„Keine schönen Gemächer…“ – Eine andere Prinzessin verbrachte 14 Jahre ihres Lebens im hohenlohischen Weikersheim im Asyl: Charlotta von Pfalz-Birkenfeld, Enkelin Fürstin Sophias in Neuenstein. Alleinstehend und ohne Einkommen musste sie um ihren Lebensunterhalt alltäglich kämpfen. Dabei scheute sie auch vor Autoritäten nicht zurück. Mit Graf Wolfgang Julius von Hohenlohe, dem berühmten Türkensieger, schlug sie sich heftig. Vertrauen schenkte sie nur ihren Bedienten. Über die unangepasste Adelige ist ein Buch mit dem Titel „Prinzessin zwischen den Welten“ erschienen.
Von Helmut Wörner, Historiker aus Schwäbisch Hall
Ein enfant terrible par excellence
Sie offenbarte auch ihre Gefühle und wenn sie in Rage geriet, nahm sie kein Blatt vor den Mund. Für ihre Standesgenossen ein enfant terrible par excellence. Aus ihrem umfangreichen Briefwechsel ergibt sich das aufregende Bild einer unangepassten Frau in Hohenlohe gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Entdecken Sie die Welt eines ganz kleinen und ganz anderen fürstlichen Hofes in Weikersheim. Mit dem bewegten Leben von Pfalzgräfin Charlotta – vor allem mit deren 14 Jahren im Asyl im hohenlohischen Weikersheim – hat sich der Historiker Helmut Wörner befasst. Wörner arbeitet im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein.
Mittellos in einer Gastwirtschaft
Eine Märchenprinzessin oder Königin der Herzen war sie nicht und sie hatte auch keine „schönen Gemächer“: Pfalzgräfin Charlotta war eine ungewöhnliche Prinzessin, die 14 Jahre ihres Lebens in Weikersheim verbracht hat.
Charlotta Sophia Elisabetha von Pfalz-Birkenfeld, Enkelin von Fürstin Sophia im hohenlohischen Neuenstein, stammte aus den höchsten Kreisen des Reiches. Aus ihrer Heimat in der Pfalz vertrieben, führte sie das Schicksal nicht nur an verschiedene Fürstenhöfe, sondern brachte sie auch in engen Kontakt mit den einfachen Leuten oder dem Leben in einer bürgerlichen Stadt wie Nürnberg. Als ihre Lage dort unhaltbar geworden war, sie saß mittellos in einer Gastwirtschaft fest, fand sie Zuflucht bei den Verwandten in Hohenlohe.
Bestehende Ordnung in Frage gestellt
Es ist die Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und dem Reich. 1688 und erneut 1692 kamen die Soldaten des „Sonnenkönigs“ in die Neckargegenden und auch nach Hohenlohe, brandschatzten und erpressten Nachschublieferungen. 1689 verheerten und besetzten sie die Pfalz. Den Franzosen folgten durchziehende Reichstruppen mit Einquartierungen und Abgabeforderungen. Das Land war durch Kriegssteuern ausgepresst. Und zugleich war Ludwig XIV. Vorbild und glänzender Bezugspunkt fast aller Herrschaften seiner Zeit.
Prinzessin Charlotta war 27 Jahre alt und unverheiratet, als sie das Schloss in Weikersheim im August 1689 bezog. Als sie die Stadt im Juni 1703 wieder verließ, war sie ihr trotz aller Kämpfe und Anfechtungen zur zweiten Heimat geworden. Für ihre hohen Anverwandten war die Prinzessin ein „enfant terrible“ par excellence. Hundert Jahre vor der Französischen Revolution benahm sie sich fast wie irgendeine Bürgerin und stellte damit die Grundlage der bestehenden Ordnung in Frage. Dass sie in ihrer Nürnberger Zeit allabendlich mit einer einfachen Gärtnerstochter das Gespräch suchte, war für ihre Standesgenossen unerhört.
Über einhundert persönliche Briefe
Und so wundert es nicht, dass der Aufenthalt der Prinzessin von Birkenfeld in Weikersheim nach ihrem Abzug schnell ad acta gelegt wurde und der Vergessenheit anheim fiel. Doch dort, „ad acta“, hat er zahlreiche Spuren hinterlassen. Aus über einhundert persönlichen Briefen der Prinzessin ergibt sich ein lebendiges Bild vom Leben dieser Frau im ausgehenden 17. Jahrhundert.
Sie schreckte vor keiner Autorität zurück und verschwieg ihre Gefühle nicht
Vertrauen schenkte Prinzessin Charlotta nur ihren Bedienten. Das Verhältnis zu ihnen erscheint wie ein Gegenentwurf zu der von klein auf erlebten Unzuverlässigkeit und Missgunst ihrer hohen Anverwandten, von denen sie abhängig war: eine absolute Zuverlässigkeit und Treue gerade gegen die von ihr Abhängigen, ihre Bedienten.
