Jetzt ist es endlich raus: Bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG gibt es eine „Schieflage bei der Liquidität“. Die schönfärberische, dem Fachchinesisch entliehene Formulierung könnte man/frau wohl auch so übersetzen: Der GWG steht das Wasser bis zum Hals.
Text erstmals veröffentlicht im Schwäbisch Haller Monatsmagazin Alpha Press, Ausgabe April/Mai 2010
Bausparkasse Schwäbisch Hall zahlt seit 2001 keine Steuern mehr an die Stadt
Auch die Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG räumen – zwar widerwillig und mit deutlichen Anzeichen von Verärgerung – ein, dass es Probleme gibt. Aus im Haller Tagblatt vom 3.März 2010 zitierten Äußerungen der GWG-Geschäftführer geht hervor, dass die aktuellen Probleme der GWG ihren Ausgangspunkt in dem Umstand haben, dass die Bausparkasse Schwäbisch Hall seit 2001 keine Steuern mehr an die Stadt Schwäbisch Hall zahlt. Denn bis zu dem Zeitpunkt ist die GWG ein gesundes Unternehmen mit einer nahezu „idealen“ Eigenkapitalquote von 30 Prozent gewesen. Dann stellte in Folge des umfangreichen Steuerschenkungspakets der rot-grünen Regierung an Unternehmen und Besserverdienende die Bausparkasse Schwäbisch Hall die Gewerbesteuerzahlungen an die Stadt Schwäbisch Hall ein und brachte letztere damit in eine ernste finanzielle Schieflage.
Weggeschobene Probleme fallen der Stadt jetzt auf die Füße
Das veränderte auch für die GWG die Lage grundlegend. Denn die Strategie von Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim bestand ja bekanntlich darin, den städtischen Haushalt zu entlasten, indem er die städtischen Töchter, und hier besonders die GWG, immer stärker belastete. Die Probleme, derer man sich durch Abschiebung aus dem offiziellen städtischen Haushalt in die Tochtergesellschaften, vielleicht entledigt zu haben glaubte, fallen der Stadt jetzt wieder auf die Füße.
Zwangsoptimismus von Finanzbürgermeister Oscar Gruber
Die Geschäftführer der GWG räumen quasi offiziell ein: So richtig in die rote Tinte fiel die GWG dann dadurch, dass ihr das „Jahrhundertprojekt“ Kocherquartier aufgebürdet wurde: „Der große Einbruch kam 2008, als sich Kredite in Höhe von fast 30 Millionen für den Bau des Kocherquartiers voll in den Bilanzen niederschlugen.“ (Haller Tagblatt, 2. März 2010). Das ganze Ausmaß der GWG- Probleme kann an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden (siehe dazu untenstehenden Artikel „Die GWG – Ein Fall von Voodoo-Ökonomie?“); Aber eines scheint deutlich: Die Probleme scheinen beträchtlich zu sein. Zwar machen die Geschäftführer einen auf Zwangsoptimismus und Oscar Gruber, der in Personalunion Geschäftsführer bei der GWG und Finanzbürgermeister bei der Stadt Schwäbisch Hall ist, versucht, die Gemüter mit der Ansage zu beruhigen, noch in diesem Jahr ein „Risikomanagementsystem“ einzuführen. Aber wenn Oscar Gruber jetzt schon öffentlich darüber nachdenkt, das Kocherquartier zu veräußern, lässt das doch tief blicken.
„Miete soll Entlastung bringen“
Bekanntlich ist die GWG für den Wohnungsmarkt in Schwäbisch Hall nicht ganz unbedeutend. Auf ihrer eigenen Webseite stellt sich die GWG wie folgt dar: „Wir sind seit über 90 Jahren Ihr Partner für eine erfolgreiche provisionsfreie Vermietung. In unserem Bestand befinden sich gegenwärtig 708 Mietwohnungen und 100 gewerbliche Objekte sowie Garagen und Parkplätze.
