Nach mehr als fünf Wochen des von Putin vom Zaun gebrochenen verheerenden Krieges, der mit jedem Tag unendliches Leid für die ukrainische Bevölkerung bringt, ist deutlich, dass keine der beiden Seiten ihre Kriegsziele erreichen werden. Jeder weitere Tag Krieg bedeutetet: Noch mehr Menschen sterben, es gibt noch mehr Leiden, die Städte in der Ukraine werden noch schlimmer zerstört. Die Menschen brauchen einen sofortigen Waffenstillstand. Eine Lösung des Konflikts und einen Interessenausgleich kann es nur am Verhandlungstisch geben. Statt mit der Lieferung schwerer Waffen den Krieg zu verschärfen, sollte die Bundesregierung alle Anstrengungen darauf richten, zur Beilegung des Konflikts eine Verhandlungslösung auf den Weg zu bringen.
Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall
Völlig unverantwortliche Zielsetzung
Leider sieht es danach nicht aus. Seit ihrer Ukrainereise forderten die drei Abgeordneten Toni Hofreiter (Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Michael Roth (SPD) vehement die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Panzer, Kampfjets, Kriegsschiffe und Artilleriegeschütze sind laut Michael Roth zur Realisierung dessen nötig, was er für die einzige akzeptable Option hält: Eine ukrainischen Gegenoffensive, die zur Rückeroberung sämtlicher Gebiete führen soll – eine angesichts der realen Kräfteverhältnisse völlig unverantwortliche Zielsetzung, die nur zu mehr Eskalation, mehr Leiden, mehr Zerstörung und mehr Toten führen kann.
Sicherheitsgarantien
Damit werden alle bescheidenen Ansätze für eine mögliche Verhandlungslösung ad acta gelegt, die bei den Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine Ende März 2022 in Istanbul erkennbar wurden. Dort hatte die Ukraine Neutralität und den Verzicht auf einen Nato-Beitritt angeboten, wenn ihr im Gegenzug Sicherheitsgarantien geboten würden. Der russische Unterhändler Wladimir Medinski hatte von „konstruktiven Gesprächen“ gesprochen. Selbst direkte Gespräche zwischen Putin und Selenskyj schienen möglich.
Krieg scheint für die wichtigen NATO-Staaten zur alleinigen Option geworden zu sein
Erschreckend ist, wie die Regierungen von Großbritannien und der USA auf diese Verhandlungen reagiert haben. Boris Johnson warnte den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij vor zu schnellem Friedensschluss. US-Außenminister Blinken erklärte, er erkenne bei den Friedensgesprächen zwischen Russland und der Ukraine keine wirklichen Fortschritte. Am 5. April 2022 berichtete die „Washington Post“, zahlreiche Nato-Staaten seien zu keinerlei Zugeständnissen bereit, um diplomatische Verhandlungen voranzubringen. Anstatt die in Istanbul vorgetragenen ukrainischen Vorschläge für eine Verhandlungslösung positiv aufzugreifen, stellte Boris Johnson die Lieferung „tödlicherer Waffen“ in Aussicht. Am 2. April 2022 meldete die „ZEIT“: USA weiten Waffenlieferungen an Ukraine aus. Es scheint so als sei Krieg für die wichtigen NATO-Staaten zur alleinigen Option geworden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borell twitterte: „Dieser Krieg wird auf dem Schlachtfeld gewonnen werden.“
Konfliktparteien an den Verhandlungstisch bringen
Die Hauptverantwortung für den Krieg liegt bei Putin. Er hat den Krieg ohne Not vom Zaun gebrochen und setzt nach wie vor starrsinnig auf die militärische Karte. Deswegen wird von Seiten der Friedensbewegung gegen den reaktionären Despoten demonstriert. Aktuell sollten sich alle Anstrengungen darauf richten, zu einem sofortigen Waffenstillstand zu kommen und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Das tun die Regierungen in Washington, Brüssel, London und Berlin leider nicht. Deswegen ist es richtig, dass zum Beispiel bei den Ostermärschen auch gegen deren Politik demonstriert wird.