Hohenlohe-ungefiltert hat allen sechs Crailsheimer Oberbürgermeisterkandidaten zwischen zehn und zwölf Fragen gestellt. Die Kandidaten-Interviews werden in der Reihenfolge des Eingangs veröffentlicht. Gerald Widerspick hat als Vierter geantwortet. Als Einziger nicht geantwortet hat Gerhard Freisleben (CDU).
Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Bei bisher zwei Wahlveranstaltungen mit Ihrer Beteiligung war die Internetzeitung Hohenlohe-ungefiltert anwesend. In keiner der zwei Veranstaltungen haben Sie konkret dargelegt, warum Sie Ihren bisherigen Job als Maschinenbau-Ingenieur mit eigener Firma aufgeben wollen. Warum wollen Sie Ihren bisherigen Job nicht mehr ausüben?
GERALD WIDERSPICK: Hier geht es um ein öffentliches Amt – ich glaube, dass ich hier als unternehmerisch geprägter, sozial verantwortungsbewusster Mensch etwas bewegen kann. Im rechten Moment für Crailsheim. Natürlich habe ich mir im Vorfeld meiner Kandidatur Gedanken hinsichtlich meiner Firma gemacht. Die weitere Disposition hierzu ist aber keine Angelegenheit, welche ich in der Öffentlichkeit diskutieren möchte. Jeder Mensch hat die Freiheit sein Leben selbst zu gestalten. Ich auch. Und ich möchte mich einer neuen Herausforderung stellen – als Oberbürgermeister der Stadt Crailsheim.
Warum wollen Sie Oberbürgermeister werden – und: warum gerade in Crailsheim? Sie leben nach eigenen Angaben seit zwölf Jahren in Crailsheim. Haben Sie nicht Angst, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt?
Ich bin der festen Ansicht, dass Crailsheim jetzt einen unabhängigen, parteilich nicht gebundenen Oberbürgermeister braucht. Mein Ziel ist es nicht, in irgendeiner Stadt in Baden-Württemberg oder in einem anderen Bundesland eine Bürgermeisterkarriere zu machen. Mein Ziel ist es, hier in Crailsheim Oberbürgermeister zu werden, da wohne ich und für Crailsheim will ich mich engagieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein OB, der seinen langjährigen Wohnsitz in Crailsheim hat, sich besser für die Geschicke seiner Heimatstadt einsetzen kann und wird als ein „Externer“.
Kritiker von Ihnen bemängeln, dass Sie in Crailsheim nur die Unternehmen und die wirtschaftliche Entwicklung fördern wollen. Was werden Sie als Oberbürgermeister tun, um nicht die Marionette der Unternehmer und der Lobbyisten zu werden? Welche weiteren kommunalpolitischen Schwerpunkte haben Sie?
Diese Kritik ist mir neu. Ein permanenter Austausch von Informationen zwischen dem Oberbürgermeister und den Unternehmen, auch den kleinen und mittleren, ist wichtig, um deren Anforderungen und Wünsche an den Standort Crailsheim zu kennen. Daraus kann die Verwaltung zusammen mit dem Gemeinderat die passenden Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Crailsheim schaffen.
Bezüglich des Schlagwortes „Marionette“ kann ich mich nur wiederholen – ich bin nach allen Seiten frei und ungebunden. Zuletzt bestimmt ein jedes Unternehmen selbst, ob sie sich mit mir austauschen wollen.
Meine weiteren Ziele sind:
1. Gute Bedingungen für mögliche Neuansiedlungen von Unternehmen bereitstellen.
2. Eine transparente, offene und bürgernahe Verwaltung sicherstellen
3. Für alle Generationen – Jung und Alt – gute und lebenswerte Rahmenbedingungen bereitstellen und die Stadt auf den demographischen Wandel ausrichten.
4. Die Stadt Crailsheim als aktive und führende Sportstadt in der Region weiter fördern und die vielen Vereine mit ihren ehrenamtlich Aktiven unterstützen.
5. Die Stadtentwicklung weiter vorantreiben und Crailsheim als „Stadt im Grünen“, wenn möglich, auch als touristischen Anlaufpunkt in der Region bekannt machen.
6. Gute und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Rat der Stadt pflegen um die Ziele für Crailsheim zu erreichen.
Sie haben bisher noch keine praktische Erfahrung in der Kommunalpolitik als Gemeinderat, Kreisrat oder dergleichen gesammelt. Der Crailsheimer Gemeinderat gilt nicht gerade als harmloser Streichelzoo. Warum glauben Sie, dass Sie mit den unterschiedlichen kommunalpolitischen Ausrichtungen der Stadträte und mit dem in der politischen Auseinandersetzung notwendigen sachlichen Streit (hart aber fair) umgehen können?
Gemäß der Wahlausschreibung „Oberbürgermeister Crailsheim – kann dem Ausschreibungstext nicht entnommen werden, dass Verwaltungserfahrung oder Erfahrung aus anderen politischen Ämtern erforderlich ist. Oberbürgermeister kann jeder werden – durch die Wahlabstimmung der Bürgerschaft.
