Als handele es sich dabei um eine Kleinigkeit, hat die mexikanische Regierung drei Anträge des transnationalen Konzerns Monsanto auf Aussaat von 30.000 Hektar Genmais in Sinaloa genehmigt – für die so genannte „Pilotphase“.
Von Silvia Ribeiro, Forscherin der ETC-Group (weitergeleitet vom Bündnis Gentechnikfreies Hohenlohe)
Es droht transgene Kontaminierung aller anderen Maissorten
Das ist ein gravierendes Ereignis, zum einen wegen der großen Anbaufläche, zum anderen, weil dies verdeutlicht, dass die von der Regierung als „experimentelle Phase“ bezeichnete Etappe nichts weiter war als eine schöne Fassade, um die Tür für die kommerzielle Aussaat gentechnisch veränderter Pflanzen im großen Stil zu öffnen. Die transgene Kontaminierung aller anderen Maissorten ist dann nicht mehr zu verhindern.
„Lügenmärchen“ transnationaler Konzerne
Die gentechnisch veränderten Organismen (GVO) sind durchaus nicht unproblematisch, ganz gleich, unter welchem Aspekt man sie betrachtet – trotz aller Lügenmärchen, die von transnationalen Konzernen verbreitet werden, die als einzige an den GVO verdienen. Statistiken aus mehreren Jahren zeigen, dass, obwohl auf riesigen Flächen und in großem Umfang angebaut, die gentechnisch veränderten Pflanzen weniger Ertrag bringen und dafür auch noch mehr Pestizide eingesetzt werden müssen.
Negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier
Es gibt zahlreiche Berichte von Ärztevereinigungen und anderen WissenschaftlerInnen, die verdeutlichen, dass die GVO negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier (dazu gehören unter anderem Allergien, Unfruchtbarkeit, Beeinträchtigungen des Immunsystems, Schäden an Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse) sowie auf die Artenvielfalt haben. Vor kurzem wurde eine Studie der Universität Arkansas veröffentlicht, die zeigt, dass sich die GVO neben der omnipräsenten Kontaminierung von Anbauflächen mit Kulturpflanzen auch in der Wildnis ausbreiten, mit weitergehenden Auswirkungen auf Insekten und Pflanzenwelt.
Eine andere Untersuchung der deutschen Stiftung Testbiotech e.V. zeigt, dass das Fleisch und die Milch von Ziegen und Schweinen, die mit Genmais gefüttert worden sind, Teile der transgenen DNA enthalten. Ähnlich verhält es sich mit Fischen, die Genmais als Nahrung bekommen.
Mexiko ist Ursprungsland des Mais
Diese Beispiele sind nur ein kleiner Teilbereich der ernsten Probleme, die der Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen insgesamt mit sich bringt. In Mexiko potenzieren sich die Risiken um ein Vielfaches, denn es ist das Ursprungsland des Mais. Ein Großteil der Stimmen aus Wissenschaft und sozialen Organisationen stimmen darin überein, dass in Mexiko deshalb überhaupt nicht mit Genmais experimentiert werden dürfe. Abgesehen davon produziert Mexiko genug Mais, vor allem durch Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, um die ganze Bevölkerung damit zu ernähren.
Anbauflächen von gentechnisch verändertem Mais werden immer größer
Dessen ungeachtet, genehmigte die mexikanische Regierung in den Jahren 2009 und 2010 mehr als 70 Anträge auf Aussaat von Genmais, die von den transnationalen Konzernen Monsanto, DuPont (mittels seiner Tochterfirmen Pioneer HiBred und PHI México) und Syngenta gestellt worden waren. Im Jahr 2009 wurden nach Angaben der Regierung 33 Anbauflächen mit einer Gesamtfläche von 14,43 Hektar genehmigt, im Jahr 2010 kamen 41 weitere Anträge hinzu, mit wesentlich größeren Flächen. Unter ihnen befinden sich auch drei Anträge von Monsanto mit einer Gesamtfläche von 30.000 Hektar für die Pilotphase in Sinaloa. Im selben Dokument werden weitere 90.000 Hektar in Tamaulipas beantragt, die noch der „experimentellen Phase“ zugerechnet werden.**
90 Prozent werden von Monsanto kontrolliert
Fast 90 Prozent der transgenen Maissorten, deren Aussaat beantragt wird, werden von Monsanto kontrolliert. Auch bei den Anträgen von Syngenta, DuPont y Dow ist das der Fall: Deren Mais enthält Gene, auf die Monsanto ein Patent hält – allein oder in Kombination mit anderen. Am häufigsten wird Mon603 (entspricht NK603) beantragt. Diese Sorte ist resistent gegen das Herbizid Glyphosat, das unter Bezeichnungen wie Faena, Rival oder Roundup im Handel ist. Auch die Aussaat von Mon810 wurde beantragt.
