Die Kreisverbände der SPD Schwäbisch Hall und Hohenlohe tagten kürzlich gemeinsam im Rahmen des „Eschentaler Kreises“. In diesem Kreis finden sich regelmäßig SPD-Funktionsträger aus dem Bundestagswahlkreis 268 zusammen. Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter Nik Sakellariou hatte zusammen mit Bundestagskandidatin Annette Sawade, der Sprecherin des „Eschentaler Kreises“, zu diesem Austausch kurz nach der Bundestagwahl eingeladen. Zahlreiche Mitglieder aus beiden Landkreisen sind gekommen. Es wurde lebhaft und intensiv über den Ausgang der Bundestagswahl diskutiert, vor allem aber mit dem Blick nach vorne gerichtet.
Von Walter F. Leyh, Pressesprecher des SPD-Kreisverbands Schwäbisch Hall
Erneuerungsprozess von „unten nach oben“
Diskutiert wurde vor allem zu Inhalten und künftiger Ausrichtung, aber auch zu strukturellen und organisatorischen Verbesserungen und nicht zuletzt zur personellen Erneuerung auf Landes- und Bundesebene. Frühzeitigen Vorfestlegungen bei den anstehenden Personalentscheidungen durch Führungsgremien oder auch unter Druck der Medien wurde von der versammelten Basis eine Absage erteilt. Es wurde einhellig ein Erneuerungsprozess von „unten nach oben“ befürwortet, wie ihn auch der Landesvorstand in seiner Sitzung im Stuttgarter Landtag am Abend zuvor ins Visier genommen hat.
Desaströses Abschneiden der SPD – Emotionalisierung nicht gelungen
Sawade und Sakellariou gaben zunächst einen Überblick über die Wahlergebnisse landesweit und nannten Gründe für das desaströse Abschneiden der SPD bei dieser Wahl. Trotz der auch hier im Kreis hohen Verluste für die SPD, ist Sawade mit ihrem persönlichen Ergebnis im Vergleich mit dem landesweiten zufrieden. Sie nennt die starke Zunahme der Nichtwähler, massive Wählerwanderung und den Höhenflug der FDP als Gründe. Das „Wir-Gefühl“ sei weg und eine Emotionalisierung nicht gelungen, analysiert sie in Anlehnung an die Landesvorstandssitzung weiter. Nik Sakellariou fügt an, dass er bis zum Wahlabend mit keinem Gedanken an diese Möglichkeit gedacht habe und – wie die anderen Anwesenden auch – von einer sicheren Vertretung der SPD des Wahlkreises in Berlin durch Annette Sawade ausgegangen sei.
Wähler wollten keine Neuauflage der großen Koalition
In seiner weiteren Analyse nannte er den „Anti-Ampel-Parteitag“ der FDP kurz vor der Wahl und, dass die Wähler keine Neuauflage der großen Koalition wollten. „Die Wähler wollten keine Neuauflage der großen Koalition und glaubten nicht an die Möglichkeit für eine Ampel.“ So Sakellariou in seiner Analyse. „Somit wäre eine Stimmabgabe für die SPD eine Stimme für eine große Koalition gewesen, was die meisten Wähler aber gar nicht wollten und was dem Profil der SPD zusätzlich geschadet hätte“, so der SPD-Kreisvorsitzende. Die Diskussion um einen notwendigen Linksruck in der SPD hält Sakellariou für falsch, die Inhalte würden stimmen, ist er sich sicher. Er kritisiert deutlich vorzeitige personelle Festlegungen des Bundesvorstandes und erinnert an die Mitgliederbefragung von 1993, als sich Gerhard Schröder, Heidemarie Wieczorek-Zeul und Rudolf Scharping um den Vorsitz bewarben und strich die positive Wirkung heraus, die dieses Verfahren in die Partei hinein, aber auch nach außen hatte. Ein entsprechendes Abstimmungsverfahren gab es später auch in Baden-Württemberg zwischen Ute Vogt und Sigmar Mosdorf, mit ebenso positiver Resonanz. Gelobt wurde in diesem Zusammenhang, dass es auf Landesebene bisher keine Personenvorschläge gibt, man wolle sich hier stark an der Basis orientieren und zusammen mit dieser zu Entscheidungen kommen, hieß es.