Die Aufgaben des Oberbürgermeisters sind: die Leitung der Stadtverwaltung, er ist gesetzlicher Vertreter der Kommune, hat den Vorsitz im Gemeinderat, ist Repräsentant der Bürgerschaft und Ansprechpartner für die Bürger. Als Außenvertreter der Kommune arbeitet er mit Aufsichtsbehörden und Fördermittelgebern des Kreises zusammen. Dass der Gemeinderat mit seiner Aufsichtsfunktion nicht immer nur einer Meinung ist und die gleichen Interessen verfolgt, liegt in der Natur der Sache und ist nachvollziehbar. Was ich jedoch in jedem Fall von jeder Person erwarten darf, ist Respekt und die Unantastbarkeit einer jeden Person. Das nehme auch ich für mich in Anspruch. Hier gilt es, als Vermittler und Verhandlungsführer zum Wohle der Stadt Crailsheim tätig zu sein. Das zu bewerkstelligen habe ich schon sehr oft auf meinem beruflichen Lebensweg beweisen können und dies werde ich auch als Oberbürgermeister in Crailsheim schaffen.
Wie stellen Sie sich als Oberbürgermeister den Umgang mit Kritikern – im Gemeinderat, in der Rathausverwaltung, in der Bürgerschaft, in der lokalen Wirtschaft und in den Medien vor – insbesondere, wenn Sie in der Sache hart angegangen werden?
Mit Kritik, welche auf Fakten basiert gehe ich konstruktiv um und suche gemeinsam mit den Beteiligten nach möglichen guten Lösungswegen. Bei möglicher harter Kritik, wohl abgezielt auch auf personenbezogene Kritik, versuche ich immer die Sachebene und persönliche Ebene zu trennen. Konstruktive Kritik ist immer willkommen, denn sie bringt uns weiter in Richtung eines gemeinsamen Ergebnisses. Destruktive Kritik muss thematisiert werden. In persönlichen Gesprächen werde ich mit den jeweiligen Kritikern vereinbaren, wie wir zukünftig miteinander umgehen wollen.
Wie wollen Sie es schaffen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Crailsheim ihre Vorbehalte Ihnen als Nicht-Verwaltungsfachmann gegenüber abbauen? Was befähigt einen Maschinenbau-Ingenieur dazu, der Rathauschef einer Großen Kreisstadt mit 33.000 Einwohnern zu werden?
Es ist nicht meine Qualifizierung zum Maschinenbauingenieur, die mich hier zum Rathauschef befähigt, sondern das Paket, welches ich mitbringe. Meine weitgreifende Führungserfahrung in verschiedensten Organisationsformen, sowie meine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, meine strategische Denkweise und mein pragmatisches und situationsgerechtes Handeln und Tun. Als parteiloser und nach allen Seiten unabhängiger Oberbürgermeister, kann ich diese Stadt mit Ihrer Verwaltung optimal führen. Man muss nicht der beste Spezialist sein, um ein guter Chef zu sein. Die möglichen Defizite in meinen Kenntnissen zu Verwaltungsthemen werde ich rasch zusammen mit meinen Mitarbeitern im Rathaus aufarbeiten, so wie ich es bisher immer bei neuen Aufgaben gehalten habe.
Ihrer Internetseite ist zu entnehmen, dass Sie weder Infostände, noch eigene Wahlkampfveranstaltungen machen – auch Wahlplakate wurden bisher im Stadtgebiet noch nicht gesehen. Warum glauben Sie, dass die beiden Kandidatenvorstellungen in der Hirtenwiesenhalle und im Hangar sowie Ihre Internetseite ausreichen, um Oberbürgermeister von Crailsheim werden können?
Wie ich schon mehrmals betont habe, werde ich bei meinem Wahlkampf von keiner Partei unterstützt, ich finanziere meinen Wahlkampf aus privaten Mitteln. Somit habe ich meine Schwerpunkte auf die Werbemaßnahmen gelegt, von denen ich mir den größten Erfolg verspreche. Ich führe auch ohne Infostände viele persönliche Gespräche, da ich permanent in Crailsheim unterwegs bin. Ich stehe telefonisch und per e-mail immer zur Verfügung, sodass über diese Möglichkeiten der Kontaktaufnahme sicherlich mehr Informationen ausgetauscht werden können, als mit Plakaten in der Stadt.
Sie haben bisher zwei eigene Firmen gehabt. In welchen Branchen sind Sie mit Ihren Firmen genau tätig (gewesen). Ihre erste Firma ging Konkurs. Was war der genaue Grund? Sie führen inzwischen Ihre zweite Firma. Wie ist deren Name? Was stellen Sie in Ihrer Firma her, oder welche Dienstleistung bieten Sie mit Ihrer Firma genau an? Wie viele Mitarbeiter hat Ihre derzeitige Firma und wo hat diese Firma Ihre genaue Anschrift? Werden Sie Ihre Firma verkaufen oder die Firmentätigkeit einstellen, wenn Sie Oberbürgermeister von Crailsheim werden?