Fruchtbarkeit bei Laborratten reduziert
In einer wissenschaftlichen Studie, die vom österreichischen Gesundheitsministerium im Jahr 2008 veröffentlicht wurde, sind die Auswirkungen eines gentechnisch veränderten Maises mit genau diesen beiden Charakteristiken (denen von NK603 und von Mon810) analysiert worden. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass der Verzehr dieses Maises unter anderem die Fruchtbarkeit bei Laborratten reduzierte. Diese und andere Studien, unter anderem über die Umweltauswirkungen von insektizidresistentem Mais, bewirkten, dass mehrere europäische Staaten, darunter Österreich, Deutschland, Frankreich und Griechenland den Anbau von Genmais in ihrem Land verboten haben.
Mexikanische Regierung unterstützt transnationale Konzerne
Doch im Ursprungsland des Maises unterstützt die Regierung transnationale Konzerne bei der experimentellen Aussaat verschiedener gentechnisch veränderter Maissorten, die gegen Insektizide und Pflanzenschutzmittel resistent sind. Auch einer der Anträge der Pilotphase auf die Aussaat von 10.000 Hektar GVO enthält das Gen 603.
Kritische Einwände aus vielen Wissenschaftsdisziplinen und zivilgesellschaftlichen Organisationen
Die angeblich von Regierung und Unternehmen ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt sind völlig unzureichend, angesichts der Risiken, die gentechnisch veränderter Mais in Mexiko bedeutet. Sie wurden bis ins Detail in einer öffentlichen Befragung, die von der Regierung zu einigen Anträgen im Internet angeboten worden war, analysiert und kritisiert. Aus vielen Wissenschaftsdisziplinen und zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden kritische Einwände auf solider wissenschaftlicher Basis eingereicht, die die Regierung ohne weiteren Kommentar verwarf.
Einhaltung der Richtlinien wird nicht überprüft
Ihr Argument ist, dass die Maßnahmen für die experimentelle Phase ausreichend waren. Doch selbst wenn diese Richtlinien noch dazu ausreichten, die Auskreuzung von GVO aus den Feldern der experimentellen Phase zu verhindern: Die Einhaltung der Richtlinien würden bei kommerzieller Aussaat die Produktionskosten der Bauern in die Höhe treiben, sind zeitaufwändig und werden außerdem auch überhaupt nicht überprüft.
Biosicherheit war nur ein Feigenblatt der Regierung
Es liegt daher auf der Hand, dass die Regierung sich nie für die Biosicherheit interessiert hat, sondern diese nur ein Feigenblatt war, das man wegen internationaler Übereinkünfte im Gesetz hatte verankern müssen. Ein formale Auflage, um danach zur so genannten Pilotphase übergehen zu können und schließlich zur kommerziellen Aussaat.
Neue Anträge genehmigt, ohne bisherige Erkenntnisse ausgewertet zu haben
Deswegen wurden neue Anträge genehmigt, ohne dass die Ergebnisse der vorherigen Phase vorgelegen hätten – und jetzt geht es um Anträge der Pilotphase auf zehntausende Hektar, obwohl die Resultate der so genannten experimentellen Phase noch nicht veröffentlicht worden sind. Zudem wird erneut gegen das Gesetz verstoßen: Die Verordnung über Biosicherheit schreibt vor, dass vor Beginn der Pilotphase die Ergebnisse der experimentellen Phase evaluiert sein müssen – von den an der Aussaat beteiligten Unternehmen übrigens, weswegen dieses Gesetz auch das „Monsanto-Gesetz“ genannt wird. Sie müssen gemäß einem offiziellen Raster der mexikanischen Behörden evaluiert werden, das es jedoch nicht gibt. Die Illegalität, die Farce, die erzwungene Umsetzung – darauf bauen sie. Belege für ihre Argumente haben sie jedoch nicht, nicht einen einzigen.
Anhang:
* Silvia Ribeiro ist Forscherin der ETC-Group
** nach Angaben der Autorin wurde die entsprechende Datei kurz nach Veröffentlichung des Artikels in La Jornada aus dem Netz genommen (Anmerkung der Übersetzerin). Wir geben sie hier wieder: http://womblog.de/wp-content/Anhang.pdf
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Silvia Ribeiro für die Übersetzung ins Deutsche. Der Orginalbeitrag kann hier in spanischer Sprache nachgelesen werden: http://www.jornada.unam.mx/2010/08/28/?section=economia&article=027a1eco
Übersetzung: Bettina Hoyer – Lektorat: Sebastian Landsberger | Kontakt: koordination@linguatransfair.de
http://womblog.de/2010/09/08/das-feiern-der-abhngigkeit-der-mais-den-multis/ La Jornada/Womblog – 08.09.2010