Der am 16. Dezember 2009 einstimmig beschlossene Doppelhaushalt 2010/2011 der Stadt Schwäbisch Hall beinhaltet (noch) keine brachialen Einschnitte bei den kommunalen Dienstleistungen. In der Schlussdebatte ließen OB und Gemeinderatsfraktionen aber durchblicken, dass sie da alsbald „nachbessern“ wollen.
Artikel aus dem Schwäbisch Haller Monatsmagazin Alpha Press, Ausgabe Februar/März 2010
Spannend, ob die Überweisung der DZ-Bank kommt
Das wurde jedoch nicht in Form von Ankündigungen ausgesprochen, sondern indem man „Sorgen“ zum Ausdruck brachte. Uta Rabe von der CDU bemühte das „Prinzip Hoffnung“ darauf, dass „die angenommenen Einnahmen im Gewerbesteuerbereich auch wirklich eintreffen“. Sie nennt einen konkreten Termin für das was sie „Nagelprobe“ bezeichnet: den März 2010. „Dann werden wir wissen, ob die angekündigten Gewerbesteuernachzahlungen der DZ-Bank auch tatsächlich überwiesen werden, oder ob wir in den ersten Monaten des Jahres 2010 bereits einen Nachtragshaushalt aufstellen und beschließen müssen.“
Dieter Vogt: Hällisch Fränkisches Museum in Gefahr
Dieter Vogt, Fraktionsvorsitzender der SPD, bemüht ebenfalls den Begriff „Hoffnung“. Er will darauf hoffen, dass 2012 die Konjunktur wieder anspringt. Ansonsten werde der Gemeinderat zu „unpopulären Maßnahmen gezwungen sein“. Bezugnehmend auf die Rede von OB Pelgrim nennt er zwei Beispiele für solch unpopuläre Maßnahmen“: Die Schließung des Hällisch Fränkischen Museums und die Privatisierung der Musikschule.
Preisendanz – der Mann mit der Fräse
Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Thomas Preisendanz, lässt jetzt schon deutlich erkennen, wo seiner Meinung nach gestrichen werden soll. „Rund 7,6 Millionen Euro geben wir für alle zusätzlichen, freiwilligen Zuschüsse an Kindergärten und Schulen, an Kultur, Vereine, Kirchen, Soziales Sport , alles. Diese Zahl, 7, 6 Millionen steht bedrohlich, wie ein schier unübersteigbarer Berg im Raum, weil wir wissen, dass um ziemlich eben diesen Beitrag unsere Einnahmen in den nächsten Jahren sinken werden, mindestens“. Preisendanz lässt trotz verschiedener sprachlicher Windungen keinen Zweifel daran, dass er hier ran will, um die „strukturelle Diskrepanz von Ausgaben und Einnahmen aufheben“ zu können. Bemüht um eine anschauliche Sprache will der Schuldirektor beim Thema Sparen sich als Kreativgeist und sprachlicher Innovator profilieren. Deswegen will er als Werkzeug zum sozialen und kulturellen Kahlschlag nicht den hinlänglich bekannten „Rasenmäher“ zum Einsatz bringen, sondern die „Fräse“. Im Orginalton: „Vor dem Hintergrund der Musikschuldiskussion wird mir schon ein wenig bang, wenn ich daran denke, wie wir diese strukturelle Diskrepanz von Ausgaben und Einnahmen aufheben wollen. Denn da hilft ja nicht einmal mehr ein Rasenmäher, da bräuchte man eigentlich eine Fräse.“ Jeder Gärtner weiß, was übrig bleibt, wenn er seinen Rasen nicht mit dem Rasenmäher kürzt, sondern mit der Fräse bearbeitet: Ein Feld der Verwüstung. Der Oberlehrer hat wahrlich ein treffendes Bild gewählt.
