Schlagzeilen wie: „Ausländische Geldgeber bluten Afrika aus“ und „BP zerstört in Brasilien die Savannen des Cerrado und bedroht die Regenwälder“ weisen darauf hin, der Kapitalismus ist wie eine Krake, die vor nichts und niemandem zurückschreckt. Gewinninteressen von Investoren haben weltweit Zerstörung und Massenarmut verursacht, wie das Beispiel des Agrobusiness zeigt. Wie muss sich bei uns die Politik ändern, dass in Zukunft Menschenrechte beachtet werden und sich Armut, Hunger und Elend nicht noch weiter ausbreiten?
Kommentar von Manfred Scherrmann, Schwäbisch Hall
Immer mehr Massenarmut, Hunger und Elend
Der Weltagrarbericht beschreibt, welche Auswirkungen die auf immer größere Produktionseinheiten ausgerichtete Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte auf die Natur und die Menschen hatte und hat. Ausgehend von den Industrienationen hat sich die Globalisierung wie ein überdimensionaler Teppich über die ganze Welt ausgebreitet. Unter diesem Teppich wurden riesige Naturräume zerstört, und mit ihnen die Lebensräume und Lebensmöglichkeiten von Millionen von Menschen. Unter dem Stichwort der „grünen Revolution“ wurde eine gigantische Steigerung der Nahrungsmittelproduktion versprochen. Viel Geld fraß sich daraufhin wie ein Moloch in intakte Natur- und Kulturräume und schuf riesige Monokulturen, ökologische Wüsten mit Millionen von Menschen, deren Lebenssituation sich einschneidend verschlechterte. In Folge dieser Politik nahmen Massenarmut, Hunger und Elend Ausmaße an, wie es sie noch nie gab. Annähernd eine Milliarde Menschen litten letztes Jahr an Hunger und Mangelernährung. Die Agrar- und Wirtschaftspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte ist dafür verantwortlich.
Weltbank hat die Finanzierung der Palmölindustrie für sechs Monate gestoppt
Gewinner war die Agroindustrie mit ständig wachsenden Umsätzen, die darüber hinaus oft vom Staat große Summen an Subventionen bekam, ebenso wie andere Global Player im Agrobusiness, zum Beispiel Kapitalgesellschaften mit großem Landbesitz und private Großgrundbesitzer. Verlierer der Globalisierung sind bei uns viele Landwirte, die für ihre Produkte Dumpingpreise erhalten, zum Teil unter den Produktionskosten, wie zum Beispiel die Milchbauern. Verlierer gibt es weltweit, so auch Millionen von Kleinbauern in den Tropen, denen ihr Land geraubt wurde. In Mittel- und Südamerika, in Asien und in Afrika fand und findet Landkauf und Landraub in unvorstellbaren Dimensionen statt. Dagegen haben bisher einige Wissenschaftler und viele NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) Widerspruch eingelegt. In deren Folge gab es im September 2009 einen kleinen Lichtblick: Die Weltbank hat die Finanzierung der Palmölindustrie für sechs Monate gestoppt. Danach sollen in Zukunft soziale und ökologische Kriterien bei der Vergabe von Krediten beachtet werden. Das ist einmal ein im wörtlichen Sinne notwendiger Richtungswechsel.
Zur effektiven Armutsbekämpfung fehlte bisher der politische Wille
Ganz allgemein bekommt die Armutsbekämpfung in unserer globalisierten Wirtschaft nur eine sehr untergeordnete Rolle. Durch sie werden die Wunden der Globalisierung nur punktuell versorgt, wobei es für große Wunden allenfalls kleine Pflaster gibt. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Fischer fasst die Ergebnisse der Entwicklungspolitik in vier Thesen zusammen:
1.) Zur effektiven Armutsbekämpfung fehlte bisher der politische Wille.
2.) Die „Globalisierung“ stellt die „Soziale Frage“ des 21. Jahrhunderts – unter verschärften Bedingungen.
3.) Die gegenwärtigen Bedingungen der „Globalisierung“ vernichten die Existenzgrundlage von Millionen.
4.) Massenarmut als globales Problem kann nur in globaler Verantwortung beseitigt werden.
Reiche Länder wie Deutschland denken egoistisch
Die Bundesregierung reagiert laut Fischer wirtschaftspolitisch auf die Folgen der Globalisierung nach der Devise: „Wir setzen uns für die Beseitigung der globalen Armut ein, allerdings bestehen wir auf Vollbeschäftigung im eigenen Land und weltweitem Marktzugang für unser Kapital und unsere Produkte.“ Dadurch wird die Armutsbekämpfung der Bundesregierung eine Art Feigenblatt, das verdecken soll, wie wirklich zur Sache gegangen wird und was alles an negativen Folgen der eigenen Wirtschaftspolitik in Kauf genommen wird. Wer sich informiert, kennt die Doppelbödigkeit der deutschen Politik. Ohne Verzicht auf die Machtausübung durch private Kapitalgesellschaften und auf das Vorgeben der einseitigen Rahmenbedingungen, wie Zusammenarbeit zu geschehen hat, sind armutsorientierte Projekte im Rahmen sogenannter „Entwicklungszusammenarbeit“ auf der Ebene der Politik wenig glaubwürdig, denn sie haben nur marginale Auswirkungen. Der Trend hin zu Aufkauf und Ressourcenverwertung ist eindeutig, und diesen gilt es umzukehren. Solidarität kann nur gelingen bei Verzicht auf Privilegien und Ausbeutung.
Wer mithelfen will, dass der Trend nicht umgekehrt wird, wählt am kommenden Sonntag die FDP oder die CDU. Bei der SPD und den Grünen ist ziemlich unklar, wohin die Reise geht. Schon öfters verwandelten sich soziale Lippenbekenntnisse vor der Wahl in Makulatur nach der Wahl.