Die auf der Fernsehserie „Sex and the City“ basierende zweite Verfilmung des Regisseurs Michael Patrick King ist seit seinem Start am 27. Mai 2010 auf Platz 1 der Kinocharts. Nachdem Politik, Kulturkritik und Feminismus bisher nicht zu den Stärken der „Sex and the City“-Reihe gehörten, wird in der zweiten Verfilmung der Fernsehserie auf relativ plumpe und naive Art versucht die Lebensphilosophie der vier Freundinnen auf Probleme globalen Ausmaßes zu projizieren.
Filmkritik von David Jäger aus Gerabronn
Botschaft des Films ist kritisch zu betrachten
Dass dies teilweise beschämend wirkt, zeigt der Versuch, die Eheproblematik im heimischen Loft mit der Trennung eines indischen Wanderarbeiters von seiner Familie zu vergleichen. Da der Film nicht nur den Anspruch einer Komödie hat, sondern für viele Frauen als ernsthafte Lebensvorlage gilt, kann die Botschaft des Film auch kritisch betrachtet werden. In die große Stadt gehen, Erfolg haben und nebenbei die große Liebe des Lebens finden. So war in der Serie und in der ersten Verfilmung noch kulturkritische Brisanz enthalten, denn es ging ja um die Vermittlung hedonistischer und konservativer Lebensmodelle. Die hedonistische Romantikerin Carry Bradshaw und der dandyhafte Manager Mr.Big.
Lustbetonung weicht egomanischer Oberflächlichkeit
Nun hat sich in der Fortsetzung Carry´s vorher sympathische unbeschwerte Lustbetontheit innerhalb der Ehe zu einer egomanischen Oberflächlichkeit manifestiert. Sie scheint unglücklich und borniert über ihre so lang erträumte Ehe, welche im Alltag nunmal keinen Glamour zu bieten hat, sondern Fertigessen vor dem Fernseher und einen schnarchenden Ehemann. Genau an dieser Stelle verpasst der Film die Versöhnung mit der Realität und lässt eine partnerpsychologisch sinnvolle Aussage, aus.
Der Frauenbewegung geht es nicht um unterdrücktes Modebewusstsein, sondern um Misshandlung und Versklavung
So flieht die Hauptdarstellerin erstmal mit ihren Freundinnen in ein Luxushotel nach Abu Dhabi. Dort in einem restriktiven Staat soll dann die Emanzipation der Frau, in pseudokritischer Manier vorangebracht werden. Das öffentliche Ausleben kapitalistischer Lebensweise, das in Abu Dhabi sicher nicht zu kurz kommt, aber eben nur der männlichen Klientel vorbehalten ist, soll die Triebfeder aus der Unterdrückung der Frau sein. So gipfelt der politische Stumpfsinn, als die vier New Yorkerinnen in einen geheimen Buchclub einiger Muslima geraten, die enthüllen, dass sie unter ihren Burkas Dior, Prada und Gucci tragen. Ein Schlag ins Gesicht für die internationale Frauenbewegung, die sich mit den misshandelten und versklavten Frauen und nicht mit unterdrücktem Modebewußtsein solidarisieren.
So schreibt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in seiner Kritik:
„Samanthas Revolte gegen Verhüllungszwang und Sexverbot ist stumpfester Kulturchauvinismus. Die selbstironische Distanz, mit der die „SATC“-Frauen ihre kapitalistische Zurichtung zu Konsumpuppen betrieben, ihre coolen Gesten des gespaltenen Bewusstseins, das zwischen Feminismus und Zynismus vermitteln konnte, sie sind plumper Agitation gewichen. Die entrüsteten Muslime, die schwitzende Riesendekolletees bei Tisch als Affront empfinden, werden als Knallchargen der Reaktion gezeigt – dabei sind sie nur sittsam und kultiviert.“
Sexuell-dekadente Lebensweise
So beleidigt Samantha in ihrer sexuell-dekadenten Lebensweise fremde Kulturen. Charlotte geht von einem Verhältnis ihres Mannes mit der Nanny, ausschließlich aufgrund ihrer Körbchengröße aus und Carry betrügt zu guter Letzt ihren Ehemann mit einer alten Liebschaft. Doch zurückgekehrt müssen die vier keine Lehre aus der ganzen Angelegenheit ziehen, denn es war ja auch nur ein Ausflug aus ihrer Welt – ebenso für den Zuschauer. Doch in einem Film, den sehr viele junge Menschen schauen, solch ein soziales Fehlverhalten unsanktioniert zu lassen, scheint pädagogisch wenig sinnvoll. So kann man darüber streiten, ob ein Film überhaupt einen pädagogischen Anspruch haben muss, doch bei Besucherzahlen von über einer halben Million in der ersten Woche, der jungen Zielgruppe und den ständigen Diskussion über die Auswirkungen von Bushido und Co. muss zumindestens einmal der Gedanke erlaubt sein.