Herrmann-Josef Pelgrim – der Scheuklappenmann
Auch wenn Preisendanz bei der bevorstehenden Spardiskussion sich vermutlich immer wieder um einen Platz in der ersten Reihe bemühen wird, so gibt es doch keine Zweifel, dass auch hier der „Chef“ der Thementreiber sein wird. Es ist kein Geheimnis, dass Pelgrim, der oberste städtische Manager, sich besonders in der Rolle des Wirtschafts- und Finanzexperten gefällt. Als solcher wird er wohl jetzt zunächst als „Thementreiber“ (moderner Begriff für das altmodische „Propagandist“) und, wenn es dann soweit ist, als Exekutor des sozialen Rückschritts auftrumpfen. Momentan befinden wir uns offenbar in dem Stadium, wo die Bürger auf künftige Zumutungen eingestimmt werden. Jetzt, wo der Propagandist gefragt ist, schlüpft Pelgrim in die Rolle des weisen Sehers und verantwortungsbewussten Warners. Während der Haushaltsberatungen setzte er mehrmals entsprechende Duftnoten. Er wies darauf hin, dass „wir am Ende der Fahnenstange angekommen“ und brachte bereits die Möglichkeit eines Nachtragshaushalts ins Gespräch. Seine Neujahrsbotschaft an die Haller Bürgerinnen und Bürger geht in die gleiche Richtung.
Pelgrim: „Bund und Länder sägen systematisch am finanzpolitischen Ast der Kommunen“
Auch überregional, als Landesvorsitzender der sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik, meldet sich Pelgrim zu Wort. „Bund und Länder sägen systematisch am finanzpolitischen Ast der Kommunen wirft der Haller OB den Verantwortlichen in Bund und Land vor und kommt zu dem Ergebnis: „Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.“ Das klingt nicht einmal unplausibel und auch nicht unsympathisch. Allerdings vergisst Pelgrim zu sagen, wer für einige der folgenschwersten Weichenstellungen im Bund verantwortlich war: Nämlich seine Partei, die SPD. Die Eichelsche Steuerreform von 2001 eröffnete Konzernen enorme Möglichkeiten der legalisierten Steuerhinterziehung, deren Folgen bekanntlich gerade in Schwäbisch Hall zu besichtigen sind. Seither zahlt die Bausparkasse keine Gewerbesteuer mehr. Die Stadt Schwäbisch Hall geriet durch den Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen von 66,7 Millionen Euro im Jahr 2001 auf 15 Millionen Euro im Jahr 2002 in schwere finanzielle Bedrängnis. Seltsamerweise war vom SPD-Mitglied Pelgrim nie ein Wort der Kritik an der Entscheidung „seiner“ Partei zu vernehmen. Dass Pelgrim sich kritisch zur Steuervermeidungspolitik der Bausparkasse geäußert hätte, ist nicht bekannt. Aktuell klagt Pelgrim darüber, dass eine geänderte Berechnungsart bei der Zuteilung der Umsatzsteuer an die Kommunen der Stadt Schwäbisch Hall mittelfristig eine Verminderung der Steuereinnahmen um 8 Millionen Euro beschert. Wieder kein Wort davon, dass für diese Maßnahme eine Bundesregierung mit SPD-Beteiligung verantwortlich zeichnet und der zuständige Finanzminister den Namen Steinbrück hat. Liest mensch die Beiträge Pelgrims, so muss mensch glauben, dass all diese Maßnahmen so einfach irgendwie über die Menschheit gekommen sind. Er vergisst zu erwähnen, dass die Täter das Parteibuch der SPD besitzen, und will sich damit die Frage ersparen, warum das SPD-Mitglied Pelgrim das alles brav mitgetragen hat und nicht versucht hat, gegenzusteuern.
Warum sind die Kommunen arm?
