„Irgendwo in Hohenlohe“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden dreiundfünfzigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
LIII Hohenlohe
… Ja, daran erinnerte sich Paula nur zu gut. Ihr bereitete jedoch die Erinnerung an diesen unablässigen Ansturm auf ihre Werkstatt freilich keinerlei Freude. Düster blickte sie Carl an: „Was grinst du da so, das war furchtbar für mich!“ „Du hättest dem Dreist damals eine Art von dauerndem Aufenthaltsrecht verpachten sollen“, spottete Carl nun seinerseits, „für seine ungebetene notorische tägliche Anwesenheit hätte er eigentlich Eintritt zahlen müssen. Ich weiß, heute kann ich mich lustig darüber machen, damals war es für dich bedrohlich und auch ich habe mir ernsthafte Sorgen um dich gemacht.
Belagert
Paula schaute immer noch finster. In ihrer Erinnerung an diese Zeit verging ein Tag so schlimm wie andere in der ausweglosen Situation. Bevor endlich ihr Onkel Ewald eingriff, hatte man sie von der Bank aus regelrecht belagert und feuerte aus vollen Rohren auf sie. Dreist suchte immer wieder den telefonischen Kontakt und kam unangemeldet vorbei, um ihr dann irgendwelche Papiere vorzulegen, die sie unterschreiben sollte. An ruhiges Arbeiten im Atelier war überhaupt nicht zu denken, was aber wichtig gewesen wäre, weil durch die neuen ansprechenden Räume viele Kunden hinzugekommen waren, und sie viel dringender an der konzentrierten Bearbeitung ihrer Aufträge hätte bleiben müssen.
Herzerfrischende Emma
Gute Erinnerungen hatte sie an ihre damalige Mitarbeiterin Emma Oberle. Die junge Emma hatte ihre Ausbildung zur Fotografin bei Paula Engel absolviert und wollte nach der erfolgreich abgelegten Gesellenprüfung noch bleiben. Sie war eine lebenslustige Frau, die es gut mit der Kundschaft konnte und über ein erstaunlich gutes Erinnerungsvermögen verfügte. Haarklein beschrieb sie Paula stets jeden Besucher, der den Ladenraum betrat und notierte bei Anrufen peinlich genau alles, was man ihr auszurichten auftrug. Sie ahmte alle Gesten und besonders den Tonfall der Menschen derart exakt nach, dass man gar nicht anders konnte, wie bei ihren Beschreibungen der bekannten Ladenbesucher, amüsiert Beifall zu klatschen. Innerhalb kürzester Zeit war ohne Namensnennung klar, wer gemeint war. Die herzerfrischende Emma war also für Paula, während der nervenaufreibenden Belagerungszeit, mehr als nur eine zuverlässige Vertretung. Paula konnte außerdem ohne weiteres ihren Kunden Hausbesuche zusagen und jederzeit zu einem Spaziergang oder kleinen Ausflug aufbrechen, wenn sie der andauernden Bedrängnis durch die Bankvertreter entfliehen wollte.
Unter Druck
Carl Eugen zog damals, kurz vor der Zuspitzung des unguten Verhältnisses zwischen Paula und dem Kreditinstitut, wegen Ablauf des Mietvertrages aus seiner Kanzleiidylle in der Weilervorstadt aus. Paula bot ihm zwar in ihrem Haus für seine Kanzlei eine Etage an, aber Carl war die Umgebung im Tal der Kreisstadt, doch zu eng und er wollte wieder auf weite Felder und Wälder schauen, wenn er vom Computer aufblickte. Zudem war ihm klar, dass man Paula über kurz oder lang derart unter Druck setzen würde, dass sie nicht mehr selbst über ihr Eigentum würde verfügen können.
