„Jochen Wahl zum 80. – Bilder und Skulpturen in Balingen zu sehen“ – Der Künstler aus Obersulm hatte viele Jahre ein Atelier im ersten Stock des Kulturbahnhofs Gleis 1 in Waldenburg

Hans Graef weist auf die Ausstellung seines 2007 verstorbenen Freundes, des Künstlers Jochen Wahl aus Obersulm hin. Wahl hatte viele Jahre ein Atelier im ersten Stock des Kulturbahnhofs Gleis 1 in Waldenburg. Jochen Wahl war ein renommierter internationaler Künstler. Im Gleis 1 fanden einige seiner Ausstellungen statt. Wahl wäre 80 geworden und hat ein großartiges Lebenswerk hinterlassen.

Informationen zugesandt von Hans Graef, Gleis 1 in Waldenburg

Ausstellung in Balingen „Jochen Wahl zum 80. – Bilder und Skulpturen“

Die Ausstellung in der Rathausgalerie Balingen ist von 14. Oktober 2022 bis 21. Januar 2023 zu sehen. „Sie ist eine Hommage an einen Künstler, dessen Vorfahren die Stadt und Region politisch wie unternehmerisch geprägt haben“, schreiben die Veranstalter der Stadthalle Balingen.

Vernissage am Donnerstag, 14. Oktober 2022

Zur Eröffnung der Ausstellung gibt es eine Vernissage am Donnerstag, 13. Oktober 2022, um 19.30 Uhr in der Balinger Rathausgalerie, Färberstraße 2, 72336 Balingen. „Dirk Mende wird seinen Jochen Wahl-Erinnerungsschatz öffnen, Rudolf Greiner kunsthistorisch einordnen“, schreibt Sibylle Wahl in einer Einladung zur Vernissage.

Weitere Informationen zum Künstler Jochen Wahl, seine Werke und die Ausstellung in Balingen:

J O C H E N W A H L
Gemälde • Zeichnungen • Skulpturen

Von 14. Oktober 2022 bis 21. Januar 2023

Veranstaltungsort:
Rathaus Galerie Balingen
Färberstraße 2
72336 Balingen

Öffnungszeiten:
Montag – Donnerstag:
8:00 – 18:00 Uhr
Freitag: 8:00 – 13:00 Uhr
Samstag: 9:00 – 13:00 Uhr
Eintritt frei

Ausstellungsdauer:

Von 14. Oktober 2022 bis 21. Januar 2023

Weitere Informationen:

Telefon: 07433 – 9008410

E-Mail: doris.schneider@balingen.de

Veranstalter:

Stadthalle Balingen, Hirschbergstraße 38, 72336 Balingen

Fabrik für Kühlanlagen gegründet

Jochen Wahls Großvater, Robert Wahl, gründete 1919 in Balingen eine Fabrik für Kühlanlagen. Als Gegner der Nationalsozialisten wurde er nach dem Krieg Bürgermeister in Balingen und später Landrat. Er übergab den Betrieb an seinen Sohn, der 1953 aus dem Leben schied. Seine Ehefrau und die Mutter von Jochen Wahl übernahm das Unternehmen und ließ den Sohn fortan in verschiedenen Privatschulen erziehen. Er verließ so schnell er konnte die ‚Erziehungsanstalten‘ und wollte Künstler werden. Er bewarb sich an der Kunstakademie in Berlin und wurde abgelehnt.

Hyperrealismus

Es folgten Jahre der Selbstzweifel. Er holte sein Abitur nach und wurde 1967 in die Meisterklasse des damals bereits weltberühmt gewordenen Rudolf Hausner aufgenommen. Dort erlernte er die realistische, altmeisterliche Maltechnik, die er fortlaufend perfektionierte und zeit seines Lebens angewendet hat. Er benutzte seinen Hyperrealismus nicht, um Bekanntes nachzumalen, sondern um innere Zustände und Phantasien so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen. Der Betrachter wird dadurch nahezu körperlich bedrängt und gefesselt von seinen Gestalten und Erfindungen.

Künstlergruppe „ZÖTUS“ gegründet

Mit Helnwein, einem anderen weltbekannt gewordenen Schüler von Hausner, gründete er mit anderen die
Künstlergruppe „ZÖTUS“. So unterschiedlich beider Arbeitsweisen auch waren, ein erkanntes Prinzip setzten beide in ihrer Kunst ein: Allein die Kunst hat die Fähigkeit, unbewusste Bereiche im Betrachter zu berühren und kann das reale Grauen in den Köpfen der Menschen freisetzen, was keine noch so intensive sprachliche Kommunikation vermag. Wahl profitierte vom Dunstkreis und vom weltweiten Hype der Wiener phantastischen Realisten. Vor allem davon, dass sie gegen den Mainstream der Nachkriegskunst eine realistische Kunst wieder möglich gemacht hatten. Nach dem Krieg war der Marshallplan für die Kunst amerikanisch, gegenstandslos, informell, geometrisch. Jede Art von realer Darstellung von Welt und Menschen war verpönt, war doch hinter dem „Eisernen Vorhang“ realistische Kunst sogar verordnet. Damit wich die westliche Kunst aber auch einer Aufarbeitung eines durch den Krieg völlig zerstörten Menschenbildes aus.

