Das Hohenloher Tagblatt in Crailsheim und Gerabronn feierte am vergangenen Wochenende (24. bis 26. Juni 2009) seinen 60. Geburtstag. In dem 96-seitigen Jubiläumssonderheft, das der HT-Samstagsausgabe (25. Juli 2009) beilag, präsentierten sich auch ehemalige Redaktions-Volontäre und -Praktikanten, die es im Journalistenberuf zu höheren Weihen gebracht haben. Die HT-Redaktion hatte auch bei Dr. Dietrich Krauß angefragt, ob er einen Text über seine einjährige HT-Zeit (1984/85) für die Jubiläumsbeilage beisteuern würde. Den gewünschten Text hat er geschrieben, veröffentlicht wurde er vom HT aber nicht. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Text von Dietrich Krauß, den das Hohenloher Tagblatt nicht brachte, in voller Länge (siehe unten).
Dietrich Krauß ist seit Jahren Autor und Redakteur für den Südwestrundfunk (SWR) und die ARD, unter anderem für Plusminus und Monitor. Zuletzt erschienen von ihm die ARD-Doku „Rentenangst – Der Kampf um die Altersvorsorge“, Monitor: „Riesterrente – Sparen fürs Sozialamt“, Plusminus: „Soffin. Wer kontrolliert die Kontrolleure ?“
Der Artikel von Dietrich Krauß, den das Hohenloher Tagblatt nicht veröffentlichte in voller Länge (die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion Hohenlohe-ungefiltert eingefügt):
„Wo mein Journalismus laufen lernte – Eine Reminiszenz an die Redaktion, bei der alles anfing“
Das ist nicht die leichteste journalistische Übung, aber sicher eine, der man sich leicht gebauchpinselt, im Normalfall gerne unterzieht. Leider aber schieben sich vor die vielen schönen Erinnerungen an meine ersten Gehversuche beim HT unschönere Fakten aus der jüngsten Vergangenheit. Im Jahr 2007 nämlich hatte ich eine journalistische Begegnung mit meiner Heimatzeitung, deren Ergebnis weniger schmeichelhaft ausfiel. Für die Fernsehsendungen NDR-Zapp und SWR-Ländersache berichtete ich als Co-Autor über den Fall des langjährigen HT-Mitarbeiters Ralf Garmatter. Der war nach korrekten Berichten über den CDU-Abgeordneten Christian von Stetten erst mit einer befristeten, dann mit einer dauerhaften Veröffentlichungssperre belegt worden. Was für eine Geschichte! Einem langjährigen Journalisten wird die Zusammenarbeit aufgekündigt, nachdem er in einer Filmbesprechung korrekt Szenen aus einem Kinofilm wiedergegeben hat. Szenen, in denen der CDU Abgeordnete alles anderes als gut wegkam. Die Hohenlohische Version vom Boten der schlechten Nachricht der einen Kopf kürzer gemacht. Das wollte ich zunächst nicht glauben. Alles falsch, sagte auch das HT. In Wahrheit habe der Mitarbeiter seit Jahren immer wieder unsauber gearbeitet und habe sich illoyal verhalten. Dabei hatte man ihm doch erst wenige Wochen zuvor ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt.
