„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden zwanzigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XX Schwindel
… Paula dachte nach: Was Carl ihr eröffnet hatte, war ihr nicht unbekannt. Sie las neben der heimatlichen Tageszeitung auch Artikel ausländischer Zeitungen und sah sich Videos mit Beiträgen zu aktuellen Themen im Internet an. Dabei stellte sie fest, dass der Unmut der Bevölkerung über die laschen Gesetze zu Verschmutzungen der Umwelt und vielfältigen Gefährdungen der Bevölkerung, überall anwuchs. Und ergänzte Carls Gedankengänge: „Wir werden mit giftigen Wolken voller Schwermetall berieselt, unsere Weltmeere sind mit Plastik zugemüllt, man bestrahlt und manipuliert uns mit Mikrowellen* und vom tropischen Regenwald ist bald nicht mehr viel übrig“, Paula machte eine Gedankenpause, in der sie sich auf ihre Worte besann, „wenn das so weitergeht, ruinieren wir unseren schönen blauen Planeten unwiederbringlich.“
Belustigt
Dann schwiegen sie beide eine lange Weile vor sich hin. Unvermittelt begann Carl Eugen plötzlich zu erzählen: „Weißt Du eigentlich, dass der Reinhold Sonner von Bühlerhausen, dem Bert Völler aufgelauert hat, um ihn auf frischer Tat zu ertappen?“ Paula runzelte die Stirn, “Nein!?“, resümierte aber sogleich: „Der Sonner hat dem Völler den Ranzen verschlagen? Ja, da habe ich ein Gerücht gehört.“ Und sie grinste Carl dabei belustigt an. Carl nahm seinen Altersgenossen sofort in Schutz: „Der Reinhold hat sich in aller Herrgottsfrühe auf die Lauer gelegt, um die Lieferungen mit dem billigen Fleisch an den Völler zu fotografieren. Damit wollte er beweisen, was er bereits seit Langem vermutete und beobachtete: Dass der Völler nämlich selber einen Haufen Dreck am Stecken hat. Dieser war gegen ihn, wegen dem angeblichen Etikettenschwindel zu den >Marmorierten Seilich< vorgegangen.“ Da Paula Engel aufmerksam schwieg, erzählte Carl zu Ende: „Dabei sind die alten Streithammel aneinandergeraten und der Reinhold hat sich halt nicht mehr beherrschen können.“ „Aber er hat die Strafe anerkannt und bezahlt, die man ihm aufgebrummt hat“, meinte Paula und lachte herzhaft, „wenn es nötig ist, jemand in aller Öffentlichkeit eine zu langen, halte ich so eine Genugtuung für vollkommen angemessen, Carl.
Gigantische Batterie
Und vor allem dafür, dass er den Sonner ständig diskreditiert hat. Ohne den Bühlerhäuser gäbe es die Struktur mit den vielen kleinen Landwirtschaften, der angegliederten Schlachterei, einer Käserei, Manufakturbetrieben und Verkaufsläden nämlich nicht. Das muss man ihm trotz jeder berechtigten Kritik hoch anrechnen!“ „Als Rechtsanwalt lehne ich dein handgreifliches Rechtsverständnis ab, Paula, man muss bei drohenden Straftaten friedliche Lösung anstreben und finden“, rügte Carl Paulas Rede zur Selbstjustiz. „Ach!“, entfuhr es da Paula; sie wollte zu einer Attacke auf Carl ansetzen, aber besann sich rechtzeitig; noch wollte sie nicht an die alten Wunden rühren und wechselte umgehend das Thema. „Hast du eigentlich schon von der gigantischen Batterie gehört, die man im Hohenlohe-Kreis bauen wird?“ Und Carl sprang tatsächlich umgehend auf den Themenwechsel an: „Das ist eine ganz logische Folge des Mangels an lokaler Selbstverwaltung in der regenerativen Stromversorgung. Daraus folgt automatisch eben auch der Mangel an gerechter Verteilung in der Hand der Bürger. Das Fehlen regionaler Strukturen der Mitbestimmung am umkämpften Strommarkt schließt ein, dass es dann irgendwo überdimensionale Umsetzungen von gigantischen Plänen gibt. Es wurden in zentralistischer Manier Windkraftanlagen in die Nordsee gepflockt. Zum Stromtransport in den Süden werden riesige Leitungen quer durchs Land gezogen und letztendlich muss die ankommende Energie schließlich auch noch irgendwo gespeichert werden.“
