Wofür alter Adel doch noch gut ist

Für den Soziologen Michael Hartmann ist der Hype um Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ein weiterer Beleg, wie stark unsere Gesellschaft noch immer von traditionellen Führungskreisen beherrscht wird. Und er sieht darin ein Problem.

Gefunden von Axel Wiczorke, Hohenlohe-ungefiltert

Zwar geht es in dem Artikel um Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg – in weiten Teilen des Interviews fühle ich mich aber an die Situation vor Ort erinnert – sehr lesenswert und auf den Punkt gebracht:

Der Adel wurde in Deutschland 1918 politisch entmachtet. Wie kann es sein, dass es über ihn noch immer so viele positive Vorurteile in der Bevölkerung gibt?

Wie gesagt, es gibt beides: Positives und Negatives. Zum einen gilt der Adel als arrogant, abgehoben, elitär. Zum anderen schwingen, wenn man seinen Namen nennt, die Jahrhunderte mit. Es riecht nach Kultur und Bildung. Dahinter steckt der Wunsch nach etwas Authentischem, das über den schnöden Alltag, auch den schnöden politischen Alltag, hinausweist. Da knüpft zu Guttenberg an: Seht her, ich komme nicht über die Ochsentour. Ich steh schon seit eh und je über den Dingen. (…)

Und was ist das Problem daran?

Dass Sie in Ihrem Alltag nur noch eine Lebenswirklichkeit vor Augen haben, nämlich die Ihrer eigenen sozialen Schicht. Und es ist natürlich ein Problem, wenn die führenden Kräfte in Wirtschaft, Justiz und Verwaltung praktisch nur diese eine Lebenswirklichkeit kennen. In diesen Eliten kommen in Deutschland bis auf den heutigen Tag höchst selten Menschen aus kleinen Verhältnissen vor, und in der Politik nimmt ihr Anteil auch ständig ab. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber diese Ausnahmen weisen sich häufig eher durch größtmögliche Anpassung an die Norm aus, statt durch Versuche, diese zu erweitern.

Was ist der gesellschaftliche Preis dafür?

Die Wahrnehmung von Problemen ist geprägt durch die eigene Herkunft und die damit verbundenen Interessen. Das gilt nicht in jedem Einzelfall, aber es gilt im Durchschnitt. Nehmen Sie das Beispiel Studiengebühren und die Entscheidung der Verfassungsrichter dazu. Im Kern basiert diese auf dem Eindruck, dass eine Semestergebühr von 500 Euro zwar unangenehm sei, aber nicht grundsätzlich das ganze Studium infrage stelle. Das ist richtig für solche Menschen wie Bundesverfassungsrichter, Professoren oder viele Politiker. Schon für Familien aus der unteren Mittelschicht aber nicht.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2170155_0_5670_-wofuer-alter-adel-doch-noch-gut-ist.html

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