„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden siebter Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
VII Karinalogie
… „Carl, das musst du unbedingt wieder in Ordnung bringen!“ Die Worte des Freundes hallten in Carl Eugen Friedner noch lange nach. In Ordnung bringen, ja, er müsste sich unbedingt mit Paula in Verbindung setzen. Aber gerade jetzt, wo diese unsägliche >Karinakrise< das ganze Leben komplizierter machte, wäre es sicherlich noch schwieriger mit Paula zu reden und ihr nochmals versuchen zu erklären, wie das damals war. Und vor allem, warum er nach der gut gelungenen Wiederaufnahme ihrer Liaison vor ein paar Jahren, wiederum einen Rückzieher gemacht hatte. Carl seufzte, es war zu schwierig, er musste in Ruhe daheim und bei einer Tasse Brennnesseltee darüber nachdenken.
Betrug
Paul, Heiner und Carl hatten, weit nach Mitternacht, ihre Männerrunde bei Paul in Hoheitshausen beendet. Mit Diskussionen über Pauls schreckliche Eröffnungen und seinem eigenen, genauso wenig glorreichen Bekenntnis, als Steuerberater und Rechtsanwalt an einem Betrug beteiligt gewesen zu sein, verging unbemerkt die Zeit. Aus Solidarität mit Carl, der nachher fahren würde, gingen sie bald dazu über, sich anstatt des feinen Gerstensaftes, Sprudel aus Glasflaschen, Wasser aus der Leitung, welches in Hoheitshausen noch relativ gut schmeckte, und Apfelsaft zum Schorle* in Gläser zusammenzuschütten. Da man wegen den herrschenden Auflagen, der so genannten Kontaktsperre*, Paul in keine Schwierigkeiten bringen wollte, brachen er und Heiner noch in der Nacht zur Heimfahrt auf. Die beiden hatten Hoheitshausen schon lange hinter sich gelassen und Carl fuhr gemütlich mit hundert Kilometer pro Stunde auf der A81 in Richtung Stuttgart, als Heiner von rechts hinten bemerkte: „Mensch, so schnell kann sich alles ändern.“ Carl Eugen Friedner war vertieft in seine Gedanken an seine Paula, er hörte dem Freund nur mit halbem Ohr zu und kommentierte Heiners wehmütig klingenden Satz lediglich mit einem kurz gebrummten: „Hm“.
Anschlag
Heiner Grüns Bemerkung aber lenkte seine Gedanken von dem geschehenen Betrug, dem Anschlag auf Paula Engel und von seinem schlechten Gewissen ab, und Carls Überlegungen wendeten sich der derzeitigen Situation zu. Wie sollte das alles nur weitergehen? Paul hatte von empfindlichen Geldstrafen, welche gegen Jugendliche verhängt wurden, erzählt. Strafe zahlen für das, was die Jugend eben tun wollte und sollte? Weil sie sich zu mehreren trafen? Gemeinsam unterwegs zu sein, war aus seiner Sicht sogar eine Pflicht für Jugendliche und junge Erwachsene! Wie sollten sie sonst die Welt um sich herum erkunden? Und vor allem, wie sollten sie sich mit Vorbildern messen? Gerade beim Sport, in der Kunst, und um sich im täglichen Leben durchzusetzen gegen Gleichaltrige und selbstverständlich gegen Erwachsene und Autoritäten, musste man ihnen Raum und Angriffsfläche geben. Sie mussten ihre Identität zwar auch alleine, aber besonders im miteinander und nebeneinander, bilden und erkämpfen können. Wo sollten sie sonst den Zusammenhalt lernen, den eine Gesellschaft, gerade zur Gestaltung einer besseren Zukunft, bitter nötig hat?
Unverfrorenheit
Reichlich überflüssig fand Carl Eugen die Diskussion, ob nun Profikicker vor leeren Stadien Ball spielen sollten oder nicht. Warum wird überhaupt danach gefragt? Eine Überheblichkeit sonders Gleichen fand er das – wer fragt denn nach den vielen Kindern, die in der Sonne im Garten spielen wollten. Die Spielplätze, Tagestätten, Kindergärten und Schulen hat man ihnen verwehrt. Es gibt nicht genug gesunde und ungefährdete Lehrkörper, es findet keine ausreichende Bildung unseres Nachwuchses mehr statt, aber völlig überbezahlte Kraftmeier in aller Öffentlichkeit Mann gegen Mann antreten zu lassen, das war für Carl Eugen Friedner nun den Gipfel der Unverfrorenheit.
