„Kampf um jeden Arbeitsplatz, der unter dem Deckmantel der Pandemie vernichtet werden soll“ – Rede von Gewerkschafter Siegfried Hubele in Schwäbisch Hall am 1. Mai 2021

Liebe Kolleginnen und Kollegen ich begrüße Euch im Namen des DGB Kreisvorstands Schwäbisch Hall,

zum 2. Mal findet unsere Mai-Kundgebung unter den Bedingungen der Covid-19-Pandemie statt. Wir haben wegen der Pandemie auch wieder auf die gewohnte Bewirtung und ein kulturelles Programm verzichtet, um die Abstandsregelungen und die Hygienemaßnahmen einhalten zu können.

Überlastung von Ärzten und Pflegekräften

Keine Frage: Covid-19 kostet Hunderttausenden das Leben. Angesichts überlasteter Intensivstationen ist entschiedenes Handeln in der Pandemie geboten. Sonst stehen Ärzte bald flächendeckend vor der Frage, wer eine intensivmedizinische Behandlung erhält und wer nicht, Pflegekräfte leiden zunehmend an Überbeanspruchung – werden selbst krank und Nachwuchs an Fachkräften wird es unter solchen Bedingungen immer weniger geben.

Kinder versauern im „Homeschooling“

Die aktuellen Maßnahmen gegen die Pandemie haben eine gravierende Schieflage: Sie betreffen fast ausschließlich das Privatleben. Die „Wirtschaft“ bleibt bei diesem Privat-Lockdown außen vor. Während Kinder wochen- und monatelang im „Homeschooling“ versauern, Millionen von so genannten Minijobs gestrichen sind, kleine Läden, Künstler und andere keine Arbeit haben – werden unsinnige Ausgangsverbote verhängt, andererseits laufen Fließbänder bei den Fleischkonzernen, wie z.B. hier bei Vion in Crailsheim – laufen Autos, Panzer und Rüstungsgüter – wie hier bei Kärcher – munter weiter vom Band.

Konzerne und Großunternehmen können weitermachen wie bisher

Statt in Frage zu stellen, warum Autos nicht ein paar Wochen später produziert werden können und die Krise zu nutzen für neue Verkehrskonzepte – auch die Rüstungsproduktion in Frage zu stellen – regt man sich z.B. über die erwerbslose Nachbarin auf, die ihre Kinder in die Kita schickt oder über Jugendliche, die zusammen im Park ein Bier trinken. So wirkt die Pandemie entsolidarisierend und Konzerne und Großunternehmen können weitermachen wie bisher.

Nicht-essentielle Betriebe einige Wochen stilllegen

So betrachtet sind Vorschläge Ernst zu nehmen und nicht von der Hand zu weisen, die Unternehmen in die Pflicht nehmen würden und alle nicht-essentiellen Betriebe für einige Wochen bei voller Lohnfortzahlung still zu legen. Anstatt Wochen und Monate zu lavieren .

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer arm ist, stirbt eher an Sars-Covid-19. Das haben nun auch Studien des Robert-Koch-Instituts bestätigt. Demnach ist das Risiko an Corona zu sterben in Regionen, wo Menschen überproportional an Armut leiden, um 50 bis 70 Prozent höher als in den Vierteln der Reichen.

Bei BMW in Leipzig arbeiten 60 Prozent in prekären Verhältnissen

Bereits jetzt arbeiten fast 40 Prozent aller Beschäftigten in so genannten prekären Beschäftigungsverhältnissen. Beispielweise sind bei BMW in Leipzig gerade einmal 3.800 Beschäftigte fest angestellt, 1000 sind als Leiharbeiter tätig und rund 4.000 Beschäftigte mit Werkverträgen – alle schlechter bezahlt und mit schlechteren Arbeitsbedingungen als die Festangestellten. Diese Entwicklung ist nicht wie eine Pandemie über uns hereingebrochen, solche Arbeitsverhältnisse wollte das deutsche Kapital und die damalige SPD-/Grünen-Regierung hat dies mit der Agenda 2010 – (Hartz-4-Gesetze) ermöglicht.

Info-Veranstaltungen vor Schlachthöfen in Crailsheim und Hall

Auch in unserer Region gibt es große Unternehmen, die Leiharbeit und Werkverträge zu den Hauptbeschäftigungsverhältnissen umgewandelt haben, nicht nur in der skandalträchtigen Fleischindustrie.
Erst vergangene Woche hat die Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten) zusammen mit uns vom DGB Schwäbisch Hall vor dem Schlachtbetrieb Vion in Crailsheim eine Infoveranstaltung organisiert. Einige Wochen vorher waren wir auch schon vor dem Schlachtbetrieb der „Bäuerlichen“ in Hall aktiv. Ein versprochener Zugang für die Gewerkschaft auch in diesen Betrieb ist bisher nicht erfolgt.

„Solidarität für Zukunft“ als lebendige Losung

Wenn unser diesjähriges DGB Motto – Solidarität für Zukunft – eine lebendige Losung sein soll, dann hat es insbesondere in solchen Betrieben eine große Bedeutung. Bei Vion z.B. arbeiten, vermutlich die Mehrheit der Beschäftigten aus Ländern wie Rumänien, der Slowakei, Ungarn und Polen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch wir Gewerkschafter sind natürlich für mehr Tierwohl und Einschränkung des Fleischkonsums, nicht zuletzt wegen der Klimakrise. Dabei muss aber das „Menschenwohl“ einen gleichbedeutenden Rang haben.

