Bei Stahl Schaltgeräte in Waldenburg haben 95 Prozent der Beschäftigten eine Vereinbarung unterschrieben, nach der sie ab sofort bis Ende Januar 2010 auf fünf Prozent ihres monatlichen Einkommens verzichten. Notwendig sei diese Maßnahme nach Angaben der Geschäftsleitung aufgrund der Wirtschaftskrise. Unterstützt wurde sie dabei von Teilen des Betriebsrates.
Von der IG Metall Schwäbisch Hall
Die Firma Stahl Schaltgeräte ist tarifgebunden
Durch ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband Südwestmetall ist die Firma Stahl tarifgebunden, das heißt, dort gelten die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie.
Die IG Metall Schwäbisch Hall nimmt zu den Vorgängen um den Lohnverzicht wie folgt Stellung:
Betriebsratsmehrheit Mitglied der arbeitgebernahen AUB (Stichwort Siemens)
Die Mehrheit des elfköpfigen Betriebsrates, darunter auch der Vorsitzende, gehört bei Stahl Schaltgeräte in Waldenburg der „AUB – Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger“ an. Einer Vereinigung, die bei Siemens in Erlangen mit finanzieller Hilfe der Geschäftsleitung gegründet und gefördert wurde, um gegen die dortigen IG Metall-Betriebsräte im Betrieb Politik für den Arbeitgeber zu machen. Der ehemalige Bundesvorsitzende der AUB, Wilhelm Schelsky, wurde wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt.
Kurzarbeit das Mittel der Wahl für Unternehmen und Beschäftigte
Normalerweise agieren Betriebsräte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes als Anwälte der Belegschaft. Vor allem jetzt in der Krise versuchen sie, die negativen Folgen für die Beschäftigten so gering wie möglich zu halten, vor allem mittels Vereinbarungen zu Kurzarbeit. Kurzarbeit ist das geeignete Mittel, um die vorübergehende Beschäftigungskrise in den Griff zu bekommen, finanziert durch die Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zur Arbeitslosenversicherung. Dieser Weg wird von der überwiegenden Zahl der Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie auch erfolgreich beschritten.
Ohne Reduzierung der Arbeitszeit soll auf Geld verzichtet werden
Bei Stahl Schaltgeräte in Waldenburg läuft es anders: statt Kurzarbeit soll ohne Reduzierung der Arbeitszeit auf Geld verzichtet werden. Eine Möglichkeit wäre gewesen, statt Kurzarbeit den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung anzuwenden. Der Betriebsrat kann den Verzicht auf das tarifliche Einkommen nicht für die ganze Belegschaft regeln. Das geht nur über eine „freiwillige“ Vereinbarung zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber.
Beschäftigte vom Vorstand und AUB-Betriebsräten unter Druck gesetzt
Bei Stahl wurden nach Aussagen der vier IG Metall-Mitglieder im Betriebsrat die Beschäftigten in einer konzertierten Aktion des Vorstandes und der Betriebsratsmehrheit unter Druck gesetzt. Es wurde mit Arbeitsplatzabbau gedroht, falls sich die Belegschaft weigern würde, auf Lohn zu verzichten. Die meisten Beschäftigten haben daraufhin ein ihnen vorgelegtes Papier unterschrieben. Nachdem der Erfolg für diese Vorgehensweise durch die Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der Belegschaft feststand, wurden die restlichen Beschäftigten mit dem Appell an ihre Solidarität „weichgekocht“.
Verstoß gegen geltende Tarifverträge
Bei der Firma Stahl Schaltgeräte gelten die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie. Eine Änderung der Arbeitsbedingungen kann gemäß Tarifvertragsgesetz – wenn überhaupt – nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien – IG Metall und Südwestmetall – vereinbart werden. Wer als Betriebsrat ein Aushöhlen von Tarifverträgen bewusst in Kauf nimmt, öffnet mit diesem Verhalten der Willkür Tür und Tor. Es stellt sich die Frage, inwieweit ein Betriebsrat noch seinen gesetzlichen Auftrag erfüllt. Ein Betriebsrat, der seine Aufgaben nicht kennt, der die Gesetze beugt, der die berechtigten Anliegen seiner Wählerinnen und Wähler nicht in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit stellt, stellt keine Interessenvertretung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes dar. Wenn ein tarifgebundenes Unternehmen wie Stahl Schaltgeräte wissentlich Tarifvertragsbruch betreibt, hat es wohl auch im Visier, dass dieses Vorgehen innerhalb des Arbeitgeberverbandes Schule machen soll.
Dividende für die Aktionäre wichtiger als das Einkommen der Beschäftigten
Wie schon in den vergangenen Jahren, wurde den Aktionären auch für dieses Jahr eine „schwarze Null“ versprochen und damit wohl auch Dividende. Nachdem in den letzten Jahren hohe Gewinne eingefahren wurden, wäre es überhaupt nicht notwendig gewesen, von den Beschäftigten einen Lohnverzicht zu verlangen. Schließlich waren sie es, die diese Gewinne erst durch ihre Arbeit ermöglicht haben. Mit Solidarität innerhalb des Unternehmens hat das nichts zu tun.
Spirale der Unterbietungskonkurrenz voll in Gang gebracht
Lohnverzicht hat noch keine Arbeitsplätze gesichert. Tarifliche Bedingungen sind eine Mindestabsicherung nach unten. Fallen sie erst einmal in einzelnen Betrieben, ist die Spirale der gegenseitigen Unterbietungskonkurrenz voll in Gang gesetzt. Dies wird die Belegschaft bei Stahl hoffentlich am Ende nicht schmerzlich zu spüren bekommen.
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