HORNBERG – Heftigen Widerstand in der Bevölkerung erregten die tieffliegenden Düsenjets über Hohenlohe in den 1980er Jahren. Die Angst war begründet: Ein F-16-Kampfflugzeug der US-Luftwaffe stürzte am 10. Mai 1983 mitten in die Ortschaft Hornberg bei Kirchberg an der Jagst. Wie erst jetzt von offizieller Seite des Bundesverteidigungsministeriums bekannt gegeben wurde, soll eine „kanalisierte Aufmerksamkeitsverteilung“ des Piloten für den Absturz verantwortlich gewesen sein.
Von Ralf Garmatter, Freier Journalist aus Kirchberg an der Jagst
Der Fachbegriff „Kanalisierte Aufmerksamkeitsverteilung“ bedeutet, dass die Aufmerksamkeit des Piloten beim Fliegen zu sehr auf einen der zahlreichen wichtigen Parameter konzentriert gewesen sein muss, teilt die Pressestelle des Bundesverteidigungsministerium auf Nachfrage von Hohenlohe-ungefiltert mit. Frei übersetzt bedeutet dies, dass der 28-jährige Pilot, Oberleutnant Steven Wallis, bei einem komplexen Flugmanöver den Überblick verloren hat. Die F-16, damals einer der modernsten US-Düsenjets verlor an Höhe, streifte das Hornberger Feuerwehrgerätehaus, riss ein großes Loch in den Giebel, schlitzte das Dach und das Obergeschoss auf, prallte auf die Dorfstraße und raste mit voller Wucht in ein altes Bauernhaus, dessen Bewohner kurz zuvor das Gebäude verlassen hatten.
Der Pilot hatte keinen Rettungsversuch mit dem Schleudersitz unternommen. Augenzeugen berichteten, dass der Düsenjäger auf dem Rücken fliegend das nahegelegene Hornberger Schloss passiert habe. Dies könnte zur Folge gehabt haben, dass der Pilot beim Hochziehen des Steuerknüppels das Flugzeugg nach unten lenkte und abstürzte.
25 Jahre lang war von US-Behörden und von deutschen Dienststellen nichts über die Absturzursache bekannt gegeben worden. Erst direkte Anfragen der Stadtverwaltung Kirchberg/Jagst – im Auftrag des Hornberger Ortschaftsrats – im Februar 2008 bei US-Militärdienststellen, beim baden-württembergischen Innenministerium, dem Bundesverteidigungsministerium und anderen Ministerien und Behörden führte zu einigen dürren Informationen zum Absturzhergang. Nicht korrekt ist eine Auskunft des deutschen Verteidigungsministeriums Referat Grundsatz Flugsicherheit vom 2. Juli 2008 an das Innenministerium Baden-Württemberg, das dem Autor vorliegt. Dort heißt es, dass der Untersuchungsbericht für den Flugunfall vom 10. Mai 1983 „leider nicht mehr“ existiere. Er sei laut Auskunft der zuständigen US-Dienststelle „nach der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfrist von 6 Jahren nach Abschluss der Schadensregulierung vernichtet“ worden.
Ein umfangreicher Untersuchungsbericht des Flugunfalls liegt Hohenlohe-ungefiltert jedoch vor. Darin sind viele Details über den technischen Zustand der Maschine, über abgelegte Prüfungen und Schulungen des Piloten auf dem Flugzeugtyp F-16 und dergleichen mehr enthalten. Keine konkreten Angaben gibt es darin jedoch über die konkrete Absturzursache. Wahrscheinlich gibt es aber einen nicht-öffentlichen Teil des Berichts, der dem Bundesverteidigungsministerium (BMfVg) vorliegt. Denn nur so ist es zu erklären, dass das deutsche Verteidiungsministerium den Absturz auf menschliches Versagen zurückführt. Das BMVg wörtlich: Nach „nunmehr vorliegenden Informationen“ habe sich das „tragische Geschehen im Raum Kirchberg am 10. Mai 1983″ folgendermaßen abgespielt: „Im Rahmen eines Übungsfluges von zwei in Rheinland-Pfalz stationierten F-16 der amerikanischen Luftstreitkräfte über Baden-Württemberg, im Raum Crailsheim, sollten Abfangübungen durchgeführt werden. Bei der zweiten Abfangübung berührte eines der Kampfflugzeuge ein leerstehendes Haus in der Ortschaft Hornberg und stürzte ab. Der Pilot unternahm keinen Rettungsversuch mit dem Schleudersitz und wurde beim Absturz getötet. Das Luftfahrzeug sowie ein Haus mit Nebengebäuden wurden zerstört. Das zweite Luftfahrzeug landete sicher am Heimatflugplatz.“ Zusammenfassend sei festgestellt worden, dass eine „kanalisierte Aufmerksamkeitsverteilung des Piloten zur Unterschreitung der vorgegebenen Mindestflughöhe und in der Folge zur Hindernisberührung und zum Absturz führte“.