Darüber hinaus vermieten wir weitere 613 Objekte der Stadt und des Hospitals zum Heiligen Geist. Bei uns findet sich für jeden Geschmack und für jeden Geldbeutel das Passende.“ Wenn aber die Mieteinnahmen der GWG „Entlastung“ bringen sollen, heißt das im Umkehrschluss, dass auf viele MieterInnen der GWG Belastungen zukommen. Bei den MiterInnen der GWG gibt es jedoch einen beträchtlichen Anteil von Menschen, die auf billigen Wohnraum dringend angewiesen sind. Müssen sie jetzt womöglich mit drastischen Mieterhöhungen rechnen? Oder kann es sein, dass sich die GWG in Zukunft noch stärker darum bemühen wird, Wohneinheiten, in denen sozial Schwache wohnen, abzustoßen, weil sie nicht „wirtschaftlich“ sind?
Drohung mit Mieterhöhungen für sozial Schwache?
Der Drang nach wirtschaftlichem Ertrag und zunehmende soziale Kälte sind bekanntlich zwei Seiten derselben Medaille. Insofern darf die Ankündigung „Geschäftsfelder sollen eindeutig voneinander abgegrenzt und auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft werden“ durchaus auch als Drohung an die Adresse der GW- Mieter mit dem kleinen Geldbeutel verstanden werden. Von wegen: „Bei uns findet sich für jeden Geschmack und für jeden Geldbeutel das Passende.“
BürgerInnen könnten zu unfreiwilligen Sponsoren des Prestigeobjekts werden
Aber nicht nur die Mieter der GWG sollen nach den Vorstellungen der „Macher“ in dieser Stadt ihren „Beitrag“ leisten: Die GWG soll jetzt noch eine weitere Million Euro aus dem städtischen Haushalt 2012/2013 dazu kommen. Und es ist nicht auszuschließen, dass noch weitere Finanzspritzen nötig sind. Denn es wäre fast schon eine Sensation, wenn am Ende beim Kocherareal die Ausgaben nicht deutlich über Plan liegen würden. Die Stadtverwaltung hat jetzt schon demonstrativ darüber gejammert, dass man beim städtischen Haushalt an seine Grenzen gestoßen sei. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzspritzen für das Kocherquartier an anderer Stelle zu Kürzungen führen werden – wahrscheinlich bei den “frei-
willigen Leistungen”. Es könnte somit der Fall eintreten, dass die Haller BürgerInnen unfreiwillig zu Sponsoren des Prestigeprojekts werden noch bevor dieses seine Pforten öffnet.
Wenn Ahnungslosigkeit weh tun würde… Die GWG – Ein Fall von Voodoo-Ökonomie ?
Ausgerechnet in der Gemeinderatssitzung am 11. 11. 2009 stellte als „Antrag elf“ die CDU-Fraktionsvorsitzende Uta Rabe die Frage nach Einzelheiten der Städtischen Bürgschaften mit einem aktuellen Nennwert von über 160 Millionen Euro. Denn „diese hohe Summe stellt mit über 4.300 Euro pro Einwohner einen bundesweiten Spitzenwert dar. Der bundesweite Durchschnittswert lag Ende 2007 in den Flächenländern bei 407 Euro pro Einwohner, in Baden-Württemberg bei 888 Euro pro Einwohner“. Dabei hätte sie als Mitglied des Verwaltungs- und Finanzauschusses aufgrund früherer Beratungen längst gewusst haben müssen, dass allein auf die (städtische) Grundstücks- und Wohnungsbaugesellschaft (GWG) Mitte 2009 rund 44 Prozent der Restvaluta der städtischen Bürgschaftssumme der ursprünglichen Darlehensbetragssumme von zirka 79 Millionen Euro entfielen. Denn anders hätten sich bisher zum Beispiel auch die zahlreichen innerstädtischen Projekte wie Erwerb und Umbau des „Dreikönig“ zum H&M-Shop, Umbau des „Haller Tagblatt“, Bau des Ritter-Parkhauses und so weiter nicht finanzieren lassen.
GWG musste für Kocherquartier einen Kredit in Höhe von 29 Millionen Euro aufnehmen
Und dies gilt erst recht für die Finanzierung des „Jahrhundertprojekts“ Kocherquartier, für das die GWG in 2008 einen Kredit von 29 Millionen Euro aufnehmen musste. Denn gemessen an den Volumina der aufgehalsten Investitionen ist die GWG völlig unzureichend mit Eigenkapital ausgestattet.
