Bei den Musterprozessen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegen die Bausparkassen ist auch die Bausparkasse Schwäbisch Hall betroffen. Am 19. Februar 2009 fand sich die Haller Bausparkasse im Landgericht Heilbronn auf der Anklagebank wieder. Bei den Musterprozessen geht es wieder um Milliarden.
Berichtet und kommentiert von Hermann-Julius Bischoff, Schwäbisch Hall
Die Vorgeschichte
Der Vorsitzende des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes, Dr. h.c. Gerd Nobbe, veröffentlichte in Nr. 5, vom 2. Februar 2008, der „WM Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht“ einen Beitrag zur „Zulässigkeit von Bankentgelten“. Dieser Aufsatz stellte die gekürzte Fassung seines bereits am 28. November 2007 hierzu gehaltenen Vortrags bei der Tagung „Bankrecht“ in Frankfurt-Eschborn dar.
Nobbe führte unter anderem aus, dass für „Arbeiten, die keine Dienstleistung für den Kunden sind“, keine Gebühren erhoben werden dürfen. Ebenso sei unangemessen, für vertraglich geschuldete Nebenleistungen usw. ein Entgelt zu verlangen. Auch „für die Erfüllung gesetzlicher Pflichten darf kein Entgelt verlangt werden…“ In seinem zehn Druckseiten umfassenden Aufsatz ließ Nobbe kaum eine Bankgebühr aus, die er nicht kritisch hinterfragte. Zum Bausparen führte er wörtlich aus: „Was in der Praxis existiert, sind sogenannte ‚Abschlussgebühren’ von meistens einem Prozent der Summe bei Bausparverträgen. Ein solches Abschlussentgelt ist AGB-rechtlich unzulässig. Der Vertragsabschluss als solcher und die Eröffnung des Bausparkontos sind keine Dienstleistungen für den Kunden. Das wird deutlich, wenn die so genannte ‚Abschlussgebühr’ – wie üblich- ganz oder zum Teil als Provision an die Bausparkassenvertreter fließt. Es handelt sich also um Vertriebskosten.“
In Wirklichkeit stellt sich die „Tarifgestaltung“ der Abschlussgebühr bei den verschiedenen Bausparkassen sehr unterschiedlich dar: Bei einigen beträgt sie sogar bis zu 1,6 % der Bausparsumme, andere verlangen nur einen „Komplettpreis“ von 150 Euro oder pauschal 50 Euro bei Bausparverträgen bis 20.000 Euro Bausparsumme bei Abschluss im Internet oder gewähren eine vollständige Rückerstattung bei Verzicht auf das Bauspardarlehen generell oder nach einer Mindestvertragslaufzeit von sieben bis zehn Jahren.
Verbraucherzentrale mahnte auch Bausparkasse Schwäbisch Hall ab
Die Ausführungen von Nobbe nahm die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zum Anlass, exemplarisch eine Reihe von Bausparkassen abzumahnen, unter anderem auch die Bausparkasse Schwäbisch Hall AG. Diese ließ über ihren damaligen Pressesprecher Stefan Speicher in einer Presseerklärung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sogleich widersprechen, da die „transparente Gebührenregelung rechtlich zulässig“ sei. Der Bezug auf ein Urteil des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2001 sei falsch. „Zum Thema Abschlussgebühren bei Bausparverträgen gebe es keine höchstrichterliche Entscheidung und Einzelmeinungen in der juristischen Fachliteratur könnten kein Urteil in der Sache ersetzen.“ Im übrigen wies Stefan Speicher darauf hin, dass die Bausparkasse Schwäbisch Hall bei allen seit dem Jahre 2000 eingeführten Bauspartarifen sämtliche Gebühren „mit Ausnahme der bausparnotwendigen Abschlussgebühr“ abgeschafft habe.