Sakellariou: Medien gehen oft zu wenig in die Tiefe
Ein Diskutant wies auf die niedrige Attraktivität der SPD insbesondere bei Jungwählern hin, dort läge der Stimmenanteil entsprechend niedrig. Ein weiterer sprach davon, dass die Agenda 2010 der SPD das Genick gebrochen habe und nun zu diesem Niedergang führte. Traditionell wurde der SPD Soziale Gerechtigkeit und Soziale Kompetenz zugeschrieben, dem ist heute nicht mehr so, wie ein weiterer Teilnehmer feststellte. Sakellariou kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Medien oft zu wenig in die Tiefe gingen, nur Schlagworte gebrauchen und auch die Historie unterschlagen. Er belegte dies anschaulich mit dem Beispiel einer allein erziehenden dreifachen Mutter und deren Versorgung und Sicherung vor 30 Jahren und heute – die Handschrift der SPD sei hier sichtbar geworden. Mehrfach wurde auch kritisiert, dass sich Führungsgremien und Fraktionen in Bund und Land von der Basis zu weit entfernt haben.
Sawade brachte großen Einsatz
Schließlich kam auch der Dank nicht zu kurz. Zunächst bedankte sich Annette Sawade mit einem Präsent bei ihren engsten Wahlhelfern: Wahlkampfleiter Rolf Felix Zwiener (ehrenamtlich), Geschäftsstellenleiterin Christl Scherrle-Dietenmaier (ungezählte Überstunden), Dieter Belschner (ehrenamtlich) – alle aus Crailsheim. Sie weitete ihren Dank auch ausdrücklich auf alle Helfer und Organisatoren vor Ort aus, ohne die der Wahlkampf nicht gelungen wäre. Sie lobte den Wahlkampf insgesamt als eine runde Sache und möchte die Menschen, die sie dabei kennen lernen durfte auch zukünftig nicht missen. Auch Nik Sakellariou schloss sich dem Dank an und überreichte zunächst einmal der Kandidatin selbst ein Präsent. Er hob Sawades großen Einsatz hervor, sie sei bereits von Stuttgart aus fast ein Jahr im Wahlkreis präsent und unterwegs gewesen, so dass nicht zu merken war, dass sie erst ab August hier wohnte. Weitere anerkennende Präsente erhielten auch Rolf Felix Zwiener, Christl Scherrle-Dietenmaier und Dieter Belschner.
Tiefes Tal als Chance nutzen
Die Teilnehmer loben schließlich die offene, kontroverse, konstruktiv und zukunftsorientierte Diskussion, eine solche sei lange nicht mehr geführt worden, stellte ein Teilnehmer fest und stieß damit auf breite Zustimmung. Die Diskussion soll in den nächsten Wochen im Kreisvorstand, beim Kreisparteitag und im „Eschentaler Kreis“ fortgesetzt und intensiviert werden. So kann das tiefe Tal, durch das die SPD nun schreiten muss, auch zu einer Chance werden, wieder verstärkt positiv in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden und für Mitglieder und Wähler wieder attraktiver zu werden, waren sich die Teilnehmer sicher.
Wenn die SPD dann Seit an Seit durch das tiefe Tal schreit‘ …
Spätestens beim „mit uns zieht die neue Zeit“ klingts dann wies Pfeifen im finstern Walde.
GenossInnen, auf die Tradition ist gesch… – wenn die Menschen aus Protest(!) den Westerwelle wählen (das kann gar kein Kabarettist als Horrorvision erfinden, auf sowas kommt nichtmal der alte Hildebrandt, das kann nur die Realität!), dann solltet Ihr endlich begreidfen, wie weit Ihr Euch in der Wirklichkeit schon von den Menschen entfernt habt.
Nicht nur die Parteispitze, auch die Ortsverbände! Wo wart Ihr im Wahlkampf? Ich habe dunkelrote, grüne, gelbe, schwarze und sogar braune gesehen – aber Euch habe ich nicht gesehen, wenn ich im Städtle war! Salonsozialdemokraten seid Ihr geworden, wies scheint!
„Als ich mit Bebel kommen wollt, hast du die Bibel rausgeholt
Heut wärmst den faden Kohl du auf, und hoffst, nun kämen Fans zu Hauff
Es ist schon lang gelöscht, der Brandt,
vorbei, was ich so prickelnd fand
Siehst du wie ein verblühter Strauß und ziemlich schmidtgenommen aus
…
Du amputiertest voller Lust
die linke Hälfte deiner Brust
und das nicht mal aus Versehn.
O SPD du läßt dich gehn, Du läßt Dich gehn …“
dieser Text von Eckes Frank, der damit vor gechätzten 30 Jahren(!) ein Lied von Moustaki ins Deutsche übersetzt hat, kam mir gerade wieder in den Sinn. Damals schon einmal die linke Hälfte eamputiert, heute nochmal, was bleibt da noch von de Sozialdemkratie übrig?
Tja, dann marschiert mal schön, GenossInnen, auf eurem langen Marsch, den Ihr jetzt vor Euch habt. Ob Ihrs noch in der Hand habt, die Richtung selber vorzugeben – ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.
