Eine Personalie lähmt seit Jahren die Sozialdemokraten (SPD) im Landkreis Hohenlohe und insbesondere im Landkreis Schwäbisch Hall. Der Crailsheimer Hermann Bachmaier, von 1983 bis 2005 SPD-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Schwäbisch Hall-Hohenlohe, kann seine Abstimmungsniederlage beim Landesparteitag 2005 in Albstadt noch immer nicht verkraften. Seither spielt der heute 70-Jährige die beleidigte Leberwurst.
Kommentar von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Bachmaiers Feindbild Juratovic
Im Juli 2005 wurde der Heilbronner SPD-Bundestagskandidat Josip Juratovic beim Landesparteitag in Albstadt auf Platz 15 der SPD-Landesliste gewählt. „Er setzte sich in einer Kampfkandidatur im ersten Wahlgang mit 187 von 319 Stimmen deutlich gegen seine Mitbewerber, den Bundestagsabgeordneten Hermann Bachmaier und Peter Simon, durch“, heißt es auf einer SPD-Internetseite. Bachmaier errang erst den 25. Listenplatz und wurde erstmals nach 22 Jahren nicht mehr in den Bundestag gewählt.
Quittung für angekündigten Rücktritt
Schuld daran ist seiner Ansicht nach eine Intrige der Unterland-SPD gegen ihn. Dabei vergisst der Rechtsanwalt aus Crailsheim, dass er während der Legislaturperiode 2002 bis 2005 geäußert hatte, dies werde seine letzte Amtszeit sein. Daraufhin haben sich andere baden-württembergische SPD-Kandidaten berechtigte Hoffnungen auf einen besseren Listenplatz gemacht – und machten ernst. Dass sich Bachmaier in seiner Sprunghaftigkeit dann anders entschied und doch noch einmal antreten wollte, kann er niemandem anderen als sich selbst anlasten. Die Quittung erhielt er dann beim Landesparteitag 2005, als er nach hinten auf Platz 25 durchgereicht wurde. Vielleicht hatte Bachmaier nach 22 Jahren im Bundestag insgeheim gehofft, dass ihn die Genossen hofieren und ihn zum Weitermachen überreden würden. Das ist aber offensichtlich nicht geschehen, weil viele nach sieben Schröder-Jahren inhaltliche und personelle Veränderung wollten.
Destruktive Haltung
Statt sich mit seiner demokratischen Abstimmungsniederlage und seinem Ausscheiden aus dem Bundestag abzufinden – er war damals immerhin 66 Jahre alt – nörgelte Bachmaier in den Folgejahren an vielen Entscheidungen der SPD in der Region herum. Der Mann, der seine politische Karriere seiner Partei zu verdanken hat, lähmte oft durch seine pure Anwesenheit wichtige Entwicklungen innerhalb der SPD. Hinter den Kulissen versuchte er Strippen zu ziehen und sich in Diskussionen aufzublasen wie ein Luftballon.
Hinter den Kulissen Strippen ziehen
Die SPD versuchte Bachmaier 2006 sogar goldene Brücken zu bauen und verschaffte ihrem ehemaligen Bundestags-Justitiar und ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Bundestags-Rechtsausschusses einen Sitz im achtköpfigen Nationalen Normenkontrollrat – einem Gremium der Bundesregierung zum Bürokratieabbau, das von der Bertelsmann-Stiftung unterstützt wird. Die Amtszeit der Mitglieder ist fünf Jahre. Die jährliche Aufwandspauschale beträgt für ein normales Mitglied wie Bachmaier 25.000 Euro. Dazu gibt es noch eine Erstattung der Reisekosten. Alles in allem ein nettes Zubrot für einen, der in Crailsheim auch noch eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt. Doch das reicht Bachmaier offensichtlich nicht. Er will sich hinter den Kulissen in die aktuelle Politik im Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe einmischen – aber selbst möglichst keine Verantwortung übernehmen.
Bachmaier drohte beleidigt mit Rückzug
Seine jüngste Aktion traf – wen sonst – Josip Juratovic, seinen ehemaligen SPD-Widersacher aus Heilbronn. Weil Schwäbisch Hall-Hohenlohe nach der Wahl 2009 wieder keinen eigenen SPD-Abgeordneten im Bundestag hat, kam von den Genossen im Hohenlohekreis die Idee, dass Juratovic seinen Nachbarwahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe mitbetreuen könnte. Das brachte Hermann Bachmaier zum Kochen. Seiner Partei drohte er mit Rückzug. Manche wollten sogar gehört haben, Bachmaier wolle aus der Partei austreten. Einziges Argument Bachmaiers: Es sei ein Affront gegen ihn, dass gerade Juratovic den Wahlkreis mitbetreuen soll. Es habe (Anmerkung: 2005) gar keinen Grund gegeben, ihn aus- und Juratovic reinzuhebeln, wird Bachmaier am 12. Dezember 2009 in der Lokalzeitung Haller Tagblatt zitiert. Er sei damit immer noch nicht fertig geworden, und „ich will damit auch nicht fertig werden“, so Bachmaier weiter.