Hornberg entging damals nur knapp einer Katastrophe. Völlig zerstört wurde ein altes landwirtschaftliches Anwesen, in dessen Scheune und Schuppen unter anderem Ölfässer gelagert waren, welche die Löscharbeiten erschwerten. Schwere Schäden erlitten das Dach und das Obergeschoss des Hornberger Bürgerhauses, in dem sich auch das Feuerwehrmagazin befindet. Durch den Explosionsdruck, durch Wrackteile und den Feuerball nach dem Aufschlag wurden auch einige weiter entfernt stehende Häuser beschädigt. Einziges Todesopfer des Unglücks war der 28-jährige Pilot Oberleutnant Steven L. Wallis vom 50. Taktischen Jagdgeschwader des US-Luftwaffenstützpunkts Hahn im Hunsrück. Weil die Bewohner des zerstörten Hauses kurz zuvor ihre Wohnung verlassen hatten, ist Hornberg von noch größerem Unheil verschont geblieben. Wäre das Kampfflugzeug nur 50 Meter weiter rechts in eine Häuserzeile gekracht, hätte es eine Katastrophe gegeben. An Bord des Abfangjägers befanden sich über 500 Schuss Munition für die 20-Millimeter-Bordkanone sowie eine Rakete ohne Sprengstoff.
Die Staatsanwaltschaft Ellwangen hatte das Ermittlungsverfahren nach eigenen Angaben bereits acht Tage nach dem Absturz eingestellt. Das Finanzministerium Baden-Württemberg teilte mit: „Alle geltend gemachten, berechtigten Ansprüche wurden beglichen. Die Schadensakte wurde hier Ende der 80er-Jahre geschlossen.“ Amerikanische Behörden hatten den Schaden an Gebäuden und Grundstücken in einem ersten Kostenvoranschlag auf zwei Millionen Mark (rund 1,02 Million Euro) geschätzt. Das deutsche Amt für Verteidigungslasten zahlte später insgesamt 630000 Mark (etwa 320000 Euro) für den in Hornberg entstandenen Sachschaden aus. Das zerstörte landwirtschaftliche Anwesen wurde nicht mehr aufgebaut. Dort ist noch heute eine Baulücke.
Dem Piloten Steven L. Wallis bescheinigten die Prüfer noch am 8. März 1983 eine gute Beherrschung des Flugzeugs. Aufgefallen ist bei einem Flugzeugcheck am Tag vor dem Absturz jedoch, dass der Voice-Recorder das Tonband gefressen hat. Auch vom Absturztag ist nach US-Angaben nur ein kurzer Gesprächsfetzen erhalten geblieben, der aber keinen Zusammenhang mit dem Unglück hat.
In Hornberg spielten sich am 10. Mai 1983 dramatische Szenen ab. Wegen Explosionsgefahr und giftiger Gase sollte ein Teil der Hornberger Bevölkerung evakuiert werden. Doch dazu kam es glücklicherweise nicht. Besondere Sorgen bereitete ein Zusatztank der F 16, befüllt mit 24 Litern hochgiftigem Hydrazin, einer chemischen Substanz, die zum Befeuern des Nachbrenners benötigt wurde. Nach offiziellen Angaben ist das Hydrazin gleich nach dem Aufprall verpufft. Nach dem Löscheinsatz erhielten die Feuerwehrleute von einem Stabsarzt der Bundeswehr ein cortisonhaltiges Inhalationsspray gegen Rauchgasvergiftung.