Ein desillusionierter
Rumpelfüßler, der noch echte Straßensozialdemokraten erlebt hat.
Gerade nochmal nachgeschaut: Nicht Moustaki sondern Aznavour. Und der hats sogar auf Duetsch gesungen, „du läßt Dich gehn“.
Keine Sorge, ich habe auch noch echte Sozialdemokraten erlebt, ich will hier keine Namen nennen, aber aus den Ortsvereinen Crailsheim und Kirchberg fallen mir jede Menge ein. Dennoch, Nik hat recht, die Medien verkürzen komplexe Sachverhalte in mundgerechte Darstellungen, lassen Wenn und Aber und – fast wichtiger noch – Woher und Warum einfach weg. Wer nur hört, es gibt mehr Kurzarbeit in Deutschland, sieht das als schlechte Nachricht. Wer aber erfährt, wieviel Menschen so ihre Familien ernähren können und vor Hartz IV verschont bleiben, wieviel Kindern es um wieviel (tja, schon wieder ein Problem: Wie mißt man das eigentlich?) besser geht, wer – und das ist das kardinale Problem dabei – FÜHLT, daß ein Vorteil auch darin bestehen kann, einen Nachteil vermieden zu haben, wer so differenziert denkt, der wählt auch weiterhin SPD. Deren Fehler allerdings, und das sei meinem Freund Nik an dieser Stelle gesagt, könnte auch darin bestehen, sich nicht hinreichend auf die Erfordernisse des Politik- und Medienmarktes eingestellt zu haben. Hier besteht, ich möchte es einmal vorsichtig sagen Optimierungspotential.
Zum Schluß noch dies: Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat in Deutschland bisher weder zu einem horrenden Staatsdefizit noch zu großer Arbeitslosigkeit geführt. Beide Werte sind zwar in Zonen aufgerückt, die wir gemeinhin für kritisch halten, aber in Anbetracht des Ausmaßes der Krise akzeptabel sind. Und wer hat’s bewerkstelligt? Der Arbeits- und der Finanzminister. Olaf Scholz und Peer Steinbrück. Und die sind beide von der SPD!!!
Strohmi, Sie haben das Problem sehr schön beschrieben: Arbeits- und Finanzminister haben die Finanzkrise geschultert (das laß ich jetzt einfach mal unwidersprochen stehen).
Mit der Hochfinanz umgehen können sie also – aber wie steht es mit den Menschen, mit der realen Welt? Davon hat sich die SPD sehr weit entfernt und der „V“-Ackermann kann Scholz und Steinbrück nunmal nicht wählen.
Ich habe den Eindruck, daß es sich hier nicht nur um „kommunikative Defizite“ der Partei(führung) oder die bösen „verkürzenden Medien“ handelt -das ist mir einfach zu einfach, die Schuld pauschal bei Anderen zu suchen!- sondern daß es sich bei der Entfernung von der Basis um eine innere Einstellung handelt.
Vielleicht haben Sie recht, daß die Sozialdemokratie in Kirchberg und Crailsheim aktiv Wahlkampf betrieben hat – in Künzelsau habe ich die SPD im Wahlkampf sehr vermißt! Und das ist ein weiteres Indiz, wie weit die SPD von den Menschen weg ist: Ich habe nicht ein einziges Mal am Samstag (natürlich kann ich nur über die Tage sprechen, an denen ich auch da war) einen Infostand der SPD in der Stadt gesehen (obwohl sich mitten in der Stadt sogar das Büro der Europaabgeordneten befindet!), alle anderen Farben waren wie gesagt regelmäßig vertreten! Das hat mir sehr zu Denken gegeben.
Ein guter und öffentlichkeitswirksamer Anfang einer Erneuerung von unten wäre es, wenn der „Abnickparteitag“ die Rot-Schwarze Koalition den Hern Matschie eben nicht abnicken würde …
Siehe hierzu auch: Nominierung der neuen SPD-Spitze: „Das ist Ämterpiraterie“ – Einen Brief hat er schon geschrieben, jetzt legt SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer im stern.de-Interview nach: Scharf attackiert er die Nominierung der neuen Parteispitze – und fordert, dass Sigmar Gabriel sich auf dem Parteitag einem Gegenkandidaten stellen müsse.