Belagerung
So verlegte er seine Kanzleiräume auf die in Richtung Osten gelegene Hochebene. Von dort aus war sein Heimweg kürzer und er war zugleich die Probleme mit der ewigen Stellplatznot in der Innenstadt los. Carls Mutter war stark pflegebedürftig geworden und er wollte die täglich zu bewältigenden Strecken so gut wie möglich verkürzen. Diese praktische Lösung führte aber dazu, dass Paulas Laden nicht mehr automatisch auf seinen Wegen innerhalb der Stadt lag. Somit musste Carl Eugen seine Besuche bei Paula unter der Woche regelrecht vorausplanen. Emma Oberle hatte samstags, außer wenn Hochzeiten angesagt waren, frei. Dann war Paula allein in ihrem Geschäft und Carl hatte es sich angewöhnt nach seinem obligatorischen Marktgang am Samstag, bei Paula nach dem Rechten zu sehen. Paula zeigte ihm ihre Freude über seine Treue aber nur verhalten. Sie war ziemlich beleidigt, weil er ihr Angebot das Stockwerk, das über ihren eigenen Geschäftsräumen lag, zu beziehen, nicht angenommen hatte. Nur ein einziges Mal versuchte sie eine Verabredung für das Wochenende zu arrangieren, aber er beantwortete ihre hübsch gestaltete Einladung nicht. Trotzdem meinte sie deutlich zu spüren, dass Carl sie gerade samstags nur ungern wieder verließ. Jedoch nützte sie seinen Besuch, wenn keine Kundschaft zugegen war, ihm wenigstens über die fortgesetzte Belagerung zu berichten.
Hilfsangebot
Carl war nicht wohl bei dem Gedanken daran, was man mit Paula veranstaltete und so wollte er ihr ein ausgeklügeltes Hilfsangebot vorlegen. Da es in seinem eigenen Anwesen, das er lediglich mit seiner Mutter und dem Knecht teilte, Platz genug hatte, dachte er sich, einen Teil davon Paula anzubieten. Auf eine Pacht oder Miete war er nicht angewiesen, seine Schwestern waren ausbezahlt und er konnte mit seinem Vermögen tun und lassen was er wollte. Eine symbolische Summe als Kostenbeitrag hätte genügt und es wäre lediglich der Aufwand des vorläufigen Umzugs für Paula geblieben. Aber selbst dafür hatte Carl sich einige Varianten zur Unterstützung überlegt. Die Möglichkeiten in den ehemaligen Wirtschaftsräumen seines Erbes waren so ergiebig, dass Paula sich für ihr künstlerisches Wirken sogar das Stockwerk hätte aussuchen können. Tageslicht durchflutete natürlich die oberen Räume besser, doch auch die arbeitstechnischen Gründe für die Auswahl der in Frage kommenden Räume wollte er vollkommen Paula überlassen. Jedenfalls war der zur Verfügung stehende Platz so umfangreich, dass ein Atelierbetrieb ohne weiteres möglich gewesen wäre. Man hätte sich weder gegenseitig gestört noch hätte jemand eine Einschränkung der Quadratmeterzahl hinnehmen müssen. Und Paula Engels Kunst wäre dort vollkommen konkurrenzlos gewesen – es gab niemanden in der Nähe mit dem sie sich hätte im Wettstreit anlegen müssen. Das kleine Städtle vor dessen Toren Carls Anwesen stand, entwickelte sich zum beliebten Touristenziel und ihr Einkommen wäre gesichert gewesen.
Kämpfe
Die Rückkehr in ihre geerbten städtischen Räume hätte man im Auge behalten können. Und wenn die Kämpfe ausgestanden und die Wogen sich geglättet hätten, wäre ja auch eine Art >sowohl in der Stadt als auch auf dem Land Betrieb< möglich gewesen … Fortsetzung folgt
Wer hat auch schon eine Immobilie verloren?
Sollte sich jemand aus der Leserschaft, durch die Beschreibung der Machenschaften daran erinnert fühlen, wie eine Immobilie verloren gegangen ist, können sich diejenigen gern an die Autorin wenden.
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