Von amerikanischen, kanadischen und deutschen Soldaten wurde Hornberg nach dem Absturz hermetisch abgeriegelt. Nur Einwohner, Hilfskräfte und Pressevertreter durften in die Nähe des Unfallorts. Aufwändig waren die Aufräum- und Bergungsarbeiten. Die Leichenteile des Piloten und Wrackteile waren weithin verstreut. Amerikanische Soldaten suchten die Wiesen, Gärten und Hausgrundstücke genau ab. Anschließend mussten 200 Tonnen ölverseuchtes Erdreich aus dem Bereich des Absturzkraters entfernt und auf der Sondermülldeponie in Schwabach bei Nürnberg entsorgt werden. Allein der Abtransport der Überreste des zerstörten Flugzeugs mit Hubschraubern kostete nach US-Angaben rund acht Millionen Dollar.
Für Empörung bei Lehrern und Eltern sorgten wenige Tage nach der Hornberger Beinahe-Katastrophe amerikanische Soldaten auf dem Kirchberger Schulhof. Sie verteilten an die Schüler Aufkleber mit dem Geschwaderabzeichen, zu dem auch die zerschellte F 16 gehörte. Es zeigt einen hochsteigenden Atompilz und einen Lorbeerzweig als Symbole des Sieges und des Todes.
Nach wie vor hält sich in Hornberg das Gerücht, dass die F 16 durch „leichtsinniges Kriegspielen“ abgestürzt ist. Eine Augenzeugin berichtete seinerzeit, dass das Flugzeug auf dem Rücken fliegend am Hornberger Schloss vorbeigeflogen sei. Einige Schüler der Kirchberger Schule wollten gesehen haben, dass der Düsenjet schon vor dem Aufprall eine dicke Rauchwolke hinter sich hergezogen hatte.
INFO: Am 10. Mai 1983 stürzte nahe des belgischen Orts Bierbeek eine weitere F16 ab. Dort konnte sich der Pilot noch mit dem Schleudersitz retten.
Ich war damals Ambulanzfahrer in der US-Kaserne in Crailsheim, den McKee Barracks, beschäftigt als Zvilist beim 16th Med. Det. Ich kann allerdings zu den Ereignissen in Hornberg nichts besonderes sagen. Mir wurde am Tag des Unfalles mitgeteilt, ich solle das Dienstfahrzeug vorbereiten, wir hätten einen Einsatz, einen verunglückten Pilot abzuholen. Nur wenige Minuten später wurde mir mitgeteilt, dass dieser Einsatz nicht von einem Zivilisten gefahren werden dürfte, und dass der Pilot bereits tot sei. In Folge fuhren verschiedene hochrangige Militärpersonen in der Ambulanz nach Hornberg, darunter, soweit ich mich erinnern kann, der Kommandant der Kaserne, einer der Ärzte der Dispencery, und der NCOIC des 16th Med. Det.
Erst am folgenden Tag sah ich das Fahrzeug wieder, es war zwar optisch noch (oder wieder) sauber, konnte jedoch trotz mehrfacher Reinigung wegen des beissenden Rauchgeruches viele Tage lang nicht verwendet werden. Unter den GIs der Kaserne wurde erzählt, das verschiedene Soldaten mit Eisennadeln und Eimern der Reste des Piloten aufsammeln mussten.
Ich kannte die meisten Bewohner des abgebrannten Hauses in Hornberg, eine WG hatte darin gelebt. Als ich vom Unglück hörte, musste ich sofort an diese Menschen denken, und ich war sehr erleichtert, als ich die Nachricht erhielt, dass sie alle überlebt hatten.
An diesem Tag waren wir im Schullandheim. Unser Gebäude (Villa Schöneck) befand sich ca. 200 m Luftlinie von der Absturzstelle entfernt. Wir haben uns kurz vor dem Unglück auf eine Wanderung begeben als plötzlich eine sehr tieffliegende F-16 auf auf dem Kopf über uns hinwegflog. Für mich war das sehr beeindruckend da ich die Pilotenkanzel sehen konnte, sekunden später hörten wir eine Explosion und sahen einen riesigen Feuerball. Wir waren ca. 300 m von der Absturzstelle entfernt auf einem Waldweg und konnten die Hitze deises Feuerballs spüren. Ich kann mich aber noch gut erinnern daß die F-16 von einem anderen Flugzeug begleitet wurde. Das Gelände wurde kurz darauf von der US-Air Force abgeriegelt. Es waren sehr viele Soldaten vor Ort, und deutsche Rettungskräfte so wie Soldaten der Bundeswehr und die Polizei.