„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte aus Hohenlohe von Birgit Häbich: Der Episoden dritter Teil

„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte zu „Irgendwo in Hohenlohe“ von Birgit Häbich: Der Episoden dritter Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.

Von Birgit Häbich

III Schtrom

… es klingelte, das müsste jetzt Heiner sein. Paul stand schwerfällig auf und schleppte sich mit schlurfendem Schritt zum Fenster, um nachzusehen, wer unten stand. Ja, es war Heiner, ihr dritter Mann, der sich nun demnächst zu ihnen gesellen würde. Paul betätigte den Türöffner und nickte Carl kurz, eher mit den Augen als mit dem Kopf zu. Mit den knappen Worten: „Mach ihm bitte auf“, hinkte Paul Richtung Bad. Und Carl ging durch die kleine Diele zur Wohnungstür, um den gemeinsamen Freund hereinzulassen.

Männerfreundschaft

Carl Eugen Friedner blickte besorgt zu dem Freund hinab und fragte sich im Stillen, wie lange Heiner noch solche Treppen erklimmen würde. Seine beiden Freunde bauten in letzter Zeit sehr schnell ab, gerade jetzt wo sie sich endlich so gut kannten, dass man wusste wie der andere eine Bemerkung auffassen würde, wo nicht mehr jedes Wort auf die Goldwaage gelegt würde, um eventuelle, womöglich sogar gezielt geäußerte Beleidigungen herauszulesen, welche man dann mit spitzfindigen Kommentaren erwidern würde. Nein, diese Zeiten waren vorbei, sie hatten sich zu dritt eine haltbare Männerfreundschaft aufgebaut.

Firlefanz

Heiner, der früher mindestens zwei Treppenstufen auf einmal nahm, hatte die Linke am Handlauf und mit der Rechten stützte er sich auf einen Stock, um sich Stufe um Stufe zu ihm hochzuarbeiten. „Mensch, diese alten Treppenhäuser“, schimpfte er, „und alle immer noch ohne Aufzug. Sollte verboten werden, wo wir Strom ohne Ende erzeugen könnten, um ihn dann verschwenderisch für allen lebenserleichternden Firlefanz zu verbrauchen“. Zur Erholung machte er eine kleine Pause und stellte dabei eine seiner üblichen, sich selbst beantwortenden rhetorischen Schachtelsatzfragen: „Kann es möglich sein, in so ein großes Treppenhaus einen Treppenlift einzubauen? Wenn ja warum gibt es noch keinen? Wenn nein, hat man das seither nur wegen der Möglichkeit, dass eventuell der Strom ausfällt, und man dann in der Wand stecken bleibt, unterlassen?“ Und schnaufte sich Stufe für Stufe weiter in Richtung erstem Stock.
Mit seiner üblichen dröhnenden Begrüßung: „Hallo Carl“, erklomm Heiner die letzte Stufe und nahm Carl Eugen Friedner, in seiner gewohnten herzlichen Art, fest in die weit geöffneten Arme. Carl freute sich, Heiner wiederzusehen und war erleichtert über dessen unverwüstlichen Frohsinn. Er würde ihm helfen, Paul von seinen trüben Gedanken weg, zu ihrer genussvollen Männerrunde hinzustimmen.

Regenerative dezentrale Stromerzeugung

Wie Paul, war Heiner Grün, ein studierter Pädagoge, hatte aber sein Lehrerdasein schon bald an den Nagel gehängt, um sich voll und ganz der regenerativen dezentralen Stromerzeugung zu widmen. Heiner Grün war einst Realschullehrer. Er unterrichtete Physik und setzte auf die heranwachsende Jugend, welche sich dann für eine bessere Welt einsetzen sollte. Heiner gab seine Lehrtätigkeit in den Siebzigern für die Gründung seiner Energiefirma auf, er wollte effektiver für die Zukunft arbeiten.
Es erschein ihm nicht möglich, was ihm vorschwebte, mit erzieherischen Predigten an Jugendliche zu erreichen. Es ging ihm nicht schnell genug seine Überzeugung als Lehrperson über langwierige Schuljahre und Legislaturperioden* hinweg und durch- und umzusetzen – er lebte für die Idee der dezentralen Stromerzeugung durch regenerative Energie, welche demokratisch und in Bürgerhand verwaltet werden sollte. Heiner gehörte zu den überzeugten Vorreitern der grünalternativen Szene, die sich bereits für einen schonenden Umgang mit unserem Erdball einsetzten, als andere Leute noch kniefällig an die saubere atomare Technik glaubten.

Herzerkrankungen und Schlaganfälle

Paul Malibo, Heiner Grün und Carl Eugen Friedner lernten sich vor einigen Jahren bei einer Informationsveranstaltung zur Nachsorge von Herzerkrankungen und Schlaganfällen in der Meziklinik im Luftkurort Hoheitshausen im Schwarzwald kennen und verstanden sich auf Anhieb. Machten lange gemeinsame Spaziergänge auf den vielen Wanderwegen der Gegend und genossen ihre ausgiebigen gepflegten Unterhaltungen. Sie waren alle drei Nachkommen tüchtiger Eltern, Handwerker, welche Wert auf eine gute Bildung ihrer Söhne legten. Daher genossen sie in den sechziger und siebziger Jahren den Vorteil einer höheren Schulbildung.

Glaubensgemeinschaft

Bei Heiner und Carl machten mehrschichtige gesundheitliche Probleme langwierige Krankenhausaufenthalte nötig. Und so wurden sie zur sogenannten „Reha“ nach Hoheitshausen, in die gute Höhenluft des mittleren Schwarzwaldes geschickt – Paul beteiligte sich lediglich ambulant an den auferlegten Nachsorgeterminen. Er lebte schon jahrelang in der in Hoheitshausen ansässigen Glaubensgemeinschaft, da seine Tochter Gisléne dort die zugehörige christliche Schule besuchte. Und weil Paul seine Tochter keinesfalls lange alleine lassen wollte, kam für ihn nur eine Maßnahme an seinem Wohnort in Hoheitshausen in Frage.

Künstler in der „Karinakrise“

Als Heiner sich an den Esstisch im Wohnzimmer gesetzt hatte, ging Carl in die Küche, um weiteres Bier und Knabbereien für den Männerabend zu holen. Plötzlich kam ihm seine geliebte Paula in den Sinn. Wie ging es ihr wohl jetzt, jetzt wo die „Karinakrise“ alle Künstler schwer in ihrer Existenz treffen würde. Man hatte kurzerhand sämtliche Theater, Musik- und Kulturveranstaltungen verboten. Die Kunstschule an der Paula mitwirkte, war geschlossen worden. Er würde sich nach seinem Ausflug in den Schwarzwald, sofort mit ihr in Verbindung setzen. Vielleicht brauchte sie gerade jetzt seine Hilfe … Fortsetzung folgt.

*Legislaturperioden: Wahlperioden, Gesetzgebungsperioden, Amtsperioden der jeweiligen gewählten, gesetzgebenden Volksvertretung (Parlament), die Dauer beträgt je nach dem gesetzlich festgelegten Zeitraum, der Landtag von Baden- Württemberg hatte eine Legislaturperiode von früher vier, jetzt von fünf Jahren

Kontaktaufnahme zur Autorin ist möglich unter folgender E-Mail-Adresse:

b.haebich@web.de

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