„Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz“ – Online-Appell unterschreiben

Die deutsche Ampelkoalition will einen schuldenfinanzierten 100-Milliarden-Fonds anlegen und durch diesen auf Jahre hinaus Rüstungsvorhaben finanzieren. Das Kabinett hat den Entwurf bereits beschlossen, laut dem die Bundeswehr ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro erhalten soll, jetzt muss nur noch der Bundestag zustimmen. Dagegen richtet sich ein Appell mit dem Titel „Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!“ Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Appell in voller Länge. Der Appell kann auch online unterzeichnet werden.

Informationen zugesandt von Paul Michel, Schwäbisch Hall

„Geld wird versickern“

Die massive Steigerung der Militärausgaben stößt keinesfalls nur auf positive Resonanz, im Gegenteil. Dass dieses Geld nun scheinbar mit Leichtigkeit aus dem Hut gezaubert werden könne, während für die Pflege, Schulen, Digitalisierung nie etwas da gewesen sei, kritisieren einige. Dass das Geld in den ineffizienten Strukturen der deutschen Armee und ihrer Verwaltung versickern werde, unken viele Fachleute. Fast 45 000 Menschen haben mittlerweile den Appell „Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!“ unterschrieben, in dem diese Hochrüstung abgelehnt wird.

Der APPELL:

Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!

Am 24. Februar 2022 überfiel Russland unter Präsident Wladimir Putin die Ukraine. Schon jetzt hat dieser Krieg Tausende Opfer gefordert und Hunderttausende die Heimat gekostet. Dieser Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen. Putin trägt die volle Verantwortung für die Toten und die Menschen auf der Flucht. Putins Begründungen für den Krieg sind Lügen und Propaganda. Wir machen uns große Sorgen über die Zukunft von Frieden und Sicherheit in Europa und der Welt. Diese Angst verbindet uns mit den Hunderttausenden Menschen, die nach Beginn des Krieges allein in Köln, Berlin, München, Frankfurt, Hamburg und Hunderten anderen Städten auf die Straße gingen und dort ihrer Empörung über Putins Krieg, ihre Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, ihrer Angst vor einer weiteren Eskalation und ihrem Wunsch nach Frieden und Sicherheit Ausdruck verliehen. Mit ihnen gemeinsam haben wir gegen Putins Krieg und für Frieden demonstriert.

Massive Hochrüstung hilft nicht

Diese Demonstrationen waren die größten Friedensdemonstrationen seit den Protesten gegen den Irakkrieg im Jahr 2003. Noch am selben Tag, an dem in Berlin die Menschen gegen den Krieg auf die Straße gingen, präsentierte die Bundesregierung mit Unterstützung der CDU/CSU ein Maßnahmenpaket, das die größte Aufrüstung Deutschlands seit Ende des Zweiten Weltkriegs vorsieht. Eine massive Hochrüstung der Bundeswehr hilft den Menschen in der Ukraine nicht. Die neu anzuschaffenden Waffen werden die Ukrainer:innen in ihrem Kampf und Recht auf Selbstverteidigung nicht unterstützen.

Radikale Kursänderung in der deutschen Außenpolitik

Schon jetzt übersteigen die „Verteidigungsausgaben“ aller 30 NATO-Staaten die russischen um fast das Zwanzigfache. Die Anschaffung von konventionellen Waffen wie Kampfflugzeugen und bewaffnungsfähigen Drohnen als Abschreckung unter atomaren Militärblöcken ist sinnlos. Die NATO-Länder und auch Deutschland haben schon vor 2014, das heißt lange bevor es den Ukrainekonflikt gab, begonnen, ihre Rüstungsausgaben deutlich zu steigern. Teile der Hochrüstungspläne finden sich schon im Koalitionsvertrag, weit vor den ersten Warnungen vor einer bevorstehenden russischen Invasion. Dieser Krieg und die fürchterlichen Bilder der Toten und Zerstörungen in der Ukraine können jedoch eine radikale Kursänderung in der deutschen Außenpolitik und die höchste Steigerung der deutschen Rüstungsausgaben seit dem Zweiten Weltkrieg – gar durch eine Grundgesetzänderung – nicht rechtfertigen.

Demokratiepolitischer Skandal

Eine solche Wende der deutschen Außenpolitik um 180 Grad, mit entsprechend dramatischen Folgen auch für die Innenpolitik – für den Sozialstaat, für Liberalität und Mitmenschlichkeit – ganz ohne breite gesellschaftliche Debatte, ohne parlamentarische, ja sogar ganz ohne innerparteiliche Debatte zu beschließen, wäre ein demokratiepolitischer Skandal.