Meine Firma, die WTS GmbH, die ich in 2001 gründete, kam in den ersten Strudel der Krise der Automobilbranche. Zudem dünnte meine Finanzierungsbank ihre Portfolios aus und sortierte Ihre Kreditvergaben neu. Verursacht durch Zahlungsausfälle einiger großer Kunden war planerisch absehbar, dass die Finanzämter und Sozialversicherungen in der nahen Zukunft nicht mehr bedient werden konnten. Um nicht in die Gefahr einer möglichen Insolvenzverschleppung verstrickt zu werden, blieb mir als Geschäftsführer nichts anderes übrig, als Insolvenz anzumelden, immer davon ausgehend, dass das Unternehmen eine reale Chance auf eine Fortführung bekommen wird. Im übrigen handelte es sich hier nicht um einen Konkurs, sondern um die ganz normale Abwicklung eines gesetzlich vorgegebenen Insolvenzverfahrens.
Mein zweites Unternehmen, die Tools and Systems GmbH & Co. KG welches Ihren Sitz ebenfalls in Crailsheim hat, liefert, wie das erste Unternehmen auch, Logistiksysteme und Bauteile für diese Systeme selbst, an die Automobil-, Elektro- und Bahnindustrie. Die Firma fertigt mit freiberuflichen Mitarbeitern und arbeitet mit diversen Zulieferfirmen aus Baden-Württemberg und Bayern, als auch mit diakoniegeführten Werkstätten zusammen. Wenn ich von den Crailsheimer Bürgerinnen und Bürgern zum Oberbürgermeister gewählt worden bin, werde ich die rechtlichen Gegebenheiten und die sich daraus ergebenden Folgen prüfen und entsprechend handeln. Ein Verkauf des Unternehmens ist nicht auszuschließen.
Wo sehen Sie in Crailsheim derzeit die größten Schwächen – was muss zuallererst verändert werden?
Die größte Schwäche Crailsheims ist das unscharfe Profil und das durch verschiedene Ereignisse der jüngsten Zeit belastete Image. Der Eindruck ist entstanden, dass Uneinigkeiten im Gemeinderat auf der persönlichen Ebene und in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Mit mir als neuen Bürgermeister, parteilich unbelastet, kann auf allen Ebenen ein neuer Anfang gemacht werden. Mit dem Gemeinderat will ich auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Konstruktiv, partnerschaftlich und zielgerichtet eine gemeinsame Linie finden und ein gutes Miteinander pflegen. Denn wir alle haben ein Ziel – das Wohl unserer Stadt Crailsheim.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass Sie in dem aufreibenden Beruf als Oberbürgermeister nicht frühzeitig ausgebrannt sind wie Ex-Oberbürgermeister Andreas Raab – und vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen, was für die Stadt Crailsheim auch mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre?
Ich bin fest davon überzeugt, dass ich aufgrund meiner Parteilosigkeit und meiner Führungsqualitäten nicht zwischen den Fronten aufgerieben werde. Ich bin ein stressstabiler Konfliktmanager, sodass ich mit den eventuell entstehenden schwierigen Situationen sachlich und zielgerichtet umgehen kann, was ein Ausbrennen verhindern wird. Da ich im Übrigen nicht aus dem Verwaltungsdienst komme, habe ich vor einer zukünftigen zweiten erfolgreichen Wahl zum Oberbürgermeister keinerlei Altersgeldansprüche aus nur einer ersten OB-Amtszeit. Eine Kostenbelastung für die Stadt Crailsheim kann ich da nicht erkennen.
Noch immer wissen die Crailsheimer Bürgerinnen und Bürger nicht, welche genauen Hintergründe der Waffendiebstahl im Rathaus hatte und was an den Korruptionsvorwürfen beim Crailsheimer Volksfest dran ist. Werden Sie eine offensive Öffentlichkeitsarbeit machen – nicht nur bei diesen beiden Themen – oder wollen Sie die Bürger nur in kleinen Häppchen über wichtige Dinge informieren? Wer soll im Falle Ihrer Wahl Chef der Öffentlichkeitsarbeit im Crailsheimer Rathaus werden – und: wer soll Ihr persönlicher Referent werden?
Um die immer noch schwelenden Themen des Waffendiebstahls und Korruptionsvorwürfe beim Volksfest endlich abschließen zu können, werde ich die Ermittlungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich machen, wenn dem verfahrenstechnisch und rechtlich nichts entgegensteht. Meine Philosophie ist es, durch Transparenz die Bürger mitzunehmen. Das gilt auch für dieses Thema. Ich werde für eine sachliche, transparente und vollumfängliche Öffentlichkeitsarbeit eintreten, damit sich jeder Bürger über die reale Situation ein Bild machen kann. Das WAS, WIE und WARUM ist für alle Bürger wichtig zu wissen. Sehen Sie es mir bitte nach, dass ich zu dem jetzigen Zeitpunkt noch keine Namen über zukünftige Besetzungen im Rathaus nennen werde, das wird sich entscheiden, wenn es an der Zeit ist.