Der Wahn zur Größe
Von Geschäftsjahr 2007 auf 2008 ist die Bilanzsumme der GWG um 47 Prozent auf über 105 Millionen Euro gestiegen, während der Eigenkapitalanteil an der Bilanzsumme von 19 auf 13 Prozent gesunken ist. Schaut man sich die Jahresabschlüsse
der Geschäftsjahre 2008 (2007) anderer städtischer/kommunaler Wohnungsbaugesellschaften in Baden-Württemberg an, so stellt man durchgängig eine weitaus bessere Kapitalausstattung fest (jeweils Eigenkapitalanteil an der Bilanzsumme):
Wiesloch 50 % (49%)
Oberkirch 40% (39%)
Friedrichshafen 33% (33%)-
Lahr 28 % (29%)
Hattenhofen 28% (27%)
Rheinfelden 25% (25%)
Bretten 24 % (22%)
Mietnebenkosten stiegen stark an
Zum Jahresende 2008 befanden sich unter anderem 754 Mietwohnungen im Eigentum der GWG, zu deren wirtschaftlichen Verwertung wie bereits in den früheren Geschäftsberichten bemerkt wurde: Es „steigt jedoch wie in den Vorjahren der Anteil der Mieterklientel an, dem es wirtschaftlich schwer fällt, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen. Dies wird verschärft durch den sich weiterhin stark entwickelnden Anstieg der Nebenkosten. Dieser engt den Spielraum für Anpassungen der Grundmiete immer weiter ein. Bei der GWG kommt daher der Verfolgung rückständiger Forderungen eine besondere Bedeutung zu.“
Weitere Steigerungen des Bauunterhaltungsetats sind vorgesehen
Von 2007 auf 2008 haben sich die Forderungen aus Vermietung (also Mietrückstände) von rund 678.000 Euro auf knapp zwei Millionen Euro nahezu verdreifacht. Um Leerstände und Renovierungsrückstände zu vermeiden, wird im Geschäftsbericht bemerkt: „Für die Instandhaltung und Pflege des Altmietwohnungsbestandes wurden im Berichtsjahr 1.140.230,45 Euro (im Vorjahr 608.053,72 Euro) aufgewendet. Weitere Steigerungen des Bauunterhaltungsetats sind vorgesehen.“
Wie man Rendite (nicht) macht…
Wenn das Verhältnis des erzielten Jahresüberschusses zu dem eingesetzten Eigenkapital (Eigenkapitalrentabilität) höher ist als das Verhältnis von Jahresüberschuss plus Fremdkapitalzinsen zur Bilanzsumme (= Gesamtkapitalrentabilität) spricht man von einem positiven Leverage-Effekt, was Hebelwirkung bedeutet. Ist jedoch die Gesamtkapitalrentabilität höher als die Eigenkapitalrentabilität diente die wirtschaftliche Betätigung des Unternehmens im Ergebnis eher dazu, den Darlehensgebern (das sind in der Regel kreditgebende Banken) Einnahmen zu verschaffen als Gewinne für das Unternehmen zu erzielen. Genau
dies trifft auf die GWG zu. Für das GWG-Geschäftsjahr 2008 ist festzustellen, dass gegenüber dem Vorjahr die Eigenkapitalrentabilität von 2,7 Prozent auf 2,4 Prozent abgesunken ist. Auch die (vergleichsweise höhere) Gesamtkapitalrentabilität ist 2008 gegenüber dem Vorjahr von 4,2 Prozent auf 3,3 Prozent gesunken.
Dramatische Situation, wenn Kostensteigerungen eintreten oder erwartete Zahlungen ausbleiben
Was jedoch viel dramatischer sein dürfte, ist die Struktur der Verbindlichkeiten nach ihrer Fristigkeit: Insgesamt ist in 2008 die Summe der Verbindlichkeiten von knapp 55 Millionen Euro um 63 Prozent auf rund 89 Millionen Euro gestiegen; dabei haben sich die Verbindlichkeiten mit einer (Rest-)Laufzeit von über fünf Jahren von rund 27 auf circa 53 Millionen Euro verdoppelt. Aber die kurzfristigen Verbindlichkeiten mit einer (Rest-)Laufzeit von unter einem Jahr haben sich von 6 Millionen Euro auf nunmehr knapp 17 Millionen Euro nahezu verdreifacht! Da kann ganz schnell eine dramatische Situation eintreten, wenn plötzlich unerwartete kurzfristige Kostensteigerungen eintreten oder erwartete Zahlungen ausbleiben….