Prinzessin Charlotta verschwieg ihre Gefühle nicht. Allein das ist schon ungewöhnlich. Denn das adelige Selbstverständnis war um ein Höchstmaß an Contenance in der Öffentlichkeit bemüht. Prinzessin Charlotta dagegen hielt mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg und wenn sie in Rage geriet, schreckte sie vor keiner Autorität zurück. Sie legte sich sowohl mit dem einflussreichen Juden Lämmle in Weikersheim als auch mit dem in hoher Gunst stehenden Rat Pfannenschmid in Öhringen und ganz besonders mit Stadtpfarrer Schiller an, der ihr eine laue Haltung in Religionsfragen und ausbleibenden Kirchenbesuch vorgehalten hatte.
Krachende Auseinandersetzung
Und auch ihre hochgräflichen Hohenlohischen Verwandten in Öhringen und Neuenstein, auf deren finanzielle Unterstützung sie doch angewiesen war, stutzte sie zurecht. Ein eigenes Kapitel füllt dabei ihre Beziehung zu dem im ganzen Reich berühmten hochdekorierten Feldherr und Türkensieger Graf Wolfgang Julius von Hohenlohe, ihrem Onkel, die in eine krachende Auseinandersetzung mündete.
Hofdamen zu ihrer Unterhaltung brauchte sie nicht
Dass sie nicht nur selbst über ihr Leben bestimmen wollte, sondern das auch mit solcher Hartnäckigkeit und Emotionalität durchzusetzen suchte, war für ihre Standesgenossen die größte Herausforderung. Mit ihrer „üblen conduite“, wie sie es nannten, blieb sie einfach nicht in den Schranken. Die Hohenloher Welt stand kopf.
Demgegenüber entsprach das lustvolle Ausgeben von Geld oder die Verschwendungssucht, die sie der Prinzessin vorwarfen, eigentlich eher dem in ihren Kreisen üblichen Verhalten. Tatsächlich lebte Prinzessin Charlotta in Weikersheim, jedenfalls für eine Prinzessin, eher bescheiden.
Sie kümmerte sich selbst um den Haushalt, kochte manchmal und arbeitete im Haus oder Garten. Hofdamen zu ihrer Unterhaltung brauchte sie nicht. Dementsprechend verfügte sie über praktische Erfahrung. Sie kannte die Preise nicht nur für Schmuck, sondern auch für Wein oder Hafer und Heu für die Pferde.
Mit ihrem Geschmück zu plagen
Die Prinzessin von der Pfalz, im Krieg aus ihrer Heimat vertrieben, aufgebrochen in die große Welt, in Hohenlohe gestrandet, erscheint als eindrucksvolle, sehr menschliche Zeitzeugin, die durch ihre Briefe Einblick in die persönliche Gefühlswelt einer unangepassten Frau am Ende des 17. Jahrhunderts gewährt. Da ist es letztlich nur eine formale Frage, ob es sich bei unserer Hauptperson um eine Fürstin oder eine Dienstmagd handelt. Denn jeder Mensch hat seinen Bezugsrahmen, in dem er sich zurechtfinden muss. Eine Prinzessin hatte sich eben mit ihrem Geschmück zu plagen, war aber ansonsten auch nur ein Mensch.
Informationen zum Buch „Prinzessin zwischen den Welten“:
Helmut Wörner: „Prinzessin zwischen den Welten“, Verlag Ph. C. W. Schmidt, Neustadt an der Aisch 2021, 348 Seiten, mehr als 40 Bilder, Preis 29,90 Euro, ISBN 978-3-87707-201-1
Der Autor Helmut Wörner arbeitet als Historiker im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein.
Erhältlich in Ihrer Buchhandlung oder bei:
Verlag Ph. C. W. Schmidt, Nürnberger Straße 27-31, 91413 Neustadt an der Aisch, Telefon 09161/8860-0, E-Mail: verlag@verlagsdruckerei-schmidt.de
Internet: www.verlagsdruckerei-schmidt.de/shop
Über den Autor Helmut Wörner:
Helmut Wörner, geboren 1959, lebt in Schwäbisch Hall. Er arbeitete zunächst im sozialen Bereich und ist seit 2015 Mitarbeiter im Hohenlohe-Zentralarchiv in Neuenstein. Seine Themen aus der Geschichte der alten Grafschaft Hohenlohe schöpft er aus dem reichen Fundus des Archivs.
Veröffentlichungen:
„Das Reitersiegel Gottfrieds von Hohenlohe – Reliquie oder Fälschung?“ In: Jahrbuch für Württembergisch Franken, 2019
„Die weiße Taube aus Schillingsfürst. Machtkampf im Zeichen des Fürstenwappens.“ In: HEROLD-Jahrbuch NF 23/24, 2019
„Beisetzungen in der herrschaftlichen Gruft der Stadtkirche Weikersheim“. In: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg: „Neue Forschungen. Schloss Weikersheim“, 2019
„Der Ruin in Weikersheim“. Vom Lusthaus zum Palais Laukhuff (Herausgeber Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg), 2020
„Prinzessin zwischen den Welten“ (Eine ungewöhnliche Prinzessin im hohenlohischen Asyl). Neustadt/Aisch, 2021
„Leben und Werk des hohenlohischen Malers Joachim Georg Creuzfelder (1622-1702)“ und insbesondere „Die Kirchberger Decke und ihr Programm“, geplante Veröffentlichung im Jahrbuch für Württembergisch Franken 2023
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