Musterprozesse gegen drei Bausparkassen
Zwischenzeitlich hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen drei Musterprozesse gegen deutsche Bausparkassen angestrengt. Der erste Erörterungstermin der Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegen die Bausparkasse Schwäbisch Hall AG am Donnerstag, dem 19. Februar 2009, vor der 6. Zivilkammer des Landesgerichts Heilbronn fand ein ungewöhnlich starkes (Fach-)Publikumsinteresse, was den Vorsitzenden Ulrich Baumgärtner eingangs der Verhandlung zu der Bemerkung veranlasste: „…volles Haus wie selten. Diese Ehre wird sonst nur Strafprozessen zuteil…“
Auf dem Flur vor dem Verhandlungssaal B hatte das SWR-Fernsehen zuvor die Vertreter der Prozessbeteiligten um Kurz-Statements gebeten. Für die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen war nur der sie vertretende Rechtsanwalt Martin Ziegler aus Ludwigsburg erschienen, der zur strittigen Erhebung von Abschlussgebühren durch die Bausparkassen im Vergleich zu seinem späteren Vorbringen in der Verhandlung noch sprachlich „markig“ erklärte: „Das halten wir für unzulässig, da sie hierfür keinerlei Dienstleistung für den Verbraucher erbringen. Vielmehr wollen sie die Kosten abwälzen, die für jedes Wirtschaftsunternehmen entstehen – wie Verwaltungsaufwand und Vertriebskosten. Dies ist unzulässig und hierfür gibt es auch keine Rechtsgrundlage.“
Für die Bausparkasse Schwäbisch Hall presste sich deren erschienenes Vorstandsmitglied Ehrhard Steffen sichtlich angespannt die Bemerkung heraus: „Die Abschlussgebühr gibt es seit Beginn des Bausparens überhaupt, also seit über sieben Jahrzehnten. Sie ist der Preis für den Eintritt in die Bauspargemeinschaft. Der Kunde profitiert von den Leistungen, die die bisherigen Bausparer schon erbracht haben und hilft mit, dass weitere Bausparer in das Kollektiv eintreten können.“ Anwaltlich vertreten wurde die Bausparkasse durch Dr. Hervé Edelmann von der Stuttgarter Anwalts-Kanzlei Thümmel, Schütze & Partner, „assistiert“ von zwei Mitarbeitern der Rechtsabteilung der Bausparkasse, die im übrigen auch noch mit weiteren Mitarbeitern aus verschiedenen Fachabteilungen unter den Zuschauern vertreten war.
Der Vorsitzende Richter Baumgärtner gliederte die Erörterung um die strittigen Abschlussgebühren in vier Themenbereiche und machte der beklagten Bausparkasse klar, dass die Kammer dem dortigen Vorbringen zu den ersten beiden Punkten nicht folgen werde. Dies betraf vor allen Dingen die Argumentation, alle Bedingungen der Bauspartarife – einschließlich der Abschlussgebühr – seien aufsichtsrechtlich (durch das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistung BAFIN, bzw. deren Rechtsvorgängerin, dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen BAKred) genehmigt. Darüber hinaus habe das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in verschiedenen Schreiben mehrfach erklärt, dass es Bauspartarife ohne Erhebung einer Abschlussgebühr nicht für genehmigungsfähig halte.
Als der Bausparkassenanwalt versuchte, dies argumentativ zu bekräftigten, machte ihm der Vorsitzende Richter Baumgärtner klar, dass die BAFIN diesen Standpunkt bereits seit geraumer Zeit mit dieser absoluten Diktion aufgegeben habe. Erörterungen über modifizierte Regelungen verbieten sich schon deswegen, weil derartige Anträge bisher bei der BAFIN nicht gestellt oder entschieden wurden.
Bleibt Neugeschäft aus, geht letzter Bausparer leer aus
Ein anderer Streitpunkt war die von der beklagten Bausparkasse vorgetragene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu genehmigten Vertragsklauseln der Bundesnetzagentur, auf die sich die Bausparkasse in Bezug auf ihre Abschlussgebührenpraxis berufen wollte. Hier machte der Vorsitzende Richter Baumgärtner klar, warum die Kammer die Entscheidungs-Tatbestände für unvergleichbar hält und daher das Vorbringen ablehnt. Anschließend setzte sich der Vorsitzende Richter Baumgärtner ausführlich mit der Mechanik des Bausparkollektivs auseinander und stellte dar, dass jeder Bausparer bei Vertragsabschluss den garantierten Anspruch auf ein Darlehen zu einem für die gesamte Laufzeit festen Zinssatz erwerbe. Dies sei aber nur möglich, wenn die Bausparkasse zukünftiges Neugeschäft erziele. Denn bleibe das Neugeschäft aus, bekomme der letzte Bausparer kein Darlehen mehr. Es sei daher denkbar, dass dies ein Entgelt rechtfertige, das bei Vertragsabschluss zu entrichten sei. Hierzu sei die Meinung der Kammer aber noch nicht abgeschlossen.
Urteil soll am 12. März 2009 verkündet werden
Nach diesen Ausführungen ist absehbar, dass die sonstigen Streitpunkte kaum verfahrenserheblich sein dürften. Es darf daher mit Spannung abgewartet werden, wie das Urteil der Kammer, das am 12. März 2009 verkündet werden soll, ausfallen wird. Aber wohl nicht für die Ohren seines Vorstandes bestimmt war die Bemerkung eines – hier nicht namentlich genannten – Mitarbeiters der Bausparkasse Schwäbisch Hall über die Ausführungen des Vorsitzenden Richters der 6. Zivilkammer des Heilbronner Landgerichts, Ulrich Baumgärtner: „…der weiß ja besser Bescheid als wir selber…“.