„Schweigen, Lügen und Vertuschen – Wenn die Wahrheit nicht mehr öffentlich wird“, heißt eine Veranstaltung der Journalistenfortbildung am 10. November 2009 in Mainz. „In der Öffentlichkeit wird die Wahrheit unterdrückt“, sagte Professor Dr. Paul Kirchhof, im Juni 2009 im Magazin der Süddeutschen Zeitung.
Pressemitteilung des MainzerMedienDisput (MMD)
Medien werden als das verlässliches Navigationssystem gebraucht
Der ‚Professor aus Heidelberg‘ hat Recht. Was der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht und CDU-Steuerexperte sagt, denken viele, sprechen aber nur wenige aus. Aber – mitten in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise der Bundesrepublik – ist die vielbeschworene Zivilgesellschaft mehr denn je auf die Wahrheit angewiesen. In diesen Zeiten, in denen täglich mit Milliarden-Subventionen „jongliert“ wird, werden die Medien als das verlässliche Navigationssystem gebraucht.
Medien haben undurchschaubare Gier-Fonds nicht wirksam kritisiert
Nur: ähnlich wie die Politik haben auch die Medien „gefehlt“, als es darum ging, phantastische Geschäftsmodelle und undurchschaubare Gier-Fonds wirksam zu kritisieren und damit ihre Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Schneller als erwartet hat man sich an ungenutzte Rettungsschirme, toxische Bad-Banks und schweigende Banker gewöhnt. Nur selten bricht jemand aus diesem Kartell der stillschweigenden Zustimmung aus und sagt laut und deutlich, was Sache ist.
Wall Street hat nur eine Schlacht verloren, nicht den Krieg
Einer, der den Mut dazu hatte, in aller Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen, ist Eggert Voscherau, der Aufsichtsratchef der BASF. Mitte Juni rief Voscherau seinem Publikum im Ludwigshafener Feierabendhaus zu: „Die Wall Street hat nur eine Schlacht verloren, nicht den Krieg.“ Kein Finanzprodukt, das den „Weltbrand“ entfacht habe, sei bislang verboten. „Nichts, wirklich nichts“ sei bisher geschehen, um eine Wiederholung dieser Krise zu verhindern. Nur leiser seien die Banker geworden – und mehr auch nicht. Sein Fazit: „Die Politik scheut noch immer die Machtfrage.“
Journalistische Kompetenz wird ausgedünnt
Hier knüpft der 14. MainzerMedienDisput (MMD) unmittelbar an und fragt: Gibt es den kritischen Journalismus heute noch? Wenn ja, ist er so ausgestattet, dass der Verfassungsauftrag, Kritik und Kontrolle auszuüben, noch zureichend praktiziert werden kann. Täglich laufen neue Entlassungspläne der großen Verlagshäuser über den Ticker: mal geht es um 150 Redakteure*, die ihren Job verlieren sollen, mal um 200, gelegentlich um mehr. Wichtige Titel werden eingestellt, große Fachredaktionen zusammengelegt, die journalistische Kompetenz ausgedünnt. Die öffentlich-rechtlichen Sender stellen sich auf ein Minus von 15 Prozent ihrer Etats ein und kürzen zum Teil bereits heute klassische Informationsprogramme.
Redaktionen werden ausgepresst
Wir fragen: Wohin führt das, wenn Verlage und Sender weiter ihre Redaktionen auspressen? Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung für einen qualifizierten, untersuchenden Journalismus? Brauchen die Medien – so wie Quelle, Opel, Schiesser – staatliche Hilfen und Steuererleichterungen? Sind gebührenfinanzierte Zeitungen nur eine fixe Idee – oder wird dieser Rettungsring eines Tages geworfen?
Es geht um Unabhängigkeit, Skeptizismus und Distanz zur politischen Maschinerie
Die Folgen dieses langfristigen Trends hat Walter Pincus, amerikanischer Pulitzer-Preisträger nüchtern analysiert: „Es gibt viele gute Journalisten, ohne Zweifel, aber auch jede Menge, denen das Haus im Grünen wichtiger ist als eine gute Geschichte. Um was geht es? Um Unabhängigkeit, Skeptizismus, Distanz zur politischen Maschinerie. Aber gibt man Journalisten heute die Freiräume und die Zeit, bestimmte Erfahrungen zu machen? Wir leben in einer PR-Gesellschaft.“ (Die Welt, 5.3.2009)
Weitere Informationen zum 14. Mainzer Mediendisput:
Schweigen, lügen, vertuschen. Offenbar auch in der Politik.
Hier ein aktueller Kommentar von Thomas Berbner, NDR
http://www.tagesthemen.de/multimedia/video/video695240.html
Die Menschen in diesem Land, in dieser Region, sparen und kaufen preisbewusst ein, damit sie Rücklagen für ihre Altersversorgung bilden können, die anstehenden Reparaturen am Haus bezahlen können, das nächste Auto kaufen. Die Kommunen versuchen, teilweise verzweifelt, die Auswirkungen der Finanzkrise zu bewältigen, schließen Schwimmbäder, Sporteinrichtungen, müssen soziale Dienste einstellen etc.
Internationale Finanzseilschaften hingegen spekulieren mittlerweile systematisch gegen Staaten, mit dem Ziel gravierende Krisen herbeizuführen und Völkergemeinschaften mit Profit finanziell zu Fall zu bringen, was dann Jahre oder Jahrzehnte lange Schuldendienste bewirkt. Eine Hinterlassenschaft für Kinder und Enkelkinder. Beispiele: Griechenland, Island. Zunehmend gefährdet: Portugal, Spanien, Italien. Bisher vertuscht: Großbritannien, USA. Auf dem Weg dahin und bisher zahlend: Deutschland. Manche bezeichnen das als Krieg. Die Waffen: Die Wirtschaftsordnung und ganze Staaten bedrohende Finanzwetten, Derivate u.a.
Die Politik schaut zu und handelt nicht. Wenn man sich den Kommentar von Thomas Berbner anhört, kann man den Eindruck gewinnen, dass offenbar auch für die Politik gilt: Schweigen, lügen, vertuschen. Ich frage mich, wie lange sich die Menschen das noch brav gefallen lassen.