Nachlese zum Bildungsstreik: von der Erklärung des Bildungsstreiktreffens in Münster, den ’neuen Studenten‘ sowie einer Schriftenreihe zum Thema.
Gefunden von Axel Wiczorke, Hohenlohe-ungefiltert
Der Bildungsstreik 2009 hat politisch einige Debatten eröffnet, die nun zu führen sind. Die Ziele der Studierenden und SchülerInnen sind zu präzisieren, um sie durchsetzen zu können. Dabei kann an Erarbeitetes angeknüpft, es muss jedoch auch Neues entwickelt werden. In zahlreichen Fragen im Umgang mit der anstehenden Reform der Bolognareform, in der Argumentation gegen Studiengebühren, in der ›Exzellenz-‹ und ›Elite-‹ Debatte sind Positionen zu entwickeln oder zu schärfen. Die Praxis des Streiksemesters ist durch theoretische Überlegungen zu ergänzen und beides gemeinsam politisch fruchtbar zu machen. Aus diesem Grund haben der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) und Studis Online entschieden, Texte online verfügbar zu machen, die bisher als Printpublikationen im BdWi-Verlag erschienen sind. Zu den einzelnen Themen der Reihe wird zudem jeweils eine kommentierte Literaturliste bereitgestellt, die auf ein paar weitere Texte verweist. Damit wollen wir politisch Aktiven, aber auch politisch Interessierten die Möglichkeit geben, bestehendes Wissen in ihre Überlegungen einfließen zu lassen. http://www.studis-online.de/HoPo/Bildungsstreik/streik-aber-dann.php
Das bundesweite Bildungsstreiktreffen in Münster hat anlässlich der 327. Kultusministerkonferenz vom 16. Oktober eine Erklärung verabschiedet und darin die auf der Konferenz gefassten Beschlüsse als unzureichend zurückgewiesen.
Der Wortlaut der Erklärung ist folgender: „Obwohl die Landesvertreter_innen sich kritikbewußt geben, wird den Forderungen des Bildungsstreiks nicht annähernd Rechnung getragen. Vornehmlich beruft die Kultusministerkonferenz (KMK) sich auf die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Studie des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD), um den Erfolg des Bologna Prozesses zu belegen. Tatsächlich beruhen die positiven Daten aber auf den alten Diplom – und Magisterstudiengängen. In den neuen Bachelor /Master Studiengängen ist die nationale und internationale Mobilität der Studierenden eingebrochen und die Abbrecher_innenquoten sind in die Höhe geschnellt. Auslandserfahrungen sind sowohl für Studierende als auch für Schüler_innen unter anderem durch das Turbo Abitur (G8) nahezu unmöglich geworden. In ihren Erklärungen sinnieren die Minister über erhöhte Mobilität der Studierenden, was der Realität Hohn spottet.
Die Universitäten erklärten in der „Magna Charta der Universitäten“ die Bildung als nachhaltige und essentielle Qualität im Dienst der Gesellschaft. Im Gegensatz dazu sind die von der KMK 2003 beschlossenen Strukturvorgaben ein Beispiel für Inflexibilität und Überregulierung. Hier werden den Hochschulen im Hinblick auf die Gestaltung der Studiengänge und der Anerkennung von europäischen Master -Abschlüssen überflüssige Schranken auferlegt.
Auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Prof. Dr. Margret Wintermantel, hat richtig erkannt, dass die KMK hier ihre Hausaufgaben nicht erledigt hat und sich der Kritik gegenüber taub stellt. Frau Schavan kann nur in Verblendung oder Unkenntnis der Lage gleichmütig davon sprechen, daß der Spielraum für eine freiere Ausgestaltung der Studiengänge vorhanden sei. Mit den aktuellen Beschlüssen beauftragte die KMK wieder nur andere, etwas zu tun: Die Bundesregierung mit dem Bafög- Ausbau, die Hochschulen mit Anerkennung von Studien und Prüfungsleistungen sowie der Anpassung der Regelstudienzeiten in den neuen Studiengängen.
Des weiteren ignoriert die KMK die ebenfalls gravierenden Missstände des Schulsystems. Exemplarisch genannt seien hier soziale Selektion durch mehrgliedriges Schulsystem, schlechte Lehr- und Lernbedingungen sowie fehlende Möglichkeit zur Mitbestimmung. Ebenso wird auf die Belange der Auszubildenden wie das Recht auf Ausbildung und garantierte Übernahme im erlernten Beruf nicht eingegangen.
Im Bildungsstreik haben sich Lehrer_innen und Schüler_innen, Auszubildende, Student_innen genauso wie Professor_innen und Dozent_innen mit anderen Leidtragenden des Bildungssystems zusammengeschlossen, wir kennen die Lage an den Bildungseinrichtungen aus erster Hand. Unsere Forderungen werden bisher ignoriert. Unser Protest geht weiter. Im November wird es weitere Protestaktionen geben, um unserem Ziel einer freien Bildung näher zu kommen. Weltweit wird es unter dem Motto „Education is not for sale“ Aktionen gegen die Kommerzialisierung von Bildung geben, da der Zugang zu Bildungseinrichtungen grundlegend für eine lebendige, reflektionsfähige und kritische Gesellschaft ist.“ http://www.extremnews.com/nachrichten/politik/2cd12b72157001
Die Studenten sind nicht mehr die alten: Auftakt einer StZ-Serie zum Thema Bildung/Universität.
Heute beginnt an den Universitäten die Vorlesungszeit. Für viele Nachwuchsforscher bedeutet das: kaum Zeit zum Luftholen. Kein Wunder, dass sie nicht mehr über den Tellerrand schauen. Die Studenten des Jahres 2009 haben keine Hymnen. Zwar durchleben sie einen kollektiven Umsturz ihrer Lebenswirklichkeit, und doch besingt keiner wie einst Bob Dylan diese neue Welt. Denn der Umsturz kommt nicht von unten, sondern er wurde vor zehn Jahren von 29 Bildungsministern in Bologna beschlossen. Wenn der Prozess, der in der italienischen Stadt eingeleitet worden ist, einmal zum Ende kommt, werden Deutschlands Studenten nicht mehr dieselben sein.
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2243994_0_2147_-die-studenten-sind-nicht-mehr-die-alten.html
Nachtrag: >Stipendienmodell der Koalition: “Schwarz-gelbe Träumereien”<. Was auf den ersten Blick wie ein warmer Geldregen für Studierende aussieht, ist bei genauerem Hinsehen ein Frontalangriff auf die Chancengleichheit im Bildungssystem. Denn weder werden neue Bildungspotenziale mobilisiert, noch soziale Ungleichheiten verringert - das Gegenteil ist der Fall. Das Pinkwart-Schavan-Modell unterstellt, dass sich Unternehmen erheblich an der Finanzierung beteiligen, nämlich zu 50 Prozent. Das sind schwarz-gelbe Träumereien. Aus meiner Abfrage bei Wirtschaftsverbänden und beim Stifterverband geht hervor, dass von Unternehmen mitfinanzierte Stipendien lediglich als Ergänzung zu einer staatlichen Ausbildungsförderung angesehen werden. Laut Stifterverband ist ein solches finanzielles Engagement konjunkturellen Entwicklungen unterworfen und von Unternehmens- und Brancheninteressen geleitet. Das ist alles andere als eine verlässliche Bildungspolitik. http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/2024908_Stipendienmodell-der-Koalition-Schwarz-gelbe-Traeumereien.html