Ausländische Kollegen oft schlecht informiert

Trotz gesetzlicher Änderungen in der Fleischindustrie – Einschränkung bzw. Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen – sind viele unserer ausländischen Kollegen bei Vion gar nicht oder schlecht informiert, welche Art von Arbeitsverträgen sie überhaupt haben.
Kollegen aus verschiedenen EU Ländern hatten uns erzählt, dass sie für 212 Arbeitsstunden gerade mal 1800 Euro verdient hätten. Ein Metzger aus einem EU-Land, der seit 14 Jahren bei Vion arbeitet, sagte, dass er nur den Mindestlohn von 9.50 Euro erhalten würde, obwohl Vion behauptet die Arbeiter würden 14 Euro, bzw. Fachkräfte 17 Euro verdienen.

„Europa – Jetzt aber richtig“

2019 war das DGB-Motto für den 1. Mai „Europa – Jetzt aber richtig“ – das hat wohl die Politik nicht erreicht. Von den EU Abgeordneten erwarten wir, dass sie sich auch darum kümmern, ob die so genannte „europäische Dienstleistungsfreiheit“ nicht zur Narrenfreiheit der Unternehmer verkommen ist.

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung sind und werden Milliarden an Euro ausgegeben. Wir befürchten, dass nach der Pandemie am Sozialstaat diese Kosten eingespart werden sollen. In einer ganz aktuellen Studie der unternehmernahen Institute wie DIW, Ifo Institut u.a., die vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben wurde, heißt es: „Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters würde die Staatsfinanzen gleichzeitig ein- und ausgabenseitig stützen.“

BDI fordert Rente mit 69

„Die Forderung des Unternehmerverbandes BDI nach der Rente mit 69 wird nach der Pandemie sicherlich eine Kampfaufgabe der Gewerkschaften sein, denn schon Rente mit 67 bedeutet letztendlich eine Rentenkürzung.
Wir sagen, die Reichen und Superreichen müssen statt dessen zur solidarischen Finanzierung über eine Vermögensabgabe herangezogen werden – das wäre nach unserem Motto „Solidarität für Zukunft“.

Unverantwortliche Aufrüstung der Bundeswehr

Zusätzlich muss diese unverantwortliche Aufrüstung der Bundeswehr gestoppt und verringert werden. Deutschland hat im vergangenen Jahr seine Militärausgaben so sehr gesteigert wie kein anderer Staat unter den zehn am stärksten aufgerüsteten weltweit.
Wir fordern Abrüsten satt Aufrüsten. Keine weitere Militarisierung des Gesundheitssystems durch Bundeswehrangehörige, Schluss mit Merkels Heimatschutz – wir brauchen keine Bürgerkriegstruppe gegen den „Inneren Feind“. Wir brauchen eine Politk der gemeinsamen Sicherheit, die friedliche Lösungen globaler Probleme zwischen den Staaten, insbesondere mit Russland und China, fördert.

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

unser Hauptredner ist heute Robert Weißenbrunner – 1. Bevollmächtigter der IG Metall Hanau–Fulda, den ich hiermit ganz herzlich begrüße. Seit 1990 sind 213 Todesopfer wegen rechter Gewalt zu beklagen.
Darunter die zehn Opfer des so genannten NSU, die Toten von Halle, beim Angriff auf die Synagoge, der Mord an Walter Lübke, dem Kassler Regierungspräsidenten und der rechtsterroristische Mord an neun Hanauer Bürgern mit migrantischem Hintergrund im Februar 2020.
Die Gewerkschaften sind aus ihrer Geschichte heraus konsequent gegen rechten Terror und gegen rechte Entwicklungen auch in Polizei und Militär. Die Gewerkschaften wurden 1933 von den Nazis enteignet, viele unserer aktiven Gewerkschafterinnen sperrten die Nazis in die KZs, quälten und ermordeten Tausende unserer KollegInnen.
Robert und Kollegen gehören zu den Aktiven in der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung in Hanau-Fulda und er wird in seinem Beitrag die Rechtsentwicklung in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und Hintergründe beleuchten.

Laufsprecher-Durchsagen von Siegfried Hubele bei der Mai-Demo 2021 in Schwäbisch Hall:

Wer „Querdenkt“ steht sich und anderen im Wege.

Wer nur Rechts abbiegt geht im Kreis!

Wir Gewerkschaften gehen vorwärts, den geraden Weg.

Unser Motto zum 1. Mai: Solidarität ist Zukunft bedeutet besonders in der Pandemie:

Gesundheitsschutz ist Demokratieschutz

Solidarität ist Zukunft bedeutet: die Reichen und Superreichen müssen für die Bewältigung der Corona-Krise finanziell herangezogen werden.

Solidarität ist Zukunft bedeutet auch – runter mit den Rüstungskosten, mehr Geld für das Gesundheitssystem.

Solidarität ist Zukunft heißt: Kampf um jeden Arbeitsplatz, der unter dem Deckmantel der Pandemie vernichtet werden soll.

Solidarität ist Zukunft bedeutet auch, Freigabe der Impfstoff-Patente gegen das Covid-19-Virus für arme Länder weltweit.

Kommt zur Maikundgebung des DGB vor dem Globe Theater, ab 11.30 Uhr.

Solidarität ist Zukunft

Damit die Kosten und Folgen der Corona Krise nicht von den Millionen Lohnabhängigen alleine getragen werden, ist solidarisches Handeln wichtig.

Nicht nur heute zum 1. Mai gilt: Solidarität ist Zukunft.

Stärkt die Gewerkschaften, denn Marktgesetze werden uns nicht aus der Krise helfen, genau so wenig wie geistig wirre Verschwörungsideologen

Kampf gegen das Corona Virus ist auch der solidarische Kampf gegen Armut, prekäre Beschäftigung und ungezügeltes Profitstreben.

Kommt zur 1. Mai Kundgebung, ab 11.30 Uhr vor dem Globe Theater.

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