Grundgesetzverankerung lehnen wir ab

Zusätzlich zu den bisherigen 49 Milliarden Rüstungsausgaben im Haushalt 2022 sollen noch in diesem Jahr 100 Milliarden als Sondervermögen eingestellt werden, das der Bundeswehr über mehrere Jahre zur Verfügung stehen soll. Diese Summe entspricht den Ausgaben mehrerer Bundesministerien, darunter so wichtige Ressorts wie Gesundheit (16,03 Mrd.), Bildung und Forschung (19,36 Mrd.), Innen, Bau und Heimat (18,52 Mrd.), Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12,16 Mrd.), Wirtschaft und Energie (9,81 Mrd.), Umwelt (2,7 Mrd.), Zusammenarbeit und Entwicklung (10,8 Mrd.) sowie Ernährung und Landwirtschaft (6,98 Mrd.). Zukünftig sollen dann dauerhaft 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgegeben werden. Damit würden diese Ausgaben auf deutlich über 70 Milliarden Euro jährlich steigen. Gleichzeitig will die Bundesregierung an der „Schuldenbremse“ festhalten, was langfristig die Frage unserer demokratischen Prioritäten aufwirft und die Gefahr massiver Kürzungen im sozialen, im kulturellen, im öffentlichen Bereich mit sich bringt. Diese politische Weichenstellung zusätzlich mit einer Grundgesetzverankerung auch für zukünftige Regierungen verpflichtend zu machen, lehnen wir im Namen der Demokratie ab. Nicht Hochrüstung, sondern Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind Auftrag des Grundgesetzes.

Wir fordern eine demokratische Diskussion

Wir fordern statt Entscheidungen, die quasi über Nacht und im kleinsten Kreis getroffen werden, die breite demokratische Diskussion über ein umfassendes Sicherheitskonzept, das die Sicherheit vor militärischen Angriffen genauso einschließt wie pandemische und ökologische Aspekte und dem das Konzept der Einheit von Sicherheit und gemeinsamer Entwicklung zugrunde liegt.

Wir können uns Hochrüstung im Namen der Zukunft nicht leisten

Wir sind konfrontiert mit Krieg und unendlichem Leid, mit Flucht, mit Armut und sozialer Unsicherheit, mit einer globalen Pandemie, die aufgezeigt hat, wie unsere Gesundheitssysteme auf Kante genäht sind, mit einer öffentlichen Infrastruktur, deren jahrzehntelange Vernachlässigung uns heute teuer zu stehen kommt, einer Kulturszene, die auf dem Zahnfleisch geht, und mit einer Klimakatastrophe, die genauso wenig vor Staatsgrenzen Halt macht und immense Investitionen in Zukunftstechnologien und soziale Abfederung erforderlich macht. Die auf Jahrzehnte geplante Hochrüstung beendet das Sterben in der Ukraine nicht, macht unsere Welt nicht friedlicher und nicht sicherer. Wir können sie uns im Namen der Zukunft nicht leisten.

22. März 2022

Den Appell unterschreiben:

https://derappell.de/

Erstunterzeichner des Appells sind:

Jan Dieren (SPD, MdB), Klaus Dörre (Soziologe, Uni Jena), Julia Schramm, (Autorin, DIE LINKE), Ingar Solty (Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung), Andrea Ypsilanti, (SPD Mitglied, Sprecherin Institut Solidarische Moderne) Erstunterzeichner*innen (Auswahl): Stephan Lessenich (Direktor des Instituts für Sozialforschung, Frankfurt/M.), Christoph Butterwegge (Politikwissenschaftler, Köln), Hilde Matheis (SPD), Gregor Gysi (DIE LINKE, MdB), Dagmar Enkelmann (Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxem burg-Stiftung), Jakob Augstein (Journalist und Verleger), Max Uthoff (Kabarettist), Bela B. (Musiker, Die Ärzte), Konstantin Wecker (Musiker), Torsten Scholz (Musiker, Beatsteaks), Sebastian Krumbiegel (Musiker, Die Prinzen), Sookee (Musikerin und Aktivistin), Corinna Harfouch (Schauspielerin), Katja Riemann (Schauspielerin), Robert Stadlober (Schauspieler), Annette Frier (Schauspielerin), Christian Baron (Schriftsteller und Journalist), Thorsten Nagelschmidt (Schriftsteller und Musiker), Jörg Sundermeier (Verleger), Margot Käßmann (Evangelische Theologin), Hans-Jürgen Urban (Vorstand der IGM), Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus (Bundessprecher/in Grüne Jugend), Volker Lösch (Regisseur), Svenja Flaßpöhler (Chefredakteurin, Philosophie Magazin), Shermin Langhoff (Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters, Berlin)

Der Appell kann unterschrieben werden unter:

https://derappell.de/

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