Rückendeckung vom Kreisvorsitzenden Sakellariou
Rückendeckung bekam der beleidigte Ex-Parlamentarier vom Schwäbisch Haller Kreisvorsitzenden und SPD-Landtagsabgeordneten Nikolaos Sakellariou – wie Bachmaier Rechtsanwalt. „Ich bin der Vorsitzende – und ich will das nicht“, wird Sakellariou im selben Artikel des Haller Tagblatts zitiert. Auf Bachmaier werde Rücksicht genommen – „basta“, meinte Sakellariou in bester Schröder-Manier.
Nölen bringt in der SPD teilweise Erfolg
Bachmaiers Genöle hatte teilweise Erfolg. Auf Vorschlag Sakellarious darf Josip Juratovic nur den Kreisverband Hohenlohe mitbetreuen. Für den Kreisverband Schwäbisch Hall wurde die ehemalige Landesvorsitzende Ute Vogt aus Stuttgart auserkoren. Dies haben die 15 SPD-Bundestagsabgeordneten der Landesgruppe Baden-Württemberg vor kurzem beschlossen. Das letzte Wort haben aber die betroffenen SPD-Kreisverbände. Es ist davon auszugehen, dass diese dem vorgeschlagenen Kompromiss zustimmen werden.
Klare Worte der Basis an Bachmaier sind nötig
Wieder einmal war Hermann Bachmaier mit seinen Attacken aus dem Schmollwinkel heraus bei höher gestellten SPD-Genossen erfolgreich. An der SPD-Basis im Landkreis Schwäbisch Hall ist aber schon seit längerem zu hören, dass vielen Mitgliedern das destruktive und zugleich wichtigtuerische Verhalten Bachmaiers auf den Wecker geht. Zu wirklich klaren Worten gegenüber dem Polit-Pensionär scheinen sich die Kritiker bisher aber noch nicht durchgerungen zu haben. Die Genossen an der Basis müssten dem ehemaligen Parlamentarier mit deutlichen Worten klar machen, dass seine Mitarbeit nur dann weiter erwünscht ist, wenn diese nach vorne gerichtet ist und er sich nicht immer selbst zum Thema macht. Bachmaiers Schmollen lähmt die politische Arbeit und nervt viele Aktive auf Dauer. Die Gefahr besteht, dass wirklich aktive Mitstreiter wegen Bachmaier ihre Arbeit drosseln oder ganz einstellen.
Bachmaier profitierte mehr von der SPD als diese von ihm
Seiner Partei sowie den SPD-Wählerinnen und -Wählern der Landkreise Schwäbisch Hall und Hohenlohe ist es Bachmaier schuldig, dass er die politische Arbeit konstruktiv nach vorne treibt. Wenn er dies wegen persönlicher Resentiments nicht kann oder will, muss er sich aufs Rosenzüchten verlegen und sich aus der Politik zurückziehen. Das wird der oft als cholerisch aufbrausend beschriebene 70-Jährige aus persönlicher Eitelkeit aber nicht wollen. Bachmaier muss sich darüber im klaren werden, dass er seiner Partei mehr zu verdanken hat als diese ihm. Um dies zu erkennen, muss er nur monatlich seine Kontoauszüge anschauen, auf denen die hohen Pensionszahlungen als ehemaliger Bundestagsabgeordneter abgedruckt sind. Nicht von Pappe waren auch die Diäten-Zahlungen in den 22 Abgeordnetenjahren.
Noch nicht erkannt, dass er nicht mehr die frühere Bedeutung hat
Bachmaier hat über vier Jahre nach dem Ende seiner Bundestagskarriere noch immer nicht erkannt, dass er kein Mandat mehr hat. Er ist nicht einmal ordentliches Mitglied des SPD-Kreisvorstands Schwäbisch Hall. Trotzdem müssen sich die SPD-Mitglieder oft mehr mit Bachmaier und seinen Launen beschäftigen als mit konstruktiver, nach vorne gerichteter Politik. Als erfahrener politischer Berater scheint Bachmaier bei der SPD-Basis weiter willkommen zu sein, aber nicht, wenn er nur sein eigenes Süppchen kochen will.