„Orthopädische Köpfe“

Wahl will nicht wegschauen. Er greift ein überkommenes Menschenbild frontal an und ist auf der Suche nach einem anderen. In welcher Härte er dabei vorgeht sieht man exemplarisch an seinen „orthopädischen Köpfen“. Damit unterscheidet er sich auch vom „Phantastischen Realismus“, deren Vertreter Hausner, Fuchs, Brauer, Hutter u.a. einschwenken auf genießbar Psychologisches, auf mythische Themen, kosmische Träume, alttestamentliche Fabeln oder apokalyptische Visionen.

Mögliche Wesen aus einer anderen Galaxie

Wahl bläht die Köpfe und Körper seiner Figuren auf, so dass sie den gesamten Bildraum einnehmen. Er betrachtet sie von oben mit riesigen Köpfen und kleinen Extremitäten. Köpfe und Rumpf verschmelzen zuweilen zu einer wabernden Masse. Einmal die Veränderungen der menschenähnlichen Figuren in Gang gesetzt, mutieren sie in Bildzyklen weiter und werden zu seltsamen Wesen. Gesichter verschmelzen zu Masken, Körper zu Panzern, Rüstungen, Fleischlichem, Tierischem. Sie beinhalten zwei entgegengesetzte Zeitschienen, wohl weil man ihre gegenwärtige Existenz als Betrachter nicht annehmen kann. Seine Gestalten sind vormenschlich, archaisch und gleichzeitig futuristisch – mögliche Wesen aus einer anderen Galaxie.

Hals-über-Kopf-Läufer

Im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung werden aus solchen ‚Fremdwesen‘, auch ‚Freundwesen‘: Jäger, Sammler, Wächter, Läufer, Schutzgeister, die allesamt mit speziellen übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet werden. So gibt es schwebende Gefesselte, Läufer mit drei Beinen, Flügelläufer, Nasenläufer, Hals-über-Kopf-Läufer, Schnüffler. Oftmals haben sie Fühler, die wie eine Antenne Signale aus anderen Bereichen empfangen oder aufspüren. Sie sind zudem mit allerlei Überlebensutensilien ausgestattet, die sie mit sich tragen und die von Jochen Wahl akribisch unter der Lupe ausgemalt sind. Nahezu zwangsläufig treten solche den Betrachter ergreifende Gestalten aus ihrer zweidimensionalen Papierwelt heraus und werden zu plastischen Gebilden. Die dabei verwendeten unterschiedlichen Materialien, Leder, Knochen, Filz, Metall und Stein haben einen mystischen, fast sakralen Charakter, der an die Haptik von Josef Beuys Skulpturen erinnert.

Spielerisch, absurd witzig, erstaunlich

Sibylle Wahl ist es zu danken, dass fast alle Werke des Künstlers, 42 Ölbilder, 26 Aquarelle, 1072 Zeichnungen, 150 Radierungen und 150 Skulpturen für immer in einem akribischen Werkverzeichnis aufgehoben sind. Die Rathaus Galerie gibt Einblicke in diese eindringlich packende Bildwelt. Wahls Wesen und Erfindungen haben sich erstaunlich visionär erwiesen. Viele Erscheinungen unserer Gegenwart sind vorweggenommen. Vom Corona-Masken-Tanz angefangen über die Science-Fiction Medien bis hin zu den Versuchen, die Menschen mit Chips zu optimieren. Das latent Bedrohliche in Wahls Werk erhält durch die vielfachen Variationen seiner Wesen, die man als Mutationen begreifen könnte, auch etwas Spielerisches, absurd Witziges aber immer Erstaunliches.

Text: Rudolf Greiner

Biographie:

Jochen Wahl

(15.10.1942 – 1.2.2007)

– Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, Meisterklasse
Rudolf Hausner

– Gründung der Künstlergruppe ZÖTUS zusammen mit Gottfried Helnwein u.a.

– Preis der Ersten Österreichischen Sparcasse

– Goldene Fügermedaille

Zeichnungen, Radierungen, Skulpturen, Ölbilder in Privatbesitz und öffentlichen Sammlungen:

Albertina Wien, Staatsgalerie Stuttgart, Städtische Galerie Heilbronn, Grafische Sammlungen LMU München, Schloss
Haigerloch, Deutsches Ledermuseum Offenbach, Museum Schloss Moyland, Sammlung van der Grinten, Spencer Museum of Art, USA

Vielfache Ausstellungen, häufig vertreten auf der Art Basel

Sibylle Wahl: Werkverzeichnis Jochen Wahl, Verlag Kauz &
Sonderling, 2020

Weitere Informationen im Internet:

https://www.tourismus-bw.de/veranstaltungen/jochen-wahl-zum-80.-bilder-skulpturen-6082a3a155

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