anstatt auszugrenzen? Deshalb müssen wir uns jeden Tag neu auf unsere Geschichte besinnen, uns damit befassen, darüber debattieren und dafür sorgen, dass diese historische Stimme immer wieder erhoben wird! Deshalb beantragen wir, die Historische Kommission beim SPD Bundesvorstand zu erhalten, bzw. wieder zu errichten.
Das Ergebnis der Abstimmung bei der SPD-Kreismitgliederversammlung für den Antrag:
Ja-Stimmen: 13
Nein-Stimmen: 1
Enthaltungen: 0
Weitere Informationen und Kontakt:
Kommentare in verschiedenen Medien zum Thema „Abschaffung der Historischen Kommission der SPD“:
https://www.freitag.de/autoren/michael-jaeger/geschichte-wird-gemacht
Ich bleib dabei: Die Idee mit der Geschichte ist gut. Denn mit Zukunft wird das wohl nichts mehr mit dieser Partei.
Zur Untermauerung und Ergänzung hier noch einen kleinen Hinweis von einem der Granden des deutschen politischen Journalismus: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-in-der-krise-diese-partei-ist-am-ende-kolumne-von-jan-fleischhauer-a-1229131.html