Bereits im Herbst 2009 gab es Gerüchte über finanzielle Schieflage der GWG
Nun ist aber zu bedenken, dass die hier dargestellten Zahlen aus dem vorletzten Geschäftsjahr stammen und es ist kaum zu erwarten, dass sich an der beschriebenen Situation irgendetwas grundlegend geändert hat. Es ist daher kein Wunder, dass bereits seit Herbst 2009 Gerüchte über eine (drohende) Schieflage der GWG in Schwäbisch Hall die Runde machten, lange bevor diese Gerüchte vor ein paar Wochen dann auch ihren publizistischen Niederschlag in der Lokalberichterstattung des Haller Tagblatts fanden.
Aberwitzige Wunschvorstellung von Gemeinderäten
Am Schluss der Anfang Dezember letzten Jahres vorgelegten „Mittelfristigen Finanz- und Wirtschaftsplanung der GWG für die Jahre 2010 – 2014“ hatte Gruber bemerkt: „Steigende Leerstandszahlen und vor allem steigende Zinsbelastungen hätten bestandsbe drohliche Konsequenzen für die GWG“. Und plötzlich wird einigen Gemeinderäten ob der eingegangenen Risiken etwas unwohl und sie verfallen in eine aberwitzig anmutende Wunschvorstellung. So soll das Kocherquartier nach seiner Fertigstellung möglichst schnell an einen Investor verkauft werden. Und dabei haben sie ebenso schnell verdrängt, dass sich jahrelang kein Investor finden lassen wollte, um die Stadt mit einem innerstädtischen Einkaufszentrum zu beglücken. Aber wenn (hoffentlich nicht!) etwas „schief gehen“ sollte, könnte es sein, dass viele die Folgen gleich zweimal bezahlen dürfen: Zunächst einmal als Bürger dieser Stadt und dann noch als Mieter der GWG.
Glückwunsch,
solche Infos und Berichte sind „ungefiltert“ und sonst nirgendwo zu lesen.
Tausendmal besser als alberne Angriffe auf Ihren Lieblingspolitiker oder albernes verlinken von fragwürdigen fremden Inhalten.
Bitte mehr davon. Regionale Probleme so darstellen wie sie nie in den regionalen Zeitungen erscheinen werden weil diese viel zu weichgespült sind.
Tipp: Nehmen Sie sich doch mal die Bilanzen regionaler Banken vor …. !!!
M<X`²
Sehr geehrter M,
auch ich finde, die beiden im Schwäbisch Haller Monatsmagazin erstveröffentlichten Artikel sind äußerst informativ.
Zu Ihrer Aussage „alberne Angriffe auf Ihren Lieblingspolitiker“ will ich kurz eingehen. Ich denke, Sie meinen den Bundestagsabgeordneten Christian von Stetten (CDU) aus Künzelsau-Schloss Stetten. Leider ist CvS der einzige Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Schwäbisch Hall-Hohenlohe. Er ist somit der höchstrangige Politiker der Region, der in einem deutschen Parlament sitzt. Aufgabe von Journalisten ist es, ihr Wächteramt auszuüben und kritikwürdige Taten und Aussagen dieses Menschen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das muss nicht in jedem Fall Ihren Geschmack treffen. Es zwingt Sie niemand, die entsprechenden Artikel zu lesen.
Zum Thema „albern“ im Allgemeinen: Wer Kritik, die ihn selbst persönlich nicht in Gefahr bringt, anonym unter einem Kürzel veröffentlicht, sollte das Wort albern nicht verwenden. So viel Courage sollte sein, mit seinem vollen Namen zu seinen Aussagen zu stehen.
Wenn Guido Westerwelle derzeit zurecht Kritik, Spott und Häme erhält, dann hat dies CvS allemal verdient. Ein Politiker, der so dreist und offensichtlich lügt und als Abgeordneter dermaßen faul ist wie Christian von Stetten, sucht in Berlin seinesgleichen.
Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert