„Gelochte Augenblicke“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden zehnter Teil

„Gelochte Augenblicke“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden zehnter Teil. Die Handlung, Personen und Namen sind vollkommen frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig und sind weder gewollt noch beabsichtigt.

Von Birgit Häbich

X Genuss

… Vergebung? So sinnierte Carl. Er jedenfalls würde seiner geliebten Paula vergeben! Falls der Vorwurf wahr wäre, und man es ihr tatsächlich nachweisen könnte, würde sie wegen Mordes angeklagt werden. Paula Engel nämlich, brauchte mittlerweile einen Strafverteidiger, um ihre Unschuld am Tod von Lucian Teufel beweisen zu können. Carl hatte erst vor ein paar Tagen den obligatorischen monatlichen Anruf seines Informanten Findus bekommen. Findus, der für ihn nicht nur die Dubiositäten seiner alten Verbindungen und die teuflischen Machenschaften der Erbschleicher von Onkel Ewalds Vermögen auskundschaftete, sondern nebenher stets auch ein Auge auf Paulas Lebenswandel warf, berichtete ihm schier Unglaubliches. Man vermute als Todesursache eine Vergiftung durch das Abendessen bei seiner Großtante, Selbstmord würde ausscheiden, da sich Lucian Teufel niemals eine warme Mahlzeit zubereitete. Bei diesen Worten wurde es Carl mulmig zumute, erinnerte ihn diese Redewendung doch sofort an eine frühere Angewohnheit Paulas. Kultivierte sie ja bereits als Heranwachsende ihren Widerwillen sich warme Mahlzeiten zuzubereiten und trug diese Schrulle auch noch als reife Frau gezielt vor sich her, um wirklich jedem ihrer
Verehrer klar und deutlich zu machen, dass sie keinesfalls als treusorgende Ehefrau zu haben sei.

„Essen in guter Landluft“

Seit einer Weile beobachtete Findus, dass Paula sich neuerdings für Hausarbeit und Garten interessiere. Findus zählte ihm detailliert sämtliche Kochkurse sowie alle einschlägigen Vorträge, welche Paula bei der Volkshochschule und bei renommierten Gastronomen besuche. Carl nahm diese Berichte gleichmütig zur Kenntnis, maß ihnen jedoch keinerlei Bedeutung zu; er hatte ihre spöttischen Bemerkungen noch gut im Ohr, mit denen Paula ihm jahrelang ihre Überzeugung zu häuslichen Themen kundtat. Carl Eugen Friedner hörte den Berichten seines Informanten belustigt zu – schenkte dem scheinbaren Wandel, dass Paula sich mit zunehmendem Alter zu einem Heimchen am Herd mausern würde, aber keinesfalls Glauben. Er vermutete viel eher, dass Paula an einem Fotoprojekt zu den jetzt modern werdenden gesellschaftlichen Themen, wie „Essen in guter Landluft“ oder „Lust an Blatt und Wurzel“ und „Fleischlos am Busen der Natur“ arbeitete – für ihre Arbeit nämlich tat sie alles.

Bärlauchzwiebeln

Darüber, ob Paula sich überdies in ihrer neuen Hausgemeinschaft nützlich machen und dem kleinen schattig gelegen Garten zu neuem Glanz verhelfen wollte, oder ob mehr dahinter zu vermuten wäre, dachte Carl erst nach, als Findus ihm da letzthin berichtete, dass sich Paula im frühen Frühjahr mit Plastiktüten und einem Schäufele zu ausgiebigen Spaziergängen am Kocher entlang aufmachen würde, um unterwegs Bärlauchzwiebeln auszugraben. Gesetzlich war das doch nur mit vernünftigem Grund erlaubt, überlegte Carl. Was bezweckte Paula damit? Und er ließ sein humanistisches Wissen aus der Bubengymnasiumszeit Revue passieren: Glaubten nicht bereits die alten Germanen, dass die besonderen Kräfte des Bärlauchs auf die des Bären übergingen und damit auf die Menschen, wenn sie diese Pflanzen verzehren würden? Bärlauch ist reich an Schwefelverbindungen, Magnesium, Mangan und Eisen. Und trotz des hohen Schwefelgehaltes im Bärlauch kommt es nach dem Verzehr zu keinem Mundgeruch oder einer eigenartigen Körperausdünstung.

Giftiger Aronstab

Dann fügte Carl Eugen Friedner sein frisch erworbenes Wissen, welches ihm auf lehrreichen Führungen vom Umweltbiologen Schütz vermittelt wurde, hinzu. Der im frühen Frühjahr austreibende giftige Aronstab ist dem so gesunden Bärlauch im Aussehen verblüffend ähnlich. Aber wo der Bärlauch einen typischen Geruch verströmt und ovale Blätter mit parallel verlaufenden Blattnerven besitzt, die sich ohne Verzweigung ausbilden, sind beim Aronstab hingegen unregelmäßig geformte, verzweigte Blattnerven zu erkennen. Bereits beim Pflücken bemerkt man die giftigen Inhaltsstoffe des Aronstabs durch auffällig deutliche Hautreizungen. Später, wenn sich Blüten ausgebildet haben, sind die beiden Pflanzen sehr gut voneinander zu unterscheiden, Bärlauch blüht in einem kleinen, rundlich anmutenden weißen Blütenbüschel, während sich die Blüte des Aronstabs in einem langen gelben Stab zeigt.

Merkwürdiger Tod des Vetters

Carl erinnerte sich an das vom Piperidin abgeleitete Coniin, das wie im Gefleckten Schierling, als so genanntes Pseudoalkaloid, ebenso in der Blüte des Aronstabs vorkommt. Auf Insekten betäubend und als Nervengift auf Menschen jedoch tödlich wirkt. Den griechischen Philosoph Sokrates, richtete die damalige Obrigkeit durch die
Gabe eines Schierlingsbechers im Jahre 399 vor Christus hin. Wollte seine geliebte Paula Vergeltung üben? Hatten sich ihre schlimmen Angstzustände seit dem Attentat auf ihr Leben in eiskalte Rachegelüste gewandelt? Carl durchlief ein kalter Schauer. Findus berichtete, dass man Paula des heimtückischen Mordes verdächtige. Da nach dem merkwürdigen Tod ihres Vetters Wilhelm, aus Scham über dessen Todesursache, kein Leichenschmaus veranstaltet wurde, habe Paula Engel nämlich Lucian Teufel, den trauernden Sohn ihres Vetters, nach der Beisetzung zu einem kleinen familiären Abendessen zu sich nach Hause eingeladen. Zuerst gab es eine Pasta mit frischem
Bärlauch aus dem Garten – zum Hauptgang, Rindergulasch im Reisrand, dazu Eichblattsalat, kam es für den Vergifteten ihn jedoch nicht mehr – Lucian wand sich von qualvollen Schmerzen gepeinigt, bereits kurz nach der Vorspeise am Boden. Als der von Paula herbeigerufene Notarzt endlich weit nach Mitternacht eintraf, war das Dessert verspeist, Vanilleeis mit heißen Himbeeren, und Lucian tot.

Der Notarzt vermutete sofort eine Vergiftung und rief die Polizei hinzu. Man könne Paula halt nichts nachweisen, da auch sie selber von Ihrem zubereiteten Essen gegessen hatte und ja dann eigentlich ebenso hätte daran sterben müssen. Carl Eugen Friedner schloss mit einem tiefen Seufzer die Augen – sein Leben würde noch heute zerrinnen und er würde wohl nie mehr in die sanften grünen Augen seiner geliebten Paula blicken können … Fortsetzung folgt

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rlauch

https://de.wikipedia.org/wiki/Coniin

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/pflanzen/pflanzenportraets/wildpflanzen/03392.html

https://seelengaertner.at/des-baerlauchs-giftige-doppelgaenger-das-maigloeckchen/

   Sende Artikel als PDF   
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.