Mangel an Anstand
Aus seiner Sicht ließen es die Eliten an Anstand mangeln. Minister benutzten keinen Mund- und Nasenschutz, den sie zu tragen selber geboten. Reisten in der Weltgeschichte herum, in einer Zeit, in der sie anderen nicht einmal einen, seit Jahrzehnten üblichen und zur Alltagsbewältigung nötigen, kleinen Grenzgang in der europäischen Nachbarschaft erlaubten. Man redete an Pulten(,) lang und breit über solidarisches Verhalten, um einer Epidemie vorzubeugen, die Einschränkungen müssten eben sein, und so weiter. Aber das galt natürlich nur fürs Fußvolk, nicht für monetär Vermögende. Carl Eugen Friedner fand die derzeitige Isolationspolitik* nicht richtig und vermutete das blanke Machtstreben hinter den Einschränkungen der demokratischen Grundrechte. Mit undurchsichtigen, ja sogar falschen Behauptungen, um etwas Unliebsames durchzusetzen, kannte er sich ja schließlich gut aus. Musste es in seiner Praxis hin und wieder anwenden und hatte es ja auch gegen seine Paula angewandt. Es ist ganz einfach, man setzt sich einfach über berechtigte oder konstruktive Kritik hinweg und erklärt einen Notstand, zum Beispiel durch eine drohende Seuchengefahr. Bedrückend fand Carl es, dass man bereits seit langem um die Gefahr der Ausbreitung eines neuen Virus wusste, aber weder politische Größen, noch die neuerdings wie Pilze aus dem Boden sprießenden Immunologen, hatten auf diese Gefahr klar und deutlich hingewiesen, so dass entsprechende Vorbereitungen hätten getroffen werden können.
Lehrermangel
Carl Eugen Friedner resümierte, dass es zum Beispiel den beklagenswerten Lehrermangel in Baden-Württemberg nicht erst jetzt, sondern seit mehr als vierzig Jahren gibt – keine Landesregierung, egal welche Farbe sie hatte, hatte je etwas Grundlegendes unternommen, um genug Unterricht an allen Schulen zu gewährleisten. Und so fehlt es nicht nur an Berufsschulen neben genügendem Fachunterricht auch an Unterricht in Musik und Sport. Die Rate von weit mehr als zehn Prozent Analphabeten*, auch im Ländle, ist weitläufig bekannt. Es sollten nicht nur die eingewanderten Migranten vermehrt Deutsch lernen müssen. Man hatte in der Vergangenheit einfach viele drängende Probleme nicht gelöst, hatte sie schlicht und ergreifend ignoriert, und da kommt so ein Virus jetzt vermutlich grad recht … Fortsetzung folgt.
Erläuterungen:
*Schorle: Erfrischendes Mischgetränk, das aus Fruchtsaft (süß) oder Wein (sauer) und Wasser bzw. neutralem Sprudel (in seltenen Fällen auch mit süßem Sprudel) gemischt (werden) wird, heftig umstritten ist jedoch der richtige Artikel dazu, also der, die und, wie in Baden-Württemberg gern bevorzugt: (E)ein, bzw. das Schorle.
*Kontaktsperren: Mitte März 2020 wurden aus Angst vor Ansteckungen epidemischen Ausmaßes, der befürchteten „Corona-Pandemie“, ausgelöst vom Virus „Covid-19“ bzw. dem so genannten „Coronavirus SARS-CoV-2“, kurzerhand sämtliche öffentliche Einrichtungen in Baden-Württemberg geschlossen. In der Folge wurden den Menschen Kontaktsperren auferlegt, und es wurden viele der bis dahin geltenden demokratischen Grundrechte in ganz Deutschland außer Kraft gesetzt. Begründet wurde dies in der BRD mit Warnungen von Immunologen.
*Mund- und Nasenschutz: https://www.welt.de/politik/deutschland/article207253075/Coronavirus-Jens-Spahn- quetscht-sich-in-Uni-Klinik-Giessen-in-Aufzug.html
*Diskussion zum Betreiben von Sportveranstaltungen:
*Isolationspolitik bei drohender Seuchengefahr:
Interview in der taz am 18./19.April 2020 von Sabine am Orde mit Malte Thießen: https://taz.de/Historiker-Malte-Thiessen/!5676907/
*Die Gefahr einer Virusepidemie war seit 2003 vorausgesehen:
*Analphabetismus: https://www.lpb-bw.de/analphabetismus
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