Der Kommunalpolitiker Pelgrim verschließt konsequent die Augen davor, dass die von ihm beklagten Probleme entscheidend durch die Politik „seiner“ Partei auf Bundesebene zu verantworten sind – ein klassischer Fall von selektiver Wahrnehmung. Diese Form der selektiven Wahrnehmung ist allerdings beileibe keine individuelle Besonderheit des Haller OB. Sie prägt die überwiegende Mehrzahl der Kommunalpolitiker aus den etablierten Parteien – zu denen mittlerweile auch die Grünen zu zählen sind. Es passt da ganz ins Bild, dass von diesen Leuten immer so getan wird als wären „das Land“ oder „der Bund“ für die Nöte der Kommunen verantwortlich. Dass Bund und Land immer mehr Aufgaben an die Kommunen verschieben ohne sie gleichzeitig mit den erforderlichen finanziellen Mitteln auszustatten, trifft zu. Insofern hat der Spruch „Wer bestellt, muss auch bezahlen“ seine Berechtigung. Aber es ist eben nur ein Teil der Wahrheit. Denn es ist beileibe nicht so, dass deswegen soziale Standards, für deren Aufrechterhaltung der Bund verantwortlich ist, gewahrt werden. Die gegenwärtige schwarz-gelbe Regierung trocknet nicht nur die Kommunen finanziell aus. Sie schickt sich gegenwärtig an, auch bei den Ausgaben des Bundes im sozialen Bereich demnächst die Sense zu schwingen. Wenn etwa aus „Konsolidierungsgründen“ die Zuschüsse des Bundes an die Bundesagentur für Arbeit rabiat gekürzt werden, wird sich das in Form von massiven Streichungen bei den Weiterbildungsmaßnahmen bei der Bundesagentur für Arbeit niederschlagen. Eventuell werden sogar noch die ohnehin schon dürftigen Zahlungen an Hartz IV-Empfänger weiter gekürzt. Wenn die Bundesregierung, wie momentan angedacht, die Bundeszuschüsse zu den Krankenversicherungen kürzt, wird das sich in Form von verschlechterten Leistungen der Krankenkassen bei deutlich höheren Zusatzbeiträgen für die Versicherten niederschlagen. Die von den Parteien verschiedenster Couleur betriebene Gefälligkeitspolitik zugunsten der Kapitalbesitzer und Besserverdienenden findet bereits seit Jahren auf allen Ebenen (Bund, Ländern und Gemeinden) statt. Eine Folge ist, dass sich die Einkommen der Armen und den wohlhabenden Schichten immer weiter auseinander entwickeln. Hinzu kommt, dass als Folge der massiven Steuerentlastungen für Unternehmen und Vermögende die öffentlichen Kassen immer stärker austrocknen. In den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs zwischen 2004 und 2007 wurde dieses Problem noch etwas kaschiert. In Zeiten der Krise kommt es jedoch voll zum Tragen. Diese Politik der Umverteilung von Unten nach Oben ist nicht vom Himmel gefallen und ist auch nicht Ausgeburt eines naturwüchsigen Sachzwangs. Sie ist dem Wirken von konkret benennbaren Akteuren geschuldet, die diese Arbeit als Serviceleistung für die herrschenden Wirtschafts- und Machteliten erbrachten.
Es geht auch anders
Diese Politik ist beileibe nicht alternativlos. Im letzten Alpha-Press-Heft haben wir dargestellt, dass die öffentlichen Kassen nicht leer sein müssten. Nötig wäre allerdings, dass endlich diejenigen zur Kasse gebeten werden, deren Reichtum dank der neoliberalen Politik in den letzten beiden Jahrzehnten weit überproportional gestiegen ist. Der Möglichkeiten gibt es viele, was fehlt ist der politische Willen. Wenn Mitglieder der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen jetzt darüber jammern, dass das Geld für kommunale Leistungen fehlt, aber nicht über die Verantwortung der Spitzenpolitiker ihrer Fraktionen für diesen Missstand sprechen wollen, ist das wenig glaubhaft. Wem die Fortführung der kommunalen Leistungen in dieser Stadt wirklich ein Anliegen ist, muss über den privaten Reichtum sprechen, in dem die potentiellen Steuereinnahmen verschwunden sind. Wer das nicht tut, ist entweder ein Heuchler oder leidet unter solch starken Wahrnehmungsstörungen, dass er/sie eigentlich besser heute als morgen sein Mandat in öffentlichen Gremien niederlegt.
Für die Bürger und BürgerInnen dieser Stadt gibt es jedenfalls keinen Grund, dem Gejammer der Politiker Glauben zu schenken. In diesem Land gibt es genug Geld, um eine gute kommunale Versorgung sicherzustellen:
– Wiedereinführung der Vermögenssteuer
– Erhöhung des Spitzensteuersatzes von jetzt 42 Prozent auf 56 Prozent (wie schon in den 1980er Jahren)
– Rücknahme der Senkungen bei der Körperschaftssteuer ( jetzt 25 Prozent, früher 40 Prozent)
– Schließung der Steuerlöcher für Konzerne
– Einführung einer Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte
– Energisches Vorgehen gegen Steueroasen
– Bessere Ausstattung der Finanzämter mit Steuerfahndern
– Einführung einer Luxussteuer auf teure Häuser, Yachten, teure Autos, teuren Schmuck