Der Lärm war ohrenbetäubend, die Stimmung kämpferisch und das Signal deutlich: Wir lassen uns von der Geschäftsleitung nicht wie die Lämmer zur Schlachtbank führen. Über 2000 Beschäftigte von Getrag waren am Dienstag, 23. März 2010, zum Stammsitz des Getriebeherstellers nach Untergruppenbach gekommen.
Pressemitteilung der IG Metall-Bezirksleitung Baden-Württemberg
Unkontrolliertes Wachstum im Ausland und sinnlose Verlagerungen
Bei strahlendem Sonnenschein haben sie ihrem Ärger über die Kahlschlagpläne der Geschäftsleitung lautstark Luft gemacht. Zahlreiche Plakate und Transparente machten deutlich, was die Mitarbeiter von den Plänen der Firmenlenker halten: Nichts! »Kopfloser Kahlschlag statt kreativer Konzepte« oder »Getrag Ludwigsburg, wir bleiben« war dort zu lesen. »Wir sagen Nein zu Arbeitsplatzabbau und Ja zu Zukunftsperspektiven für Arbeitsplätze«, rief der baden-württembergische IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann den Kolleginnen und Kollegen zu. Der Geschäftsleitung warf er vor, durch unkontrolliertes Wachstum im Ausland und sinnlose Verlagerungen das Unternehmen erst in die Schieflage gebracht zu haben. »Die Geschäftslei-
tung hat versagt und bis heute kein belastbares Konzept vorgelegt, das den Standorten im Wettbewerb eine Chance eröffnet.« Gleichzeitig kündigte er weiteren Widerstand gegen die Vorstandspläne an. Hofmann: »Getrag braucht eine Zukunft und keine Abrissbirne.«
In Neuenstein steht die Auszahlung der ersten Hälfte des Urlaubsgeldes an
IG Metall und Gesamtbetriebsrat (GBR) haben die Geschäftsführung (GF) von Getrag aufgefordert, das Personalkonzept zu überarbeiten und Klarheit über die mittelfristigen Perspektiven der Standorte zu schaffen. Dies wurde für die nächsten Wochen auch zugesagt. Erst auf dieser Grundlage wird dann darüber entschieden, ob es überhaupt Sinn macht, sich auf Verhandlungen über ein Zukunftskonzept einzu lassen. Kurzfristig steht in Neuenstein die Auszahlung der ersten Hälfte des Urlaubsgeldes an. Zwar hatte die GF die Idee, diese Auszahlung zu verschieben um so später besser verzichten zu können. Dem haben die IG Metall und der Betriebsrat in Neuenstein eine deutliche Absage erteilt. Somit muss das Geld mit der März-Abrechnung ausbezahlt werden.
„In Neuenstein haben wir die Genehmigung von Überstunden gestoppt“
Auch Richard Neumann, Betriebsratsvorsitzender von Getrag in Neuenstein klagte das Management an. »Die Arbeitgeber verzocken unser sauer verdientes Geld und wir sollen die Zeche bezahlen«, wetterte er. Der Forderung nach Überstunden am Standort Neuenstein erteilte er deshalb auch eine klare Absage: »In Neuenstein haben wir die Genehmigung von Überstunden gestoppt. So lange, bis die Pläne der Geschäftsleitung vom Tisch sind.«
Die Sicherung aller Standorte ist das Ziel
»Jeder Vierte von uns soll arbeitslos werden und das, obwohl wir in Ludwigsburg schon 27 Millionen Euro an Einsparungen erbracht haben«, zeigt sich Joachim Plucis, Betriebsratsvorsitzender in Ludwigsburg, dem von Schließung bedrohten Standort, verärgert. Auch er fordert unmissverständlich: »Diese Pläne müssen vom Tisch. Die Sicherung aller Standorte ist unser Ziel.« Ein Versagen der Geschäftsleitung erkennt auch Karl Weber, Betriebsratsvorsitzender der Hauptverwaltung Untergruppenbach. Er meinte: »Die Bezeichnung Geschäftsführung ist falsch, denn Führung haben wir ja keine, es ist nur blinder Aktionismus zu sehen.« In diese Kerbe schlug auch Lothar Harlacher, Betriebsratsvorsitzender bei Getrag in Rosenberg. Er fragte, was die Geschäftsleitung mit den 100 Millionen Euro der Belegschaft gemacht habe? »Bisher hat sie nur bewiesen, dass sie mit Geld nicht umgehen kann.«
Der Landtag hat die Beschäftigungssicherung der deutschen Standorte 2009 mit 20 Millionen Euro unterstützt
Klaus Hartlehnert, Betriebsratsvorsitzender Bad Windsheim, brachte die Forderung der Belegschaft auf den Punkt: »Wir erwarten eine längerfristige Perspektive bis 2013 und darüber hinaus. Verhandelt wird erst, wenn diese Pläne vom Tisch sind. Wir wollen gemeinsam mit allen durch die Krise kommen.« Die Tragweite des geplanten Kahlschlags zeigte Bernhard Löffler, Regionalvorsitzender des DGB-Nordwürttemberg-Nordbaden, auf: »Die Abbaupläne bedeuten eine regionale Krise für Nordwürttemberg, weil vier Getrag-Standorte hier angesiedelt sind. Deshalb müssen wir jetzt Flagge zeigen.« Unterstützung für die Belegschaft kam auch aus der Politik vom Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Claus Schmiedel. Er sagte: »Getrag ist in Schwierigkeiten, weil die Unternehmensleitung weltweit investiert hat ohne Sinn und Verstand. Der Landtag hat die Beschäftigungssicherung der deutschen Standorte 2009 mit 20 Millionen Euro unterstützt – weil wir glaubten, das Konzept habe Substanz und Zukunft. Dieses Geld gibt’s aber nur für Arbeitsplätze, nicht für deren Abbau.«
Heidi Scharf: „In dieser Auseinandersetzung werden wir einen langen Atem haben müssen“
Die eindrucksvolle Aktion sei vermutlich nicht die letzte, so Heidi Scharf, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Schwäbisch Hall. »In dieser Auseinandersetzung werden wir einen langen Atem haben müssen – diese Kundgebung war erst der Autktakt dazu. Im Kern geht es um die ganze Firma, nicht nur um die akut bedrohten Arbeitsplätze. Getrag wird Stückchen für Stückchen zerlegt, wenn wir uns jetzt nicht entschieden wehren.«