Scheer: „Das gab es noch nie in der SPD. Was in den letzten Tagen ablief, ist ein bisher einmaliger Akt der Selbstnominierung einer neuen SPD-Parteiführung durch einen kleinen, von niemandem autorisierten Personenkreis. Überfallartig wurde damit jedwede Willensbildung in der Partei selbst sowie des Präsidiums und des Parteivorstands übergangen. Dies widerspricht allen demokratischen Gepflogenheiten und Regeln.“
http://www.stern.de/politik/deutschland/nominierung-der-neuen-spd-spitze-das-ist-aemterpiraterie-1512535.html
Ein Wahldesaster nach dem anderen, massive Konkurrenz von links. Die Parteien der demokratischen Linken stecken in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Das Ende der sozialdemokratischen Geschichte?
http://www.profil.at/articles/0940/560/252486/ende-sozialdemokratie-konkurrenz-wahldesaster-orientierungslosigkeit
Das ist es, was die SPD unwählbar macht: Es gibt keine Verbindung mehr von der Parteispitze zum Volk und auch keine zur eigenen Basis. Eine Partei ist schließlich nicht nur deshalb eine Volkspartei, weil sie vom Volk gewählt wird.
Die Presse hat viel zum Niedergang der SPD beigetragen. Sie setzte auf den alten Mann Müntefering, der sich in egomanischer Manier und völliger Verkennung der eigenen Wirkung durch Ausbreitung seines Privatlebens bei Bild und anderswo lächerlich gemacht hat. Währenddessen war Eindreschen auf Frau Nahles angesagt. Ein Gespann Beck / Nahles hätte 5% mehr eingefahren, aber so ein Ergebnis hätte man ihnen als Verlust sauer gemacht.
Die Grünen haben ihr bestes Wahlergebnis erhalten. Ihr Umgang damit ist ganz unspektakulär. Welch testosterongespeistes Geröhre wäre einem zu Ohren gekommen, hätten sie mit Herrn Fischer an der Spitze jemals so ein Ergebnis eingefahren.
Die Übernahme des Modells Blair hat die sozialdemokratischen Parteien zum Niedergang geführt. Man glaubte gutes zu tun, wenn man den letzten alten kranken Sozialhilfeempfänger zur Arbeit antreibt und die arbeitslos Gewordenen – selbst nach 30 Jahren Arbeit – binnen 2 Jahren mit diesem gleichstellt.
Auch musste man auf eine Kanzlerin Merkel warten, unter der nun endlich die Deserteure des zweiten Weltkrieges rehabilitiert wurden.
Wie man der Presse entnimmt, lässt sich Tony Blair für seine Reden 100 000 Euro pro Auftritt bezahlen. Herr Schröder und Herr Fischer gehen ihren Geschäften bei Gazbrom, Mercedes und anderswo nach.
Dem Aufbruch der SPD mit Brandt und später Schmidt an der Spitze folgte ein Niedergang, in dem man glaubte, die Positionen der Gegenparteien rechts überholen zu müssen; nicht zuletzt, weil man im privaten Verhalten längst dort angekommen war. Das führt zu Unkenntlichkeit und somit zur Unwählbarkeit.
Die Bevölkerung ist mündiger geworden. Sie weiß zwischen verbalen Bekenntnissen und Handeln zu unterscheiden.
tja, Gisela Deininger-Meyn und Rumpelfüßler haben wohl weitgehend recht, die SPD-Spitze muß sich etwas überlegen, und zwar schnell – für strategische Entscheidungen braucht man aber Zeit und einen breit angelegten Diskussionsprozeß; bis zur nächsten Wahl steckt die SPD sicherlich immer noch in diesem Dilemma; aber nicht nur Programme sind entscheidend, auch Personen; sie stehen für Sachaussagen;
und da sehe man sich mal die Kanzlerkandidaten der SPD an:
1983: Vogel, ärmelschonertragender Bürokrat
1987: Rau, Bruder Johannes
1990: Sondersituation wegen deutscher Einheit
1994: Scharping, „wie klein muß eine Aufgabe eigentlich sein, daß Rudolf Scharping nicht an ihr scheitert? [Zitat ist glaube ich aus Welt-online und bezieht sich auf einen Skandal im Zuge der Radweltmeisterschaften in Stuttgart]
1998: Richtiger Kandidat, richtiger Parteivorsitzender – und es hat geklappt.
2009: Steinmeier – genialer Spitzenbeamter, 1. Mann der 2. Reihe
Bisher waren die meisten Kanzlerkandidaten der SPD reichliche Langweiler – und denen traut die Bevölkerung nichts zu. Das müßte langsam aber sicher auch bei der SPD angekommen sein.
Für 2013 könnte ich mir Sigmar Gabriel gut vorstellen. Er muß jetzt aufpassen, daß er keine allzu großen Fehler macht, Seilschaften ausbauen, vor allem aber den Kontakt zu Medien wieder ausbauen.
Denn daß die Medien die SPD nicht mögen, hat Schröder widerlegt. Aber Langweiler, die mögen sie nicht. Und irgendwie haben sie damit auch ein klein wenig recht, finde ich.