Gezielte Schwindeleien
„Damit man den Strom dann gewinnbringend ins Ausland verkaufen kann.“, ergänzte Paula spitzfindig und fragte nach: „Da wird zwar argumentiert dass man den Strom bei uns im Süden brauchen würde; aber wofür braucht man im Landkreis Hohenlohe derart viel Strom? Das ist doch auch wieder eine der gezielten Schwindeleien, damit die Bevölkerung still hält. Schließlich handelt es sich um zehn Fußballfelder Bodenfläche. Das muss man sich mit dem herrlichen Ausblick von Waldenburg her vorstellen. Es ist genauso so unvorstellbar wie die Haltung von bald zehntausend Schweinen in direkter Nähe zur Jagst, von der dein so nett vorgetragenes Gedichtle handelt.“
„Beides dient der Ausfuhr, für die man unsere Landschaft verschandelt und die Böden und das Wasser versaut. Die Exporteure mit Schlips und Kragen machen Kasse und die Bevölkerung und die anständigen Bauern bleiben mit dem Dreck zurück. Das sind die modernen verlogenen globalen Lösungen.“
„Rosenblütensorbet“
Mit diesen Worten stand Carl auf und holte einen kleinen Behälter aus dem Eisfach. Dann stellte er ihn behutsam auf den Tisch, legte zwei langstielige Löffelchen und einen Eiskugelformer dazu. „Sollen wir das Eis mit einem Holderzauber* in einem hübschen Glaskelch aufgießen?“ Er lächelte Paula dabei augenzwinkernd an, um sie von den trüben Gedanken des Gesprächs abzulenken, „Oder, lieber >Natur pur< genießen?“ „Was ist es Carl?“, fragte Paula interessiert. „Rosenblütensorbet“, erwiderte Carl Eugen und fügte mit nachdrücklicher Stimme laut und deutlich hinzu: „Und alles aus unserer noch einigermaßen sauberen Region!“ Nach einer Pause wandte er sich erneut an Paula: „Was ist? Willst du nun alkoholisiertes Blubberwasser?“, sah sie geradeheraus an und senkte die Stimme: „Für einen klaren Kopf, kann ich dir auch noch selber gemachten Johannisbeerensaft anbieten. Paula wählte Eis ohne etwas dazu und Carl formte schöne runde Kugeln. Er knipste in jeden geschwungenen Glaskelch zwei Kugeln, dann räumte er den Behälter zurück ins Gefrierfach und nahm wieder Platz.
Einmachen
„Machst du den Saft selber?“ fragte Paula, nachdem sie sich den ersten Löffel Eis genüsslich auf der Zunge zergehen hat lassen. „Ja!“, meinte Carl und strahlte voller Stolz, ich habe im Garten fünf Büsche schwarze Johannisbeeren und die haben letztes Jahr sehr gut getragen.“ „Hast du denn die ganzen Utensilien, die man zum Saft machen braucht?“, wollte Paula nun wissen, und Carl meinte: „Ja, die Küche ist noch genau in der Art ausgestattet, wie meine Mutter sie eingerichtet hat. Ich habe kaum Neues kaufen müssen. Es ist alles, was man zum Einkochen braucht vorhanden und kühle Lagerräume hat es ebenfalls genug. „Und woher weißt du wie das geht?“ wollte Paula dann wissen. Carl war irritiert von Paulas vielen scheinbar harmlosen Fragen. Seit wann wollte sie – die früher seine Häuslichkeit früher nur belächelt hatte und sein Interesse am Haushalt spöttisch kommentierte – so genau wissen wie es sich bei ihm mit dem Einmachen verhält? Hatte sie etwa ihr Verhalten geändert? Oder war sie jetzt bereit, mehr von ihrer sonst verborgenen Weiblichkeit zu zeigen? Carl fühlte sich auf einmal ziemlich unbehaglich und fragte sich was Paula da im Schilde führte? … Fortsetzung folgt.
Erläuterungen:
*Mikrowellen und Gesundheit mit 5G:
https://www.gesundheitlicheaufklaerung.de/warum-das-5g-netz-gefaehrlich-fuer- deine-gesundheit-ist/
*Seilich: Hohenloher Dialekt für Schwein bzw. Schweine
*Holdersekt: In Hohenlohe wird das alkoholarme Erfrischungsgetränk aus Holunderblüten einfach „Holdersekt“ benannt. Quelle:
https://www.holunderzauber.de/holunderzauber/