Auch auf Knut Siewert wurde kein Wert mehr gelegt
Ralf Garmatter jedenfalls hatte seinen Brötchengeber verloren und schreibt nicht mehr fürs HT. Stattdessen betreibt er die Internetseite „Hohenlohe ungefiltert“, die ein kritisches Gegenwicht zum etablierten Lokaljournalismus sein will. Inzwischen müssen immer mehr solcher Portale – ein anderes Beispiel sind auf Bundesebene die exzellenten „Nachdenkseiten“ – einen großen Teil der kritischen Berichterstattung übernehmen. Denn die Mainstreammedien – auch die öffentlich rechtlichen Anstalten – wollen oder können dieser Aufgabe in weiten Teilen nicht mehr nachkommen. Das macht mich traurig. Und da passt es auch irgendwie ins Bild, dass man beim HT irgendwann auch keinen Wert mehr auf die Mitarbeit von Knut Siewert legte. Für die Jüngeren: Der Mann hat einst im Team mit den geschätzten Kollegen, den alten OB Zundel aus dem Amt recherchiert. Mit dieser Geschichte fand das kleine HT Eingang in die journalistischen Lehrbücher. Der Wächterpreisträger, der inzwischen für das Crailsheimer Stadtblatt arbeitet, hat den Fall Garmatter so zusammengefasst „hier hat ein Journalist, ein freier Journalist, abgesegnet von den festangestellten Redakteuren, eine Geschichte geschrieben und die ist ins Blatt gegangen, dann kann das nicht Anlass sein, einem Kollegen seiner Existenz zu berauben.“ Dass so was geht, ist ein Symptom für den Zustand des Journalismus. Bei allem berechtigtem Stolz über 60 Jahre Hohenloher Tagblatt. Vielleicht ist ja das Jubiläum auch ein Anlass zur kritischen Selbstreflexion. Die Veröffentlichung dieses kleinen Anstoßes ist der beste Beweis, dass das HT dazu in der Lage ist.
Schreibmaschinen, Wählscheibentelefon und tischgroße Zentralkopierer
Als ich im November 1984 ein sechswöchiges Praktikum beim Hohenloher Tagblatt antrat, wusste ich noch nicht, dass aus den Wochen ein Jahr und aus dem Praktikum ein Beruf werden wollte. Ich war froh und stolz, dass ich Anita Strecker nachfolgen durfte und ganz praktisch erstmal erfreut, dass der Weg zur Arbeit in die Ludwigstrasse noch kürzer war als der zum ASG (Albert-Schweitzer-Gymnasium). Es waren andere Zeiten – mit Schreibmaschinen und tischgroßen Zentralkopierern. Recherchiert wurde mit dem Wählscheiben-Telefon und die Fotos wurden noch täglich nach Gerabronn gefahren. Oder? Die Redaktion stand sogar in journalistischem Lehrbuch (Haller: „Recherchieren“), weil sie vor ein paar Jahren OB Zundel aus dem Amt recherchiert hatten. Gab´s einen besseren Platz, um journalistisch anzufangen? Wohl kaum. Schade nur, dass ich ein paar Jahre zu spät kam und Knut sich inzwischen auf HT-Reisen spezialisiert hatte. Wenn er da war, sass er ganz hinten rechts. In der Mitte Andreas Harthan, den es aus Stuttgart nach Hohenlohe verschlagen hatte, darunter immer mal wieder leicht leidend und dahinter Wolfgang Rupp. Ein Bündel guter Laune. Und gelernter Polizist! Das nenn ich mal einen Quereinstieg.
Redaktion hielt dem Druck des Gewerbevereins stand
Man war von Anfang an mittendrin und voll dabei. Ganz subjektive unausgewogene Eindrücke: Wolfgang der (HB?) rauchend eine Geschichte auf der Schreibmaschine einfach so runterschrieb. In Zeiten der endlosen Textkorrekturen unvorstellbar. Cholerische Anrufe von Herrmann Bachmaier. Die gefürchtete Kolumne „Auf ein Wort lieber Leser“, die es täglich originell zu füllen galt. Wer macht’s? Jahreshauptversammlung ist ein verbotenes Wort. Die Sektkorkeneinschläge an der Decke. Mit dem Dienstwagen zwischen Gerabronn und Crailsheim. Und: wie die Redaktion auch dem Druck des Gewerbevereins standhielt, als der sich über einen kritischen Artikel über die Weihnachtsbeleuchtung beschwerte.
Es war für mich noch mal ein Crash-Kurs Heimat, die ich bisher nur aus der Schülerperspektive kannte. Ich kroch in den alten Trümmerkeller am Schwanenplatz, fotografierte halbe goldene Hochzeitspaare, weil die Belichtungszeit falsch eingestellt war oder reiste den Crailsheimer Laufassen hinterher. Mein Jahr beim HT. Die beste Impfung gegen Schnöseltum. Und der Grundkurs in „so bunt ist das Leben“. Und darin, wie man journalistisch Abstand von etwas hält und trotzdem drin wohnt. Dr. Dietrich Krauß