Informationen über den SPD-Kreisverband Schwäbisch Hall:
http://www.spd-sha.de/index.php?mod=kalender&op=show&menu=2
Informationen über Josip Juratovic:
http://www.josip-juratovic.de/
http://www.josip-juratovic.de/portrait
Informationen über Hermann Bachmaier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Bachmaier
http://webarchiv.bundestag.de/archive/2005/0113/mdb15/bio/B/bachmhe0.html
http://www.abgeordnetenwatch.de/hermann_bachmaier-958-1232.html
Werke von Hermann Bachmaier in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung:
http://library.fes.de/cgi-bin/populo/fespac.pl?f_PER=bachmaier,%20hermann&t_dirlink=x
Ach je, lebt denn der alte Bachmaier noch …
Irgendwo auf Holufi war doch nach der letzten Wahl zu lesen, daß die SPD den internen Filz auskehren wollte.
Wie lange will sie sich dafür noch Zeit lassen?
Es gehören halt immer mehrere Seiten dazu – auf der einen ein Bachmaier, der in alles hineinredet und auf der anderen die, die sich von ihm in alles hineinreden lassen. Und letztere müssen sich ebenfalls den Spiegel voehalten lassen, vor allem dann, wenn sie selber in der Parteihierarchie Verantwortung tragen.
Das, was Sie schreiben, Herr Garmatter, hätte ich mir sinngemäß von den regionalen SPD-Granden -einige Namen sind ja genannt- gewünscht, mehr als das: erwartet.
Irgendwie drängt sich mir der Eindruck auf, daß jene Granden sich nicht selber trauen, gegen den alten Bachmaier zu löcken, und deswegen gehofft haben, daß Sie reagieren wie Sie es nunmal gerade getan haben. Wenn dem so wäre, wäre das allerdings ein ganz schlechtes Vorzeichen für die Weiterentwicklung und Neufindung der regionalen SPD.
Schön, dass mal hier so etwas klar ausgesprochen wird. Mit Herrn Bachmaier gibt es keinen Neuanfang der SPD. Ich glaube auch nicht, dass es finanzielle Gründe sind, die ihn am Amt kleben lassen. Es geht doch eher darum, den Leuten, mit denen er über die Parteien hinweg verbandelt ist, weiterhin nützlich zu sein. Irgendwann scheinen viele Menschen, wenn sie sehr lange ein Amt begleiten, nicht mehr imstande zu sein, wahrzunehmen wie weit sie sich von Inhalten, für die sie stehen, entfernt haben. Als Beispiel nenne ich nur mal den Skandal bei der „Neuen Heimat“ in Hamburg 1982. Die Vorstandsmitglieder aus dem DGB, die durch private Bereicherung diesen Skandal verschuldet hatten, besaßen die Dreistigkeit sich in ihren Villen vor kostbaren Gemälden weiterhin zu sozialdemokratischen Inhalten zu bekennen. Wie weit doch Tun und Selbstwahrnehmung auseinander fallen können!
Gruselig, wie verkommen die SPD ist. Kann man nicht mit 70 auch einmal das Alter geniessen. Zumal wenn man sich nach 22 Jahren im Bundestag dort eine ansehnliche Abgeordnetenrente verdient hat. Diese Gerontokratie nervt langsam wirklich.
Die SPD scheint nicht nur in Crailsheim das Ende ihres politischen Produktlebenszyklus erreicht zu haben. Mit sturen alten Männern wie Herrmann Bachmaier wird sie in Zukunft zielsicher die 5%-Hürde überspringen. Aber – wie lange noch? Bestärkt durch den Wahlerfolg von Rudolf Michl (bei dem die Crailsheimer SPD keine Rolle gespielt haben soll), werden die ewig Gestrigen und Unverbesserlichen bleiben, was sie sind, sich mit realitätsabgewandtem Blick festkrampfen an dem ziellos im Winde wiegenden Hälmchen Einfluß, das sie Macht nennen.
Diese Partei hat ihre historische Aufgabe erfüllt. Bravourös gewiß, aber eben erfüllt. Eine neue mag sie sich nicht stellen, denn dazu gehört Kampfesmut und Unabhängigkeit. Diese Partei aber ist mit allen Machtstrukturen dieses Staates in einer Art und Weise verfilzt, die ihr die Luft zum Atmen und die Kraft zum Denken nimmt. Noch einmal, sie hat ihre historische Aufgabe erfüllt. Sie kann gehen